Offener Brief

12.02.1999

3Com GmbH

Geschäftsführung

Herrn Thomas Peters

Max-Planck-Str. 3

85609 Aschheim

München, 29.11.1999

Sehr geehrter Herr Peters,

klasse! Einfach klasse! Ihr jüngster Coup, mit dem Sie sich und die Firma 3Com in die Wirtschaftsteile der überregionalen Presse gebracht haben. Eine wirklich runde Geschichte. Natürlich ging es Ihnen nicht in erster Linie darum, in die Zeitung zu kommen, sondern um die Sache an sich. Aber wenn man schon mal so eine gute Idee hat, wäre es ja schade, wenn man sie der Weltöffentlichkeit vorenthalten würde. Zumal dann, wenn man zeitnah in den Wochenendausgaben der überregionalen Tageszeitungen ganzseitige Personalanzeigen schaltet. Prima Timing also auch noch. Ich kann mich nur wiederholen: klasse! Einfach klasse!

Die Sache, um die es geht, ist natürlich Ihre Ankündigung, ab dem kommenden Jahr dafür zu sorgen, daß alle 3Com-Angestellten im Höchstfall 39 Prozent Einkommenssteuer zahlen müssen. Diejenigen Mitarbeiter, die das Finanzamt zu mehr verdonnert, dürfen sich an Sie wenden, und "hier werden sie geholfen". Natürlich ist die Sache kompliziert, und einige Fragen tauchen auf. So muß der Mitarbeiter die Übernahme der Steuerteilschuld durch 3Com sicher als geldwerten Vorteil abermals versteuern, wodurch er dann möglicherweise wieder über 39 Prozent kommt, so daß 3Com wieder - na, Sie wissen schon. Aber das ist bestimmt nur ein technisches Problem, also grundsätzlich lösbar.

Eine andere Frage lautet: Wie viele Personen, die beim Unternehmen 3Com angestellt sind, kommen überhaupt in den Genuß dieser Regelung? Wenn es allein um die Einkommensteuer geht, und nicht um die gesamte Abgabenlast (also zusätzlich noch Arbeitslosen-, Renten- und Krankenversicherung), dann hat wohl nur ein Junggeselle ohne Kinder und andere "außergewöhnlichen Belastungen" mit einem Jahreseinkommen von deutlich mehr als 300.000 Mark eine Steuerschuld von mehr als 39 Prozent.

Aber okay, es geht hier ja schließlich um Spitzenleute und die Frage, wie man sie für sein Unternehmen gewinnt und dann auch hält. Und im Falle von 3Com kommt ja noch erschwerend hinzu, daß Ihr Vorgänger Manfred Hasseler ein paar gute Leute zu Elsa nachgezogen hat. Da muß man sich gerade heute bei dem Personalmangel in der IT-Branche etwas mehr einfallen lassen als die Konkurrenz.

Mit Ihrer hochprozentigen Initiative haben Sie jetzt etwas Neues, Kreatives, Originelles angestoßen. Viele andere Hersteller sind ja hier so erbärmlich phantasielos. In ihrer Hilflosigkeit schrecken sie nicht einmal davor zurück, Leistungsträger ihrer Kunden abzuwerben. So beschweren sich Systemhäuser über die zunehmende Praxis von Herstellern ("Unsere Partner aus der Industrie") beziehungsweise deren Vasallen (Kopfjäger), die Perlen unter den Systemhausmitarbeitern so lange zu bequatschen und mit allerlei Psychotricks zu verunsichern, bis sie am Ende kündigen und zum Hersteller wechseln.

Der Hersteller, der so verfährt oder diese Praxis der Headhunter stillschweigend duldet, schwächt damit seinen Vertriebspartner, seinen Kunden. Ist das in Ordnung? Ist das ein Partner, mit dem man gerne zusammenarbeitet? Oder ist das nicht vielmehr jemand, der mit "A" anfängt und mit "och" aufhört? Ich jedenfalls kann die Empörung der betroffenen Systemhauschefs sehr gut nachvollziehen. Derzeit erarbeitet das ComputerPartner-Team übrigens eine Schwarze Liste derjenigen Hersteller, die sich bei diesen Abwerbeversuchen besonders hervortun. Sachdienliche Hinweise, die selbstverständlich streng vertraulich behandelt werden, nehmen wir gerne entgegen.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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