Streitpunkt in der Rechtsschutzversicherung

Rechtsanwalt - freie Wahl oder Empfehlung?



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Der BGH hat zur Wirksamkeit eines Schadenfreiheitssystems mit variabler Selbstbeteiligung in der Rechtsschutzversicherung entschieden, das mit einer Anwaltsempfehlung verbunden ist.
Der Bundesgerichtshof hat die Frage der Anwaltswahl bei der Rechtsschutzversicherung behandelt.
Der Bundesgerichtshof hat die Frage der Anwaltswahl bei der Rechtsschutzversicherung behandelt.
Foto: Martin Fally - Fotolia.com

Der für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die durch §§ 127, 129 VVG, § 3 Abs. 3 BRAO gewährleistete freie Anwaltswahl finanziellen Anreizen eines Versicherers in Bezug auf eine Anwaltsempfehlung nicht entgegensteht, wenn die Entscheidung über die Auswahl des Rechtsanwalts beim Versicherungsnehmer liegt und die Grenze des unzulässigen psychischen Drucks nicht überschritten wird.

Darauf verweist der Nürnberger Fachanwalt für Erb-, Steuer sowie Handels- und Gesellschaftsrecht Dr. Norbert Gieseler, Vizepräsident der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf die Mitteilung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 4.12.2013 zu seinem Urteil vom selben Tage, Az. IV ZR 215/12.

Die klagende Rechtsanwaltskammer verlangt von der Beklagten - einem Rechtsschutzversicherer - unter anderem, die Verwendung von Bestimmungen in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2009) zu unterlassen, die ein Schadenfreiheitssystem mit variabler Selbstbeteiligung im Zusammenhang mit einer Anwaltsempfehlung betreffen. Die Bedingungen sehen eine Rückstufung von maximal 150 € pro Schadenfall vor, wobei diese durch Zeitablauf in den Folgejahren wieder ausgeglichen werden kann. Im Schadenfall unterbleibt allerdings diese Rückstufung - und damit in der Regel eine höhere Selbstbeteiligung beim nächsten Versicherungsfall -, wenn der Versicherungsnehmer einen Rechtsanwalt aus dem Kreis der aktuell vom Versicherer empfohlenen Rechtsanwälte beauftragt.

Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten

Das Landgericht hat die auf Unterlassung und Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten gerichtete Klage abgewiesen, da die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten das Recht des Versicherungsnehmers auf freie Anwaltswahl nicht verletzten und keine gravierende Einflussnahme auf seine Auswahlentscheidung vorliege. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte unter anderem dazu verurteilt, die Verwendung der streitgegenständlichen Bestimmungen in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu unterlassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Mit seinem Urteil hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass das Recht auf freie Anwaltswahl im Zuge der Umsetzung der Richtlinie des Rates vom 22. Juni 1987 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Rechtsschutzversicherung (87/344/EWG) im VVG verankert wurde und § 127 VVG deshalb richtlinienkonform auszulegen ist.

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