Reges Treiben im Markt für E-Commerce-Lösungen

21.10.1999

MÜNCHEN: Während sich die deutschen Anbieter an Intershop messen, ziehen die Jenaer in die große, weite Welt und versuchen sich im US-Markt. Die großen amerikanischen Player wiederum wollen auch in Deutschland Marktanteile ergattern. Einige vertreiben direkt, andere indirekt. Mit welchen Anbietern ist für Partner gut Kirschen essen? Hier ein Überblick über die wichtigsten deutschen und amerikanischen Hersteller."Es gibt keinen Softwareanbieter, der ohne signifikanten amerikanischen Marktanteil überleben kann", ist sich Stephan Schambach, Geschäftsführer der Intershop Communications GmbH in Jena, sicher. Deswegen scheut Intershop keine Mühen, um im US-Markt Fuß zu fassen. Jüngster Coup: Compaqs Ex-Chef Eckhard Pfeiffer konnte als Aufsichtsratvorsitzender gewonnen werden. Dadurch verspricht sich Schambach Zugang zu den Fortune-500-Unternehmen. An die will er nämlich das neueste Intershop-Produkt "Enfinity" verkaufen, das ab Ende Oktober in der englischen Version verfügbar ist. Enfinity (mehr Info: www.intershop.de) ist als Enterprise-Produkt das zweite Standbein Intershops neben den bisher angebotenen Hosting-Lösungen. "Wir wollen damit die externen Geschäftsprozesse eines Unternehmens automatisieren", beschreibt Schambach die Aufgabe des Produkts und vergleicht es mit ERP-Systemen, die die internen Geschäftsprozesse abbilden. Als Mitbewerber zu Enfinity sieht Schambach die amerikanische Firma Broadvision. Broadvision und Open Market sind laut Dataquest weltweit Marktführer im E-Commerce Markt (siehe Grafik auf Seite 70). "Wir wachsen aber am schnellsten", wendet der Intershop-Geschäftsführer ein. Intershop arbeitet weltweit mit 600 Partnern zusammen.

Broadvision sieht sich mit dem Produkt "One-to-one-Commerce" im immer stärker personalisierten Produktverkauf im Internet gut positioniert. Das Unternehmen ist einer der ältesten Anbieter von E-Commerce-Lösungen "aus der Box" und seit 1995 am Markt. Banken, große Handels-häuser, Telekommunikationsunternehmen und Reiseanbieter sind die Zielgruppe. One-to-One-Commerce ist eine High-End-Lösung für gro-

ße E-Commerce-Sites. Seine Stärke liegt in der Personalisierung des Angebots - sprich eine Datenbank merkt sich, was der Kunde gekauft hat, welche Vorlieben er hat und bietet ihm dann entsprechende Produkte an. Der Vertrieb in Deutschland erfolgt zu 50 Prozent über Beratungshäuser wie CSC Ploenzke, Debis, SBS oder Andersen Consulting, und zur anderen Hälfte direkt. 20 Prozent des Umsatzes von 50,9 Millionen Dollar kamen im vergangenen Jahr aus Europa. Gegenüber PC-Europa, dem englischen Branchen-Newsletter, gestand Francois Stieger, Generalmanager für Europa, ein, daß das Geschäft in Deutschland nicht so prächtig läuft. "Wir haben große Probleme in Deutschland." Den Mitbewerbern Netscape und Open Market ginge es allerdings ganz genauso.

Open Market führt laut der Umfrage des Marktforschungsinstituts Dataquest vom April dieses Jahres den weltweiten Markt für E-Commerce-Lösungen an. Drei Produkte bietet das amerikanische Unternehmen mit deutschem Sitz in Bad Homburg an: "Transact", "Shopsite" und "Futuretense". Laut Angaben des Herstellers sind in Transact alle Services für Online-Transaktionen enthalten wie die Authentifizierung des Kunden, Bestellung, Zahlungsabwicklung, Steuer- und Lieferkostenberechnung, Verfolgung der Bestellung und Kundendienst online. An Transact können beliebige Front-End- und Back-Office-Systeme für einen E-Commerce-Auftritt angeschlossen werden. Es läuft auf Unix-Servern und bietet Schnittstellen zur Datenbank von Oracle oder Sybase. Shopsite ist ein reines Katalogsystem, Futuretense ein Tool zur Verwaltung von Inhalten. Der Vertrieb erfolgt zu 80 Prozent direkt, zu 20 Prozent über große Consulting-Unternehmen. Mit mittelständischen Systemhäusern arbeitet Open Market nicht zusammen.

Der laut Dataquest viertgrößte Anbieter Interworld hat erst im Juni 1999 in Düsseldorf eine deutsche Niederlassung eröffnet.

Noch keine Marktzahlen für Deutschland

Marktzahlen zum deutschen Markt wurden in Sachen E-Commerce-Lösungen bisher noch nicht erhoben. Unbestritten ist wohl, daß Intershop hierzulande Marktführer ist. Inzwischen gibt es eine Reihe von Firmen, die den Jenaern das Feld für E-Commerce-Lösungen nicht mehr allein überlassen wollen. Die Openshop AG, die Internolix AG und die Beans AG möchten sich auf dem zweiten Platz behaupten.

Der Geschäftsansatz von Openshop lautet: Ein E-Commerce-Produkt muß viele unterschiedliche Datenbanken bedienen können, offen sein und die einfache Integration von zusätzlichen Modulen wie Zahlungssysteme oder Auktionen zulassen. Laut Openshop bieten die Produkte "Openshop Business" und "Openshop Mall" all diese Funktionen. Sie zeichnen sich laut Anbieter aus durch flexible Schnittstellen, einfache Integration in bereits vorhandene Systeme, flexibles Design, hohe Skalierbarkeit, kurze Ladezeiten sowie Plattformunabhängigkeit. Die Openshop-Produkte eignen sich nur für die Unternehmen, die bereits ein Warenwirtschaftssystem und Datenbanken haben. Openshop Business baut darauf auf und zieht alle Informationen für den Webshop daraus zusammen.

Zur Openshop Holding AG, Ulm, gehören die deutsche Openshop Internet Software GmbH, München, sowie die amerikanische Openshop Incorporated in New York City. Ursprünglich war Openshop ein regionaler Internet Service Provider, der für einen Kunden ein E-Commerce-Projekt durchführte. Weil die Lösung so erfolgreich war, entschied sich Openshop, das Providergeschäft aufzugeben und fortan als Softwareanbieter sein Glück im wachsenden E-Commerce-Lösungsmarkt zu versuchen. Seit Ende 1998 ist die Venture Capital Gesellschaft

3i Group plc am Unternehmen beteiligt, und Openshop firmierte zur AG um. Die Mitarbeiterzahl wächst ständig, derzeit beschäftigt der Softwareanbieter 60 Leute, davon 15 in den USA und zehn in Rumänien.

Die Vertriebsstrategie von Openshop bezieht ausdrücklich Partnerunternehmen mit ein. 140 Partner vertreiben derzeit die Software in Deutschland. Dazu zählen Independent Software Vendors, Webagenturen, Systemintegratoren, TK-Unternehmen. Openshop bietet ein Partnerprogramm an: Gold-, Platin-1- und Platin-2-Partner erhalten eine zweitägige Technikschulung sowie eine eintägige Vertriebs- und Marketingschulung. Zudem gibt es je nach Einstufung Produktlizenzen, technischen Support und die Möglichkeit, an Marketingaktionen teilzunehmen.

Internolix AG, früher Shopmaker, ist seit einem Jahr als selbständiger Lösungsanbieter auf dem deutschen Markt. Richtig los ging das Geschäft allerdings erst nach der Cebit, als die Venture-Capital-Firma 3i Kapital zugeschossen hatte.

Die Strategie von Internolix lautet: "Mit Standardsoftware den Markt für E-Commerce gewinnen." "Unsere Mitbewerber bieten Plattformen an, die nach der Implementierung noch stark individuell angepaßt werden müssen. Das kostet Geld", beschreibt Luigi Carlo de Micco seine Einschätzung der Konkurrenz. Dazu zählt er an erster Stelle Intershop, Openshop und Beans. "Die amerikanischen Größen Open Market und Broadvision spüren wir gar nicht", erklärt de Micco. Die Vertriebsstrategie von Internolix ist klar: Mit Partnern soll die Nachfrage nach E-Commerce-Lösungen befriedigt werden. 80 Wiederverkäufer hat das Limburger Unternehmen bisher, 200 sollen es werden. Und dann will man Intershop Dampf machen. De Micco ist zuversichtlich, daß sich das indirekte Vertriebskonzept auszahlt, was Umsatz und installierte Lizenzen angeht. "Eines unserer Hauptprobleme ist derzeit, qualifizierte Partner zu finden", jammert de Micco. Es mangele an konsequentem Engagement im E-Commerce-Bereich. So sei es beispielsweise unerläßlich, einen oder zwei Mitarbeiter nur für den Vertrieb von solchen Lösungen abzustellen und sich Techniker mit Internet-Know-how einzukaufen. An Leads und Nachfrage seitens der Kunden würde es nicht mangeln, und gut verdienen könnten die Partner auch. 10.000 Mark kostet die Software, 20.000 Mark könnten die Partner im Schnitt durch Eigenleistung dazuverdienen, beziffert der Vorstandvorsitzende die Verdienstmöglichkeiten. Die erfolgreichsten Internolix-Partner seien derzeit die Multimedia-Agenturen. Pluspunkt der Systemhäuser: Sie haben die breitere Kundenbasis, vor allem, wenn sie bisher Warenwirtschaftslösungen angeboten haben. Die Partner unterstützt Internolix mit Marketinggeldern, um zum Beispiel eine eigene E-Commerce-Hausmesse durchzuführen.

Nicht kaufen, Sondern mieten

Im Gegensatz zu Intershop, Openshop und Internolix bietet Beans seine "Cappuccino"-Produkte nicht nur zum Kauf, sondern auch zur Miete an. Die Philosophie dahinter beschreibt Martin Fischer, Geschäftsführer der Beans Industry Software GmbH in Weilheim, so: "Für den Einstieg in E-Commerce muß die Shopsoftware einfach und preiswert sein. Doch wenn die Kundschaft wächst, muß auch die Software mitwachsen." Das Produktangebot von Beans ist dementsprechend gestaffelt. Beans vertreibt zu 80 Prozent über Key Accounts und nur zu 20 Prozent über Value Added Reseller und Softwarehäuser. Als "Hosting Edition" verkauft Beans Shoplizenzen an Internet-Service-Provider und TK-Unternehmen, die diese dann an Firmen vermieten, die in E-Commerce einsteigen wollen. Cappuccino h1 ist kostenlos, darin kann der Betreiber allerdings nur 20 Artikel aufnehmen. Die Shops sind "mall-fähig", können also in virtuelle Einkaufszentren eingebunden werden. Die "Merchant Edition" kann entweder als Paket gekauft oder ebenfalls gemietet werden. Zusätzlich dazu müssen einzelne Module wie Schnittstellen zu Sage KHK oder zu SAP/R3 sowie Zahlungssysteme dazu erworben werden. Beans hat Ende August die AG-Form angenommen. Die Weilheimer bereiten gerade den Börsengang vor.

Auch die Grossen fehlen nicht

Die großen Namen der IT-Branche fehlen auch im E-Commerce-Bereich nicht. Oracle wickelt die großen Projekte allerdings über die hauseigene Serviceabteilung direkt ab, nur im Mittelstandsbereich werden Partnerunternehmen hinzugezogen.

Nur über Partner, in diesem Fall über Solution Provider, vertreibt Microsoft sein Produkt "Site Server Commerce Edition 3.0". Die Partner liefern mit dem Produkt erstellte Lösungen, so daß der Consulting- und Entwicklungsanteil und damit die Marge recht hoch sind. "Die Partnerstrategie paßt uns gut. Im Gegensatz zu vielen anderen E-Commerce-Lösungsanbietern kommt uns Microsoft nicht ins Gehege und hält sich an sein indirektes Vertriebskonzept", begründet Udo Keim, Geschäftsführer von Control Data, Frankfurt, warum er sich für Microsoft entschieden hat. Der Schwerpunkt der Site-Server-Anwendungen liegt im Business-to-Business-Bereich. Ein gewichtiges Argument für den Site-Server: Die Integration mit anderen Microsoft-Produkten, die meist bereits bei den Kunden installiert sind, klappt gut. Neues Datenbank-Know-how muß nicht aufgebaut werden, wenn zum Beispiel bereits mit einer SQL-Datenbank gearbeitet wird. Einige Einschränkungen gibt es jedoch: Das Betriebssystem muß Windows NT sein, der Webserver muß der Internet Information Server von Microsoft sein. Netscape positioniert sich in der "Sun-Netscape-Allianz" mit der "I-Planet"-Produktreihe gerade neu. Ein deutscher Ansprechpartner fürs E-Commerce-Geschäft konnte vom Unternehmen nicht vermittelt werden. IBM vertreibt sein "Net.Commerce"-Produkt ebenfalls über Partner.

Fazit

Der Verkauf von Shoplösungen ist nur ein Teilbereich des E-Commerce-Lösungsgeschäfts. Bald werden Unternehmen ihre externen Geschäftsprozesse so automatisieren wie sie das mit den internen bereits gemacht haben. Dazu reichen reine Kataloglösungen nicht mehr aus, nötig sind Transaktionslösungen, die automatisch die externen mit den internen Prozessen verbinden. Die deutschen Firmen Openshop, Internolix und Beans positionieren sich zwar gegenüber Intershop, der Marktführer hat sich aber möglicherweise mit der letzten Produktneuheit in eine andere Liga katapultiert. (is)

Stephan Schambach, Gründer der Intershop Communications GmbH:

"Es geht gar nicht darum, nur eine Shoplösung zu haben, sondern das Internet als Supply Chain zu nutzen."

Luigi Carlo de Micco, Vorstandsvorsitzender der Internolix AG:

"Die amerikanischen Größen Open Market und Broadvision spüren wir gar nicht."

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