SCM steckt noch in den Kinderschuhen

15.11.2001
Die Metagroup konstatiert im Lösungsmarkt für das Supply-ChainManagement bislang geringe Umsätze - doch die Zukunft eröffnet VARs Chancen für gute Geschäfte.

Nur jedes Vierte der von der Metagroup befragten 916 Unternehmen setzt bereits eine SCM-Software ein oder plant deren Einsatz noch bis Ende 2001. Die große Mehrheit der Unternehmen sieht dagegen zurzeit keinen Bedarf für SCM-Lösungen. Vor allem kleinere und mittelständische Firmen stehen SCM-Maßnahmen grundsätzlich ablehnender gegenüber als Großkonzerne. Diese Quint-Essenz geht aus einer Befragung hervor, die Metagroup von Dezember 2000 bis Februar 2001 durchführte.

Kein verlockender Markt für VARs - lässt sich vermuten. Doch Lösungen für das Supply-Chain-Management erschließen in Deutschland erst langsam ihr Potenzial. Im vergangenen Jahr bezogen sich die geschätzten Umsätze auf 420 Millionen Euro, davon entfielen auf Hardware 19 Prozent, auf Software 24 Prozent und auf den Servicebereich 57 Prozent, ermittelte die Metagroup. Für die Jahre 2000 bis 2004 rechen die Marktforscher aber mit einer jährlichen Wachstumsrate von 48 Prozent. Der Gesamtmarkt umfasst dann mehr als zwei Milliarden Euro.

Schlechte Noten für Systemintegratoren

Zu diesen Umsätzen tragen alle Lösungen und Dienstleistungen bei, welche die Metagroup unter dem Begriff Supply-Chain-Management zusammenfasst. Hierzu zählen Supply-Chain-Planning (SCP) und Supply-Chain-Execution (SCE). Unter SCP verstehen die Marktforscher Software, Prozesse und Organisation. Mit derartigen Lösungen kann eine komplexe Wertschöpfungskette (also Beschaffung, Fertigung, Distribution) für einen oder mehrere Standorte geplant und optimiert werden. SCE wird definiert als Software, Prozesse und Organisation, die Wertschöpfungsketten mit diversen Abhängigkeiten für einen oder mehrere Standorte sowie Transport- und Versorgungswege steuern und überwachen.

Diese Definitionen erfordern eine hohe Integration von SCM-Lösungen in die bestehende IT-Landschaft wie das Back-Office und starkes Customizing, um die Software an die individuellen Geschäftsprozesse des Unternehmens anzupassen. Dementsprechend hoch sind die Prognosen für den deutschen SCM-Servicemarkt. Für die Jahre 2000 bis 2004 rechnet die Metagroup mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von knapp 50 Prozent. Dadurch steigen die Services-Umsätze von 243 Millionen Euro im Jahr 2000 auf 1,2 Milliarden Euro in 2004.

Systemintegratoren, die sich davon eine Scheibe abschneiden möchten, sollten aber gut gewappnet sein. Denn bislang erfüllen sie die sehr hohen Anforderungen in Bezug auf technische und betriebswirtschaftliche Kompetenz der befragten Anwender nicht zur vollen Zufriedenheit.

Die Bewertungen der Systemintegratoren schwanken zwischen einer guten Zwei bei KPMG, Thyssen-Krupp (inzwischen: Triaton) und Materna und fast der Note Drei bei Mummert + Partner, Unisys, Dete System (jetzt T-Systems), Plenum und Deloitte Consulting. Besonders große Diskrepanzen zwischen Wichtigkeit der Kriterien und Zufriedenheit mit der Arbeit des Systemintegrators gibt es bei den Punkten gutes PreisLeistungs-Verhältnis, SCM-spezifisches Know-how, Internationalität und betriebswirtschaftliche Kompetenz (siehe Grafik "Zufriedenheit mit den Systemintegratoren").

Expertise in einem Segment reicht nicht aus

Endkunden wählen und beurteilen Systemintegratoren zunehmend nach bereichsübergreifenden Kriterien und nicht mehr nach Expertise in nur einem einzigen Segment. Dieses gewandelte Anspruchsdenken der Anwender bedeutet für IT-Dienstleister, dass sie künftig einer Vielzahl von Kriterien entsprechen müssen. Dazu zählen vor allem:

- Packaged Application Selection: Der Berater kann durchaus eine Rolle bei der Zusammenstellung der Applikationen spielen. Er muss allerdings sicherstellen, dass die Auswahl unabhängig geschieht und sich an den Bedürfnissen der Kunden orientiert und nicht an den strategischen Partnerschaften oder gar Beteiligungen des Systemintegrators.

- Vertikale Expertise: Der Systemintegrator muss Kenntnisse in den ausgewählten Softwareapplikationen haben. Außerdem verlangen die Anwender zunehmend vertikales Know-how, weil in vielen Fällen branchenspezifische Anforderungen erfüllt werden müssen.

- Geografische Präsenz: Zunehmend erwarten Endkunden auch die Fähigkeit, Lösungen länderübergreifend einzuführen. Aus diesem Grund sollte der Support der Systemintegratoren lokal erfolgen.

- Implementations-Methodologien: Der Systemintegrator muss sich bei der Implementierung der Software an den Vorgaben der Hersteller orientieren, aber auch die Wünsche des Kunden mit in den Prozess einbeziehen.

Außerdem hängt die Wahl eines Systemintegrators künftig nicht nur von dessen Fähigkeiten bei der Implementierung und der geografischen Nähe ab, sondern zunehmend von der Zusammensetzung des Teams, das er beim Kunden einsetzt.

Erfolgreiche Systemintegratoren bieten im Jahr 2004 den Komplettservice an. Er beginnt beim Management-Consulting und führt bis zu Post-Implementation, Application-Management und Outsourcing.

SCM-Hersteller müssen ihre Hausaufgaben machen

Auch die Softwarehersteller erfüllen noch nicht alle Kundenwünsche. An erster Stelle auf ihrer Liste in Bezug auf SCM-Software stehen die Kriterien Verfügbarkeit und Funktionalität. Auf Rang zwei folgt das Preis-Leistungs-Verhältnis und mit nur knappem Abstand auf dem dritten Platz die Integrationsfähigkeit und Interoperabilität der Software (siehe Grafik "Auswahlkriterien für SCM-Software").

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klaffen jedoch einige Lücken. So weisen Verfügbarkeit, Funktionalität, Leistungsfähigkeit, ge-ringer Einführungsaufwand, Integrationsfähigkeit/Interoperabilität und das Preis-Leistungs-Verhältnis zum Teil deutliche Differenzen zwischen Wichtigkeit und Zufriedenheit mit der Software auf (siehe Grafik "Wichtigkeit und Zufriedenheit mit SCM-Software"). Die Anbieter haben also noch einiges zu tun, bis die Erwartungen der Anwender erfüllt sind.

Bei den hohen Kosten für eine SCM-Einführung sind die Ansprüche der Endanwender allerdings gerechtfertigt. Durchschnittlich fie- len pro Projekt etwas mehr als 900.000 Mark an, fast jedes dritte Unternehmen gab sogar rund 200.000 Mark aus, jedes sechste mehr als zwei Millionen Mark. Nur bei zwei Dritteln der Unternehmen hielten die IT-Anbieter die geplanten Vorgaben ein. Jeder fünfte Kunde musste nachbessern, weil der Kostenrahmen um mehr als zehn Prozent überschritten wurde. Ursache für die Abweichungen war in 54 Prozent die Software, ein Drittel der Anbieter musste bei den Services nachlegen, und bei jedem Achten wurde die Hardware teurer als veranschlagt.

Außerdem legen die Anwender großen Wert auf die finanzielle Solidität des Anbieters. "Die Angst, auf das falsche Pferd zu setzen und in zwei oder drei Jahren ohne Support dazustehen, weil es den Anbieter nicht mehr gibt, ist in den Unternehmen groß", bekräftigt Frank Naujoks, Consultant Enterprise Applications bei der Metagroup. Unternehmen wie SAP, aber auch die Spezialisten wie I2 und Manugistics hätten deshalb nach Meinung von Naujoks einen Vorteil gegenüber Unternehmen, die nur regional operieren.

www.metagroup.de

ComputerPartner-Meinung:

Vor dem Hintergrund, dass in Deutschland bis heute nur jedes vierte Unternehmen über ein SCM-System verfügt beziehungsweise noch in diesem Jahr einführen will, haben die Systemhäuser einen riesigen, nur unzureichend erschlossenen Markt in Deutschland vor sich. Erfolgreich werden allerdings nur diejenigen sein, die ih-re technische und vor allem ihre betriebswirtschaftliche Kompetenz vertiefen, um die Geschäftsprozesse ihrer Kunden zu verstehen. (hei)

Zur Startseite