Neue Strategien und Reorganisationen

So gehen Sie mit Widerstand im Unternehmen um



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
"Gut" und "schlecht" – mit solchen moralischen Kategorien wird Widerstand oft bewertet. Das erschwert neben einer Konfliktlösung auch das Umsetzen der Veränderungen, sagt Georg Kraus.

Mit dem Widerstand ist es so eine Sache. Abhängig von der Perspektive ist er entweder "gut" oder "schlecht". So war zum Beispiel "la résistance", also der französische Widerstand gegen die deutschen Besatzer während des Zweiten Weltkriegs, aus Sicht der Nazis ein Übel, das es zu bekämpfen galt. Aus Sicht der allermeisten Franzosen waren die Widerstandskämpfer jedoch Helden. Und die Demonstranten auf dem Taksim Platz in Istanbul? Waren das freiheitliebende Menschen oder Chaoten, die es zu vertreiben und inhaftieren galt?

Widerstand im Unternehmen regt sich meist dann, wenn Änderungen ins Haus stehen.
Widerstand im Unternehmen regt sich meist dann, wenn Änderungen ins Haus stehen.
Foto: VRD - Fotolia.com

Die Liste der Beispiele ließe sich beliebig verlängern. Der Widerstand hat stets zwei Gesichter. Je nachdem aus welcher Perspektive man ihn betrachtet, ist er entweder "gut" oder "schlecht". Nicht nur bei gesellschaftlichen Changeprojekten und -prozessen, sondern auch bei entsprechenden Projekten und Prozessen in Unternehmen.

Mit Widerstand muss gearbeitet werden, sonst scheitert das Vorhaben

Change-Manager und -Berater begegnen dem Phänomen Widerstand bei ihrer Arbeit tagtäglich. Da beschließt das Management eines Unternehmens zum Beispiel eine neue Strategie oder Reorganisation und sofort stellen sich – mehr oder minder offen – die entsprechenden Gegenreaktionen vonseiten der Mitarbeiter ein. Und schnell ist klar: Mit diesem Widerstand muss gearbeitet werden, sonst scheitert das Vorhaben. Also werden Pläne geschmiedet, wie Verständnis für das Vorhaben des Managements erzeugt und die Belegschaft als Mitstreiter gewonnen werden kann.

Doch leider wird bei der Planung oft vergessen, genau zu klären, woran sich der Widerstand genau entzündet. Dabei wäre dies nötig. Denn wer nicht versteht, weshalb Menschen opponieren, kann diese zwar ruhig stellen, aber nicht gewinnen. Bei der nächstbesten Gelegenheit flammt ihr Widerstand wieder auf.

"Gut" versus "schlecht"

Widerstand hat stets einen Auslöser – nämlich die fehlende oder (angedachte, geplante oder) bereits vollzogene Veränderung. Widerstand kann sich also regen, weil sich nichts verändert, und weil sich etwas verändert. Das heißt: Der Widerstand kann sowohl veränderungsauslösende, als auch bewahrende Kräfte haben. In jedem Fall ist er jedoch ein Auflehnen gegen die bestehende Nomenklatura.

Und in beiden Fällen ist das gedankliche Grundmuster des Widerstands das Gleiche: Wir sind die "Guten", die das Bestehende bewahren beziehungsweise verändern. Und die anderen? Sie sind die "Schlechten" oder "Bösen" – die zum Beispiel nur an die Aktionärsinteressen oder ihre eigenen Interessen denken. Oder die Markterfordernisse nicht sehen. Oder nicht erkennen, was technisch möglich oder nötig ist.

Dieser Mind-Set ist das Fundament für die aus dem Widerstand geborenen Konflikte. Denn wer ideologisch felsenfest davon überzeugt ist, der "Gute" zu sein, dem fällt es auch leicht, im Namen des "Guten" entweder selbst unmoralische Dinge zu tun oder der anderen Seite ein entsprechendes Verhalten zu unterstellen – ganz gleich auf welcher Seite der Konfliktparteien er steht.

Deshalb werden in der Auseinandersetzung um Veränderungsprojekte auch so häufig solch moralisierende Begriffe wie ungerecht, unfair, unredlich, unehrlos, unzulässig, unanständig, unsachlich, parteiisch und unangemessen verwendet. Sie sind unmissverständliche Anzeichen dafür, dass in einer Organisation ein (Interessen-)Konflikt tobt.

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