Systemhäuser ziehen Halbjahresbilanz: Mai war der reinste Katastrophenmonat

10.07.2003
Die ersten sechs Monate dieses Jahres waren alles andere als ein Zuckerschlecken für den Channel. Nach Angaben des britischen Marktforschungsinstituts Context brach der PC-Verkauf vor allem im Mai in den drei großen westeuropäischen Ländern ein. Für ComputerPartner zogen nun deutsche Systemhäuser ihre Halbjahresbilanz.

Hat das Wetter Einfluss auf die Wirtschaft? Dieser Frage muss man sich zurzeit vor allem im IT-Umfeld stellen. So schwitzte nicht nur die gesamte Republik bereits im Frühjahr unter hochsommerlichen Rekordtemperaturen; auch die typische Sommerflaute beim IT-Absatz, mit der normalerweise im August zu rechnen ist, fand dieses Jahr schon im Mai statt.

Wie das britische Marktforschungsinstitut Context in einer Channel-Befragung in den drei größten westeuropäischen Ländern Deutschland, Frankreich und Großbritannien herausfand, brach der gesamte IT-Handel im Mai um 13,8 Prozent gegenüber dem Vormonat und 7,6 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein. Besonders hart traf es die Systemhäuser, die über alle Landesgrenzen hinweg im Vergleich zum Vormonat ein Minus von mehr als 20 Prozent im Geschäft mit Desktops, Mobiles und Server verkraften mussten.

Die Context-Studie kann Dieter Krauss, Vorstand der Ibex AG, nur bestätigen. "Systemhäuser ohne klaren Fokus stecken in der Krise", erklärt er schonungslos. Denn größere Konkurrenten sowie Hersteller mit ihrem Direktgeschäft würden ihnen das Wasser abgraben. Das gelte insbesondere im hart umkämpften PC-Bereich. Aber auch der Markt für Hightech-Infrastruktur, in dem das Augsburger Systemhaus zuhause ist, läuft laut Krauss "derzeit nicht wirklich rund". Die Unternehmen würden jede Anschaffung genau auf den ROI überprüfen. Ibex habe deshalb sein Lösungsportfolio diesen Entwicklungen angepasst und biete beispielsweise Konsolidierungskonzepte für Storage, Rechenleistung und Security an. Das seien Wachstumsfelder und mache die Ibex weniger abhängig vom niedrigmargigen PC-Geschäft. Deshalb geht Krauss davon aus, dass "wir unsere Ziele auch 2003 erreichen werden".

Doch nicht nur das Portfolio ist wichtig; oftmals entscheidet auch die richtige oder glückliche Kundenauswahl über den Erfolg eines Systemhauses. So kann sich beispielsweise die Schuster & Walther IT-Business AG ganz gut halten, da sie die Datev mit über 400 Kanzleien als langjährigen Kunden hat. Die Großkunden hingegen, aber auch der Mittestand, seien momentan schon schwerer zu beurteilen. Wie Vorstand Günther Huber berichtet, ist hier die Hardware eher eine Zugabe. Erfolgsentscheidend sei vielmehr, wer den ERP- oder Service-Auftrag bekomme. Das Nürnberger Systemhaus legt deshalb auch vermehrt den Fokus auf Dienst-leistung, die bereits 40 Prozent des Geschäftes ausmacht.

Ähnliches gilt für die Sandata GmbH in Nürnberg. Von den 150 Mitarbeitern sind allein 95 im reinen Dienstleistungssegment tätig. Dennoch ist auch das Hardwaregeschäft ein wichtiges Standbein. Im Fokus stehen dabei Firmen mit 50 bis 1.000 Clients. Wie Geschäftsführer Heinrich Straub bestätigt, machte der Mai echte Probleme. Er war so schwach wie seit Jahren nicht mehr. Und jeder Auftrag werde nur durch vermehrten Einsatz gewonnen. "Früher reichte ein Anruf und man hatte den Auftrag", so Straub. "Heute bedeuten selbst kleinere Projekte in Größenordnungen von 25.000 bis 50.000 Euro einen unvergleichbar hohen Aufwand."

Doch Straub gibt sich optimis-tisch, da der Juni schon wieder angezogen habe. "Meine Hoffnung setze ich auf das zweite Halbjahr", erklärt er. Viele Firmen hätten seit fünf Jahren nicht mehr richtig in Hardware investiert. Die müssten jetzt was tun, und der Start von Windows 2003 forciere noch diesen Investitionsdruck, da zahlreiche Kunden den Windows-2000-Schritt ausgelassen hätten und jetzt nicht auskämen.

Auf einen längeren Kampf stellt sich hingegen Andreas Pohlmann, Geschäftsführer der Sotec GmbH in Laudenbach, ein. "Ja, der Mai war sehr schlecht", bestätigt er. "Aber Januar und Februar waren noch schlechter." Deshalb liege sein Systemhaus immer noch im roten Bereich und werde wohl auch das gesamte Jahr nur mit einer roten Null beenden.

Die bittere Realität hatte selbst seine vorsichtigste Planung zum Jahresbeginn überholt, denn die Investitionsbereitschaft im ersten Halbjahr ging gegenüber dem sowieso schlechten Vorjahr nochmals um 25 bis 30 Prozent zurück. Das hat Spuren im Systemhaus hinterlassen. Von den ehe- mals 39 Mitarbeitern sind nur noch 25 übrig - und es wurde kräftig umstrukturiert. Das Back Office wurde verstärkt, um dem Vertrieb mehr Luft zu verschaffen, die Kunden noch besser und intensiver vom Nutzen der Inves-titionen zu überzeugen. "Seit drei Jahren geht es mit der Branche bergab, und selbst die fettesten Polster sind nun aufgebraucht", so Pohlmann und setzt kämpferisch hinzu: "Jetzt zeigt sich, welches Systemhaus einen guten Schlechtwetter-Kapitän hat, denn nur diese werden überleben, und wir werden dabei sein."

Von dieser immer arbeitsintensiver werdenden Kundenberatung kann auch Werner Hoffritz, Vorstand der Compusafe Data Sys-tems AG in München, ein (Klage-) Lied singen. Vor allem viele Mittelstandskunden bereiten nicht nur viel Mühe sondern auch vermehrt Ärger. "Für die Akquisition eines Mittelständlers benötigen wir etwa halb so viel Zeit wie bei einem Großkunden. Unterm Strich bleibt für uns aber nur ein Zehntel oder Zwanzigstel des Gewinns," rechnet Hoffritz vor. Selbstverständlich habe seine Firma auch einige tolle Mittelstandskunden, aber sein Interesse am Ausbau dieses Kundensegments sei sehr gering. "Wir wissen, dass Großkunden in der Verhandlung sehr hart sind, aber Mittelständler sind hart und unfair." Letztere würden sich erst ausgiebig beraten lassen - am liebsten natürlich kostenlos -, um dann mit dem Media-Markt-Flyer in der Hand den Preis zu drücken. So etwas gebe es nicht bei Großkunden oder bei der öffentlichen Hand.

Auf der anderen Seite haben diese größeren Kunden ihre IT-Investitionen bisher sehr lange hinausgezögert, sodass der kleine Systemhausanteil (30 von 150 Mitarbeitern) von Compusafe im roten Bereich arbeitet. "Der Hardwarehandel bläht eigentlich nur den Umsatz auf, ist ohne Nährwert", stellt Hoffritz klar. Dennoch werde er nicht auf diesen Geschäftsbereich verzichten. Denn er wolle zum einen den Kunden die gesamte Palette weiterhin anbieten, und andrerseits "macht sich ein hoher Umsatz auch gut bei Verhandlungen mit Banken und potenziellen Neukunden".

Dank des hohen Serviceanteils von über 70 Prozent (hauptsächlich durch die IT-Serviceabteilung) geht es Compusafe jedoch momentan ganz gut. Und für das zweite Halbjahr sieht Hoffritz sogar einige kleine Lichtschimmer. Denn dann müssen lang aufgeschobene IT-Investitionen getätigt werden. Sein Zwischenfazit: "Wir haben auf niedrigem Niveau geplant und werden wohl auch unsere Ziele dieses Jahr erreichen."

www.context1.com

ComputerPartner-Meinung

Das erste Halbjahr 2003 war für viele Systemhäuser genauso trostlos und schrecklich wie befürchtet. Aber an Aufgeben will keiner denken. Vielmehr hat die anhaltende wirtschaftliche Schlechtwetterlage den Überlebenswillen der ITler noch mehr gereizt. Sie warten nicht, bis sich die Wirtschaft von alleine erholt. Stattdessen investieren sie in Kundenbindung und Feintuning ihrer Angebotspalette. Das nennt man wahren Kampfgeist. (go)

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