Vernichtet der CE-Amtsschimmel den Computerhandel?

21.03.1997
MÜNCHEN: Seit Januar 1996 muß jeder "Inverkehrbringer" eines kennzeichnungspflichtigen Produktes das CE-Zeichen anbringen und mit seinem Namen und notfalls seinem Geldbeutel für die Richtigkeit geradestehen. Das Euro-Regelwerk besagt: Wer als letzter auch nur eine Schraube dreht, gilt nach dem Gesetz als Hersteller und haftet bei eventuellen Beanstandungen. Ist das CE-Zeichen notwendiges Qualitätsmerkmal oder Chance der Bürokratie, den Fachhandel abzuzocken?Seit nunmehr einem Jahr gelten auch in Deutschland die Brüsseler Reglements zur CE-Kennzeichnung. Aber: Anfangs und theoretisch gut gemeint, wirkte sich die Gesetzgebung in der Praxis bald kontraproduktiv aus und stellte in der Branche die Signale auf Sturm. Gerade kleinere Händler und Assemblierer fürchteten um ihre Existenz, da die erzielbaren Margen teure EMV-Messungen kaum decken. Sie fühlten sich in ihrer Gewerbefreiheit beschränkt und postulierten den Verdacht, daß die CE-Kennzeichnungspflicht eine massive "Marktbereinigung zugunsten der Großen" provoziert.

MÜNCHEN: Seit Januar 1996 muß jeder "Inverkehrbringer" eines kennzeichnungspflichtigen Produktes das CE-Zeichen anbringen und mit seinem Namen und notfalls seinem Geldbeutel für die Richtigkeit geradestehen. Das Euro-Regelwerk besagt: Wer als letzter auch nur eine Schraube dreht, gilt nach dem Gesetz als Hersteller und haftet bei eventuellen Beanstandungen. Ist das CE-Zeichen notwendiges Qualitätsmerkmal oder Chance der Bürokratie, den Fachhandel abzuzocken?Seit nunmehr einem Jahr gelten auch in Deutschland die Brüsseler Reglements zur CE-Kennzeichnung. Aber: Anfangs und theoretisch gut gemeint, wirkte sich die Gesetzgebung in der Praxis bald kontraproduktiv aus und stellte in der Branche die Signale auf Sturm. Gerade kleinere Händler und Assemblierer fürchteten um ihre Existenz, da die erzielbaren Margen teure EMV-Messungen kaum decken. Sie fühlten sich in ihrer Gewerbefreiheit beschränkt und postulierten den Verdacht, daß die CE-Kennzeichnungspflicht eine massive "Marktbereinigung zugunsten der Großen" provoziert.

Geht man unvoreingenommen an die Problematik heran, kristallisiert sich sehr schnell eine relativ enge Polarisierung heraus. Die verschiedenen Lager argumentieren vehement pro oder contra CE - alle schlüssig und alle konträr. In dieser Konstellation stellt sich die Frage: Wem nützt CE, was ist nun wirklich dran an diesem "Papperl"?

Den Kunden ist CE gleichgültig

Pikanterweise ist der Kunde, den es laut Brüssel hier zu schützen gilt, am Prüfsiegel kaum interessiert. Nach Aussagen vieler befragten Händler zählt in erster Linie der Preis, im Zweifelsfall entscheidet die Summe unterm Strich und nicht das Etikett. Dazu der ausgebildete Elektroingenieur Jürgen Claus in Frankfurt, firmierend als EDV-Berater, der gelegentlich aber auch Hardware verkauft: "Anfangs, als noch alle Computer-Zeitschriften das CE-Zeichen lobten, kamen sehr wohl die Anfragen nach den Emissionen. Wie ich aber meinen Kunden versuchte klarzumachen, daß ich die Zertifizierung eines für sie individuell konzipierten Systems auf den Preis umlegen muß, war das Thema sofort vom Tisch. Jetzt zertifiziere ich, soweit ich das finanzieren kann, übernehme aber auf jeden Fall die volle Verantwortung für meine Assemblierungen."

Friedrich Boll, Inhaber der Boll Computer in Ahnatal, nahm von Anfang an die CE-Kennzeichnungspflicht sehr ernst, wollte aber Rechtsunsicherheiten ausräumen. Er bat seine zuständige Industrie- und Handelskammer um konkrete Aus- und Zusagen darüber, innerhalb welcher Grenzen ein Händler kleinere Veränderungen an einem Komplettsystem vornehmen kann, ohne das EMV-Gesetz zu verletzen. Vom Mittelstandsbeauftragten im Bundeswirtschaftsministerium erfuhr er Ende 1996 über Umwege, daß das Ministerium darauf drängt, das EMVG dahingehend zu novellieren, daß marginale Veränderungen oder Kleinserien von einer Störfestigkeitsprüfung ausgenommen sind. Der Einbau einer Speichererweiterung etwa stellt eine marginale Änderung dar und wäre demnach von einer Prüfung ausgenommen, vorausgesetzt, das EMVG würde in diesem Sinne novelliert. Doch bis heute hat das zuständige Postministerium noch nichts in dieser Richtung veranlaßt. Boll muß nun weiter entweder Komplettsysteme ohne Veränderung verkaufen, oder bei kleineren Umbauten auf seine langjährige Erfahrung vertrauen.

Gesamtsystem zertifiziert oder nicht - dieser Frage geht Ottfried Freihofer in München mit einem relativ neuen Vertriebskonzept aus dem Weg. Neben dem klassischen Abverkauf von CE-konformen Geräten, für die seine Lieferanten garantieren, richtete Freihofer in seinem Laden eine Werkstätte ein. In diesem Nebenraum, mit Werkbänken, Werkzeugen und Fachliteratur ausgestattet, rüsten Kunden ihre PCs eigenhändig auf und um. Ein eigens angestellter Fachmann steht ihnen auf Anfrage mit Rat und Tat zur Seite, der Händler liefert die benötigten Komponenten - übrigens alle mit Prüfsiegel.

"Zumindest den Consumer-Markt kann ich so abdecken, ohne mit der CE-Regelung in Konflikt zu kommen. Der Kunde schraubt quasi auf eigenes Risiko, erhält dazu aber jede fachliche Unterstützung", erläutert Freihofer sein Konzept. Im übrigen sieht er in der gültigen CE-Regelung noch ein zusätzliches Risikopotential. "Verkaufe ich ein konformes System und der Kunde verändert die Anlage selbst, hafte ich im Schadensfall so lange, bis ich beweise, daß der Kunde am Verlust der Zertifizierung schuld ist."

Frank P. Dietrich, Geschäftsführer des Systemhauses FD Computer in München, interpretiert die Diskussion um die CE-Zertifizierung vor allem aus seiner Marktsituation heraus. "Es ist heutzutage ohnehin schon schwer genug, als Händler ohne einen Konzern im Rücken zu überleben. Würde ich jede individuell assemblierte Anlage zertifizieren und die Gebühren auf den Endpreis umlegen, wäre ich nicht mehr konkurrenzfähig." Zielsicher legt "FD", der sich selbst als "kleinerer Händler, aber mit hoher Fachhandelskompetenz" definiert, den Finger in eine weitere Wunde, sprich in die Praxisfremdheit des Euro-Gesetzes. "Selbst wenn der Endanwender nur die voreingestellte Hertz-Zahl der Grafikkarte in einem geprüften System umstellt, einen anderen Drucker anschließt oder einen Scanner installiert, ändern sich die CE-relevanten Meßwerte." Seine persönlichen Erfahrungen faßt Dietrich so zusammen: "Nachdem der Gesetzgeber die Händlerbranche mit dem CE-Gesetzeswerk nicht unterstützen konnte oder wollte beziehungsweise sich die geforderte CE-Zertifizierung des assemblierten Gesamtsystems als praxisfremd erwiesen hat, agieren zumindest die kleineren Händler überwiegend nach dem Motto: Wo kein Kläger, da kein Richter. Und sie gehen mit diesem Standpunkt in der Praxis kaum ein Risiko ein."

Gerd Jeromin, Leitender Regierungsdirektor Elektromagnetische Verträglichkeit beim BAPT, sieht das anders. Nach seinen Angaben überprüften die Mitarbeiter des BAPT im letzten Jahr 10.060 Produkte. Dabei wurden bei der Auswahl der Prüflinge vor allem echte Problemfälle herausgepickt. Jeromin spricht hier von "qualifizierten Stichproben". Entsprechend einer internen BAPT-Statistik ergab sich in 6.800 Fällen keine Beanstandung. In etwa 3.300 Fällen fehlte entweder das CE-Zeichen oder die Konformitätserklärung war nicht korrekt ausgefüllt. Nur etwa zwölf Prozent der gesamten Prüfungen wiesen "echte" technische Mängel auf. Immerhin: Da die CE-Kennzeichnungspflicht für eine Vielzahl von Produkten vom Kinderspielzeug über Quarzuhren bis zum Atommeiler gilt, spiele der Bereich Computer auf das große Ganze gesehen zwangsläufig nur eine untergeordnete Rolle.

BAPT - Papiertiger oder ernstzunehmender Kontrolleur?

Die Kosten für eine solche BAPT-Aktion halten sich derzeit noch in Grenzen. Das Bundesamt stellt für eine Messung im Schnitt 1.000 Mark in Rechnung, dazu kommen nochmals 1.000 Mark Strafe bei Verfehlung. Das aber ist - manch einer kalkuliert hier knallhart - immer noch deutlich günstiger als eine freiwillige Messung bei einem der vielen akkreditierten EMV-Prüflabors, die zwischen 3.000 und 5.000 Mark für eine Komplettprüfung veranschlagen.

Deshalb steht zu vermuten, daß wegen dieses Faktums nur sehr wenige Händler ihren Namen in Verbindung mit den offenen Statements gedruckt sehen wollten. Immerhin kontrolliert das BAPT eben doch, wie ein Händler in Hannover weiß. "Der Beamte stand plötzlich im Laden, wies sich aus und nahm mehrere Komplettgeräte und einzelne Komponenten gegen Quittung mit. Als ich ihn darauf hinwies, daß zumindest für das Prüfsiegel der Einzelteile der Hersteller verantwortlich ist, ignorierte er das. Nun liegen die von mir bereits bezahlten Geräte seit über zwei Monaten im Amt. Bis ich sie wiederbekomme, sind sie aus Aktualitätsgründen wahrscheinlich nicht mehr verkäuflich. Irgendwie ist das ganze ein schlechter Witz auf Kosten des Schwächsten", schüttelt dieser Händler verärgert den Kopf.

Den Schrauber beißen die Hunde

Die Schwächsten stellen aber quasi die Basis des EDV-Handels: Kleinbetriebe und Firmen aus dem unteren Bereich des Mittelstandes, die zusammen immer noch erheblich mehr Einheiten verkaufen als die sogenannten Großen. Sie leiden nach Meinung von Elektrofachmann Claus unter einer logischen Beule im Gesetz. "Wenn ich ausschließlich aus Mercedes-Originalteilen nach allen Regeln der Kunst ein Auto zusammenbaue, erhalte ich einen Mercedes. Assembliert der Einzelhändler aber aus jeweils für sich zertifizierten hochwertigen Komponenten den individuell georderten PC, hat dieser rein rechtlich keine Zertifizierung, obwohl de facto kein Unterschied zur identischen Komplettanlage eines Herstellers oder Großdistributors besteht, der sich den Labortest leisten kann oder selbst durchführt."

Dieser Meinung will sich Andreas Waibel, Direktversender in Ettlingen, nicht anschließen. Er sieht eine CE-Erklärung pro assemblierter Einheit als erforderlich an und unterhält zu diesem Zweck ein aufwendiges Prüflabor. Seine Begründung: "Im Gehäuse verhalten sich alle Komponenten anders als auf dem Prüfstand des Herstellers. Allerdings kann man bereits beim Einkauf - schlechte Gehäuse und Motherboards sind die Hauptstörungsquellen - die Basis für CE-Konformität legen. Wenn ich meiner Sorgfaltspflicht nachkommen will, darf ich ein Gerät nur mit einer Konformitätserklärung ausliefern." Selbst immer wieder zu hörende Argumente wie "Der Kunde ist nicht bereit, mehr für einen PC zu zahlen, nur weil er ein CE-Zeichen trägt" oder "Ich kann es mir nicht leisten, jeden PC für mehr als 3.000 Mark überprüfen zu lassen" sind für Waibel nicht stichhaltig. "Dann muß ich eben selbst testen und die Einstandskosten für ein Mini-Labor nach Möglichkeit unternehmerisch erwirtschaften."

Oder aber entsprechend einkaufen. Einige Distributoren wie etwa Macrotron bieten mit Barebone-Geräten ein Sortiment an Komplettsystemen, die im Verbund mit verschiedenen Komponenten getestet und inclusive CE-Erklärung an den Händler weitergereicht werden. Dieser hat nun in gewissem Rahmen die Möglichkeit, für den Kunden zu assemblieren, ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen. Doch für Einbauten, die nicht auf der Checkliste stehen, besteht wiederum keine Gewähr.

Gleich mehrere Schritte weiter geht das Actebis Technology Center, ein eigenständiger Teilbereich im Haus Actebis, mit dem CE-Partner-System. Per Internet informiert sich der Händler über EMV und CE im Zusammenhang mit der Actebis-Hausmarke Targa. Kernstück ist eine CE-Datenbank, die zahlreiche geprüfte Rechnerkonfigurationen aufführt sowie detaillierte Einbauanweisungen mit Grafiken und Beschreibungen bietet. Targa-Fachhandels-Assemblierer können die Konfigurationen aus der Datenbank abrufen und in Eigenverantwortung selbst assemblieren. Sie erhalten dann online von Actebis eine CE-Konformitätserklärung ausgestellt. Durch das Partner-System enstehen keine zusätzlichen Kosten, da der Dienstleistungsbeitrag bereits in jeder Grund-Rechnerkonfiguration der Matrix enthalten ist. Der Distributor sichert auch die fachliche Kompetenz der Partner. Wer in den CE-Pool als registrierter Targa-Fachhandels-Assemblierer aufgenommen werden will, läßt sich von Actebis-Mitarbeitern einmalig schulen (Dauer etwa vier Stunden).

Darüber hinaus bietet das Actebis Technology Center als zugelassenes EMV-Testlabor weitere, allerdings kostenpflichtige Dienstleistungen an - so etwa eine Ergänzungsmessung für 250 Mark. Assembliert ein Fachhändler ein komplett neues Gerät, muß er für eine Übersichtsmessung, bei der allein die Störaussendung überprüft wird, 650 Mark zahlen. Eine komplette Messung mit Testprotokoll und und Konformitätserklärung kostet 3.500 Mark.

Andree Becker, Vertriebsingenieur im Actebis EMV-Testlabor, ist auch für die konforme Bauweise aller Actebis-Produkte verantwortlich. "Unser Testlabor besteht seit sechs Jahren. Bereits früher haben wir alle Geräte und Komponenten, die wir kaufen oder verkaufen, nach allen vorgeschriebenen Verfahren überprüft. Wie jedes andere Unternehmen auch beziehen wir einige Teile in Taiwan. Da es dort keine identischen gesetzlichen Bestimmungen und Qualitätsanforderungen gibt, überprüfen wir diese Komponenten, bevor sie in unsere Geräte eingebaut werden. Im Zuge des EMV-Gesetzes kauften wir zusätzliches Test-Equipment und stockten die Mitarbeiterzahl von elf auf 15 auf", berichtet Becker.

Zertifizierung durch externe Labors

Obwohl die unabhängigen Prüflabors auf den ersten Blick als Gewinner der Euroregelung erscheinen mögen, äußert sich Dr. Werner G. Rasek, selbst Inhaber entsprechender Einrichtungen, ähnlich kritisch wie die Merzahl der Händler. Der von der Industrie- und Handelskammer für Oberfranken/Bayern öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für elektrische Störungen und elektromagnetische Verträglichkeit gilt in Fachkreisen als "EMV-Papst". Seine Prüflaboratorien sind nach allen relevanten Normen akkreditiert und haben seit 20 Jahren einen sehr guten Ruf. Doch der erfahrene Experte sieht im EMV-Gesetz "mehr Marktbereinigung als Qualitätssicherung".

Rasek fährt in seiner Argumentation schwere Geschütze auf: "Die EMV-Richtlinie hat sich positiv auf die großen Hersteller und katastrophal auf die kleinen ausgewirkt. Für Händler und Endkunden folgt eine um 30 bis 50 Prozent reduzierte Typenvielfalt, weil Produkte mit geringen Stückzahlen nicht mehr hergestellt werden können. Die Assembler stehen quasi mit einem Bein im Gefängnis, wenn sie nicht kompatible Produkte in den Verkehr bringen. Die Basis für Denunzianten ist geschaffen. Es laufen bereits Prozesse nach Anzeigen von Konkurrenten."

Anfangs wirkte sich die CE-Kennzeichnungspflicht für Raseks Büro zunächst in einem Auftragsboom aus. Zudem stießen zahllose Newcomer in die neue Marktlücke, deren Auftragsbücher sich jedoch nur kurzfristig füllten. Händler Frank Dietrich bestätigt das Abflauen des Booms: "Vor einem Jahr wurde ich mit Testlabor-Angeboten zugedeckt, heute kommt kaum noch etwas. CE ist für die schnellen Abzocker anscheinend nicht mehr interessant, weil sich viele Händler nicht mehr ins Bockshorn jagen lassen."

Solide Prüfstätten hingegen gewinnen an Boden und das Vertrauen der Händler, die die CE-Verordnung tatsächlich ernst nehmen. Allerdings ist auch bei ihrer Argumentation pro CE bei aller Stichhaltigkeit zu beachten, daß sie ein massives Eigeninteresse verfolgen.

Selbstkontrolle

Wer, aus welchen Gründen auch immer, selbst testen will, dem offeriert zum Beispiel Siegmann Elektronik ausreichendes Prüf-Equipment bereits ab rund 12.000 Mark, zudem individuelle Beratung und eingehende Schulung. Firmenchef Hartmut Siegmann vertritt seinen Standpunkt. "Überprüfung und damit einhergehende Minimierung der elektromagnetischen und elektronischen Abstrahlungen durch Computer und Peripherie machen ausgesprochen Sinn, für den Anwender und nicht zuletzt für den Händler. Den Nachteil der höheren Kosten, etwa für Personal und Meßgeräte, lasse ich aus folgendem Grund nicht gelten: Bis zum 31. Dezember 1995 benötigte ein PC-Assemblierer als einziges Werkzeug einen Schraubendreher. Seit dem 1. Januar 1996 braucht er eben noch ein paar Meßgeräte, so wie fast jede Branche ihre speziellen Werkzeuge benötigt."

In das gleiche Horn bläst auch BAPT-Mann Jeromin. "Andere Berufe wie Kfz-Mechaniker, Bäcker oder Zahnärzte investieren zu Beginn sehr viel, weitaus mehr als jetzt vom Computerhändler und Schrauber verlangt, in Werkzeug und Ausbildung. Viele haben sich die letzten Jahre Computerfachmann genannt, jetzt müssen sie endlich den Beweis antreten, daß sie es auch wirklich sind. Gute Leute stellten ihre Kompetenz schon früher unter Beweis, alle anderen müssen eben jetzt investieren oder aufhören."

Indirekt unterstützt die CE-Kennzeichnungspflicht seiner Meinung nach die jahrelangen Bestrebungen der Branchenkenner, Lobbyisten und Handelskammern, den Computerhandel aus der selbstgestrickten Ecke herauszuholen. Je mehr kontrollierbare Kompentenz - sei es durch Equipment oder Fachwissen - der Handel auf sich vereint, desto realer ist der Vorteil für den Kunden beim echten FACH-Handel. Die Vielfalt der Produkte bleibt bestehen, der Anwender erhält jede gewünschte Konfiguration und gleichzeitig die Gewähr, daß sein System optimal abgestimmt ist. Wer als Händler, Systemhaus oder Assemblierer also das komplette Produkt- und Dienstleistungspaket anbietet, kann dies im Wettkampf für sich nutzen, auch wenn das CE-Zeichen an sich nicht als werbewirksames Qualitätsmerkmal geplant war.

Solide Hersteller betreiben eigene EMV-Testlabors für ihre Produkte. Zudem unterstützen mehrere Großunternehmen den Einzelhandel mit Test-Angeboten oder leisten logistischen Support. So unterwirft man zum Beispiel bei Fujitsu grundsätzlich alle zugekauften Komponenten (Vertrauen ist gut - Kontrolle ist besser) sowie die im Haus zusammengestellten Systeme einer strengen Qualitätsprüfung nach den geltenden Gesetzen. Laut Gerd Harden, Direktor Vertrieb Systemhäuser, stellte auch die Ausweitung der Kontrollmessungen nach den Richtlinien des EMV-Gesetzes keinen übermäßigen Aufwand dar, weil das aktive Störverhalten ohnehin seit Jahren überprüft wird.

Hilfestellung für den Handel

Im EMV-Meßlabor messen nun die Techniker jeden produzierten Systemtyp auf passive und aktive Störanfälligkeit. Die autorisierten Fujitsu-Händler erhalten darüber hinaus eine Art "Weiße Liste" aller Komponenten, auch von anderen Markenherstellern, die im Labor auf ihre elektromagnetische Verträglichkeit im Zusammenspiel mit anderen Komponenten innerhalb des jeweiligen Systems überprüft und auf der Grundlage der EU-Richtlinie als legal eingestuft sind.

Somit soll den Fachhändlern ein gesetzeskonformer Freiraum für individuelle Aufrüstungen und Konfigurationen geboten werden. Wichtig dabei ist jedoch, daß der Händler, der nachträglich an einem geprüften System Hand anlegt, die Aufrüstungen fachgerecht erledigt. So kann etwa ein und die selbe Soundkarte, je nach Art und Weise des Einbaus, die Höchstwerte unterschreiten oder aber über das Ziel hinausschießen. Hier erwartet der Hersteller entsprechendes Wissen und ausreichende Qualifikation des Assemblierers, zusätzliche Komponenten korrekt in ein PC-System einzugliedern.

Sollte, obwohl alle Komponenten zu Recht das CE-Zeichen tragen, das Komplett-System ein elektromagnetischer Störenfried sein, liegt die Verantwortung mit oder ohne endgültiger Konformitätserklärung wieder beim Händler. Fujitsu kann und will nach eigenem Bekunden nicht die Verantwortung für Produkte, Konfigurationen oder Dienstleistungen anderer übernehmen.

Zusatzleistung: Logistischer Support

Wer als Händler kein eigenes Prüflabor hat, kann bei größeren Veränderungen jedoch einen weiteren Service von Fujitsu nutzen. Der Hersteller bietet seinen Vertragspartnern momentan noch kostenlos an, Spezialkonfigurationen im Labor testen zu lassen. Oftmals verlangen Kunden auf ihre Bedürfnisse zurechtgeschnittene Netzwerke - etwa Server plus Desktops und individuell gestalteter Peripherie. In vielen Fällen bestellen die Kunden Komponenten beziehungweise Zusammenstellungen, die in der klassischen Grundkonfiguration nicht vorkommen und demnach nicht vom Hersteller auf ihre Konformität überprüft wurden. Fujitsu baut auf Wunsch diese individuellen PCs zusammen, die Mindeststückzahl liegt bei 20.

Ähnlich ist auch der Service von Siemens Nixdorf, wobei hier die Anzahl der Spezialkonfigurationen bei mindestens 40 Stück liegen sollte. Bei beiden Herstellern erhält der Kunde neben der Konformitätserklärung auch eine Art "Inhaltsangabe" des Systems mit der Auflistung aller Komponenten, die der Hersteller verbaute und für deren reibungs- und störungslosen Betrieb er garantiert.

Wie mittlerweile bekannt, verliert ein System die gültige CE-Zertifizierung, sobald der Händler auch nur eine Komponente austauscht. Im Fujitsu-Labor wird nun diese individuelle Konfiguration des Händlers auf Wunsch und kostenlos getestet. Entsprechen die Werte den gesetzlichen Anforderungen, füllt Fujitsu die Konformitätserklärung aus. Werden die maximalen Werte überschritten, wird die Konfiguration in Kooperation mit dem Händler optimiert, teils durch den Einbau anderer Komponenten oder durch die Verstärkung des Gehäuses.

Fazit: CE ja, aber nicht so

All das erlöst den Handel letztlich jedoch nicht aus dem Dilemma der Verantwortlichkeit. Selbst bei ausgefeiltesten Produktionsabläufen tauchen innerhalb einer Serie Qualitätsschwankungen auf. Sofern der Händler, der nachträglich nochmals Hand an einen PC legt, diesen nicht auf seine EMV-Verträglichkeit testet, hat er keine hundertprozentige Sicherheit, daß das Gerät den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

Im Grunde aber sind sich alle einig: CE-Zertifizierung ja, aber nicht in der jetzigen Form. Fachhändler Freihofer spricht wohl den meisten Kollegen aus dem Herzen: "Der Händler ist immer der Leidtragende, weil das an sich gut gemeinte Gesetz in die Hände von Bürokraten geraten ist und vollkommen praxisfremd angewendet wird."

Ulrike Goreßen

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