View Sonic: "No-Name für den Endkunden"

22.02.2001
View Sonic sah sich nach der Übernahme der Nokia-Display-Division bereits auf Wolke sieben, was Absatz und Marktanteil in Europa betraf. Der Deal hielt aber nicht, was er versprach.

View Sonic startete das Jahr 2000 euphorisch: Endlich hatte man eine in Europa gut etablierte Marke eingekauft. Michael Kommer, View-Sonic-Europa-Chef, sah sein Unternehmen bereits - durch das "große Potenzial" der deutschen Nokia-Mannschaft - unter den "Top drei der Display-Anbieter in Deutschland". Den europäischen Umsatz wollte Kommer 2000 mit Nokia- und View-Sonic-Monitoren von gerade mal 160 Millionen Dollar 1999 auf 400 bis 500 Millionen Dollar im vergangenen Jahr steigern (siehe ComputerPartner 03/00, Seite 14). "Dieses Ziel konnten wir nicht erreichen", räumt Europachef Kommer heute ein.

Die Rechnung "eins plus eins muss auch im europäischen Markt einfach zwei ergeben" ging für View Sonic nicht auf. Denn nachdem Nokia sein ungarisches Display-Werk an das Unternehmen Elcoteq verkaufte, bekam der US-Marktführer nur noch die weichen Faktoren ab: Mitarbeiter, Kunden und die Marke Nokia. Weiche Faktoren, wie sich auch in diesem Fall schnell zeigte, sind aber unberechenbar. Bereits auf der Cebit hatte die Mehrheit der Mitarbeiter aus der ehemaligen Nokia-Display-Abteilung einen neuen Arbeitsvertrag in der Tasche: Und nur in Ausnahmefällen hieß der neue Arbeitgeber dann auch View Sonic. "Von den ehemals 40 Mitarbeitern sind meines Wissens nur zwei bei View Sonic geblieben", berichtet ein ehemaliger Nokia-Manager gegenüber ComputerPartner. Kommer bestätigt das: "Wir konnten die Mehrheit der Mitarbeiter nicht überzeugen zu View Sonic zu wechseln."

Die Aufbauarbeit im vergangenen Jahr blieb also an View-Sonic-Vertriebsleiter Erwin Heinze in Willich hängen: "Im vergangen Jahr mussten wir erst mal die Personaldecke aufstocken und einiges in der Nokia-Vertriebspolitik aufräumen. Das hat Zeit gekostet." Jetzt sind in Willich 13 Mitarbeiter für die Marken View Sonic und Nokia zuständig. Nach Angaben von Heinze konnte man trotz diverser Probleme im vergangenen Jahr den Monitorabsatz in Deutschland um 215 Prozent und den Umsatz um 230 Prozent steigern (Umsatz 1999 in Deutschland: 20 Millionen Dollar). Heinze gibt aber zu: "Die Steigerung kam zum Großteil über die Marke Nokia. Den View-Sonic-Absatz konnten wir nur um 30 Prozent steigern."

Die Wettbwerber in Deutschland merkten dennoch nicht viel von dem zusätzlich verbuchten Wachstum: "Nokia war für uns ein ernstzunehmender Wettbewerber in der Systemhaus-Szene und bei den Behörden. View Sonic haben wir im letzten Jahr überhaupt nicht gespürt, weder im Highend- noch im Lowend-Geschäft", stellt ein Konkurrent ohne Schadenfreude fest. Positives hört man dagegen aus der Broadline-Distribution: "View Sonic bleibt seiner absolut sauberen Kanalpolitik treu: Sie verkaufen ausschließlich über die Distribution und nicht an jeden Endkunden, der mal kurz anklopft wie früher Nokia." Den Handel konnten die View-Sonic-Mitarbeiter auch nach einem Jahr nicht überzeugen: "Sicher, die Produkte sind einwandfrei. Aber dem Unternehmen fehlt nach wie vor das Gefühl für den deutschen Markt: Die Marke View Sonic ist hier immer noch ein No-Name für den Endkunden. Und dafür ist das Preis-Leis-tungs-Verhältnis zu schlecht, weil sie viel zu teuer sind, lautet das gnadenlose Urteil von Darius Zwaka, Einkaufsleiter der PC-Kette Atelco. Er hat Nokia bereits aus dem Sortiment gestrichen. Europachef Kommer hält dagegen: "Wir haben europaweit 20 Millionen Dollar ins Marketing investiert - das ist kein geringer Betrag. View Sonic soll auch keine klassische Consumer-Marke werden, sondern ein B2B-Brand."

Zur Cebit 2001 stellt View Sonic noch mal drei neue Modelle mit Nokia-Label vor. "Wir arbeiten weiter mit Nokia zusammen und werden auch nach der Cebit noch neue Produkte der Marke auf den Markt bringen", sagt Kommer.

www.viewsonic.com

ComputerPartner-Meinung:

Die Rechnung von View Sonic ist zumindest für den deutschen Markt im letzten Jahr nicht aufgegangen. Die Zusammenführung der beiden Marken, was Vertriebsausrichtung, Marketing und Kundenüberzeugung anging, gestaltete sich wesentlich aufwendiger als gedacht. Erst jetzt hat man in Willich die Rahmenbedingungen geschaffen, die man bereits vor einem Jahr gebraucht hätte. (ch)

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