Virtuelles Lager für Autoersatzteile

16.09.2004
Es gibt auch Datenbanken jenseits von Oracle, IBM und Microsoft, so zum Beispiel das postrelationale DBMS "Caché" von Intersystems. Dass man damit lukrative Aufträge an Land ziehen kann, beweist das Projekt von Barth EDV beim Unternehmensverbund Coparts. Von ComputerPartner-Redakteur Dr. Ronald Wiltscheck

Bestellungen von größeren Stückzahlen lohnen sich fast immer. Deshalb entschlossen sich Werksvertretungen von japanischen Automobilherstellern bereits in den 70er-Jahren, eine lose Einkaufskooperation zu bilden. Anfang 1981 gründeten sie dann offiziell Coparts (www.coparts.de). Die Führung der Kooperation oblag für einen festen Zeitraum einem der Gesellschafter, bis Mitte 1995 die Zentrale in Essen eröffnet wurde.

Beim Siegeszug des Internet lag es auch für Coparts nahe, Webtechnologien bei der Beschaffung von Autoersatzteilen einzusetzen. Diese Aufgabe übertrug der Einkaufsverbund der Barth EDV Systemberatung (www.edv-barth.de). Seit 2002 agiert nun der Dienstleister aus Recklinghausen als IT-Lieferant bei Coparts.

C & D-Ersatzteile im Automobilhandel

Bei einem der Webprojekte ging es nun darum, so genannte C- und D-Teile zu beschaffen. Dabei handelt es sich um Automobilersatzteile, die nicht unbedingt zum Kerngeschäft eines an Coparts beteiligten Kfz-Händlers gehören. Wenn also einer von ihnen hauptsächlich mit Toyota- oder Mitsubishi-Teilen handelt, dann gehören für ihn Scheinwerfer von Mercedes oder Hupen von BMW der C- oder D-Kategorie an und umgekehrt.

Aufgabe von Barth war es, ein "Virtuelles Lager" aufzubauen, aus dem sich ein Ersatzteilhändler auch Fremdprodukte beschaffen könnte, etwa von einem Verbundskollegen, der genau mit derartigen Stücken handelt. Bevor sich aber der IT-Dienstleister aus dem Ruhrpott daran machte, galt es erstmals, mit Coparts den Projektrahmen auszuhandeln. Fragen nach den Dateninhalten und Formaten mussten geklärt werden. Ferner musste man sich über die einzusetzenden Technologien einigen. Auch die Voraussetzungen bei den im Verbund zusammengeschlossenen Kfz-Ersatzteile-Händlern galt es zu prüfen - hier ging es vornehmlich um die Anbindung ans Internet. Ferner mussten beide Geschäftspartner hinsichtlich der Art und Modalität der Finanzierung Übereinstimmung erzielen. Diese durchaus komplizierten Verhandlungen nahmen schlussendlich etwa drei Monate in Anspruch.

Erst nach Abschluss dieser Gespräche ging man bei Barth daran, das vom Kunden gewünschte System zu entwickeln. Dabei war dem Systemhaus aus Gelsenkirchen von Anfang an klar, dass man bei dieser Aufgabe auf die Version 5 der postrelationalen Datenbank Caché von Intersystems (www.intersystems.de) setzen würde. Schließlich hatte Barth mit dieser Technologie bereits gute Erfahrungen sammeln können - etwa bei der Implementierung der Gateway-Lösung "Barth Enterprise TecCom" (BEGW), die alle proprietären Warenwirtschaftssysteme der an der Internetplattform des europäischen Automobilteile-Handels TecCom (www.teccom.de) teilnehmenden Unternehmen anbindet.

Nummernsalat

So basiert nun auch das "Virtuelle Lager" für C- und D-Teile bei Coparts auf der Caché-Technologie. Dabei stellte der Aufbau des Lagers das geringste Übel für Barth dar. Die richtigen Probleme begannen erst beim "Befüllen" des virtuellen Lagerraums. Denn sowohl die Hersteller als auch die Großhändler benutzen jeweils ihre eigene Syntax für die Nummerierung der Artikel. Und die an Coparts angeschlossenen Kfz-Händler und -Werkstätten verwenden wiederum eine andere Syntax. "Hier galt es, ein Referenzsystem für 3,5 Milliarden Artikel zu finden", beschreibt Karl-Rüdiger Barth, Inhaber von Barth EDV, die größte Herausforderung beim Coparts-Projekt. Da angesichts dieser Größenordung die manuelle logische Verknüpfung der drei unterschiedlichen Artikelnummern-Systeme miteinander von vornherein ausschied, entschloss sich der Dienstleister, dem Teilehändler mehr Freiheiten bei Einträgen in der Suchmaske einzuräumen. Dort kann ein Coparts-Mitglied sowohl die Artikelnummer des Originalherstellers als auch die Referenz des Großhändlers oder aber auch einen frei wählbaren Volltext eintippen.

Diese Quer-Referenzierung zwischen den eigenen Artikelstamm-System und der Hersteller/Großhändler-Nummerierung war notwendig geworden, damit die Gesellschafter ihre per Web getätigten Orders mit ihren eigenen Warenwirtschaftslösungen abgleichen konnten. Derartige Feinabstimmungen baute Barth bereits in das erste Update der eigenen Software ein.

Trotz der damit einhergehenden Verzögerungen gelang es dem Dienstleister, das "Virtuelle Lager" innerhalb von nur einer Woche in der Coparts-Zentrale einzuführen. Hierfür wurde ein PC-Server mit Windows 2000 als Betriebssystem angeschafft. Die Coparts-Teilhaber benötigen für das neue System keinerlei Client-Installation - der handelsüblicher Webbrowser genügt.

Dennoch ist das virtuelle Lager nicht "schnell mal so" und "intuitiv" bedienbar. So erhielt jeder der insgesamt 16 Coparts-Gesellschafter von Barth jeweils eine anderthalbtägige Schulung. Sie umfasste die Einweisung des Systemadministrators in die Software; es ging dabei unter anderem um den Umgang mit den Artikelstamm-Nummern und das Update-Verhalten.

Dafür erhielt der Kunde aber ein System, das im Prinzip immer verfügbar ist - eine gute Internetverbindung vorausgesetzt. Durch den serverorientierten Betrieb der Datenbank sind die Bestandsdaten stets auf dem aktuellen Stand. Auch mit der Suchmaske zeigten sich die Coparts-Mitglieder zufrieden. Mit dem webbasierten Zugriff auf die Daten entfallen teure und zeitaufwändige Telefonate. Die gewünschten Waren lassen sich nun zu vertretbaren Kosten beschaffen.

Folgegeschäfte winken

Selbstverständlich wartet Barth die komplette Beschaffungsplattform des Kunden. Diese beinhaltet nicht nur das virtuelle Lager des Dienstleisters, sondern auch Komponenten der postrelationale Datenbank "Caché" von Intersystems. Darin sind Updates inbegriffen. Ferner kümmert sich der Systemberater fortlaufend um die Anbindung des virtuellen Lagers an die Warenwirtschaftssysteme der einzelnen Gesellschafter. Hierzu existiert ein gesonderter Wartungsvertrag.

Auch erste Folgegeschäfte für Barth sind bereits in Sicht. So soll etwa das virtuelle Lager bei Coparts um die Module "Ausschreibungen" und "Handel" erweitert werden. Barths Internetplattform kann ohne größere Anpassungen weiteren Ein- und Verkaufsverbänden zur Verfügung gestellt werden, zum Beispiel Immobilienbörsen.

Dabei kann der Recklinghauser Dienstleister von den bei Coparts gesammelten Erfahrungen vielfach zehren. Immerhin ging es hier nicht nur um die reine Technik, also die Einbindung der Daten in das virtuelle Lager. Viel mehr zählen die gewonnenen Erkenntnisse. "Welche Synergieeffekte aus der Zusammenarbeit von ansonsten konkurrierenden Handelsunternehmen in einer Einkaufsgemeinschaft resultieren, ist mir erst in dem Coparts-Projekt klar geworden", zieht Karl-Rüdiger Barth sein persönliches Resümee.

Meinung des Redakteurs

Dass auch eine Fünf-MannFirma wie Barth-EDV innerhalb einer Woche ein Projekt von über 50.000 Euro stemmen kann, beweist der vorangegangene Bericht. Es kommt eben nicht auf die Menge der Mitarbeiter, sondern auf deren Kenntnisse an. Hat man auch noch einen technologisch führenden Hersteller als Partner im Rücken und die richtigen Kunden an der Angel, lässt sich auch in der Baisse gutes Geld verdienen.

Solution Snapshot

Kunde Coparts; www.coparts.de

Problemstellung Beschaffung von selten benötigten Ersatzteilen bei Kollegen im Verbund

Lösung Windows Server 2000; Internetstandleitung; Barth Enterprise Virtuelles Lager; Caché 5 von Intersystems

Technologie-Dienstleister Barth EDV-Systemberatung; www.edv-barth.de

Technologie-Lieferant Intersystems; www.intersystems.de

Kontaktaufnahme Bestandskunde seit 2002

Verhandlungsdauer drei Monate

größte Herausforderung Abbildung des Cross-Referenzmodells zur Artikelpflege, Artikelsuche und Preisfindung

unerwartete Schwierigkeiten Abgleich der internen Nummernsysteme der Gesellschafter

Implementierungsdauer eine Woche

Arbeitsaufwand des Dienstleisters 16 mal acht Stunden

Kostenumfang des Projekts 55.000 Euro

Projektaufteilung 20 Prozent für Hardware, 60 Prozent für Softwarelizenzen, 20 Prozent für Dienstleistung

Service- und Wartungsverträge Caché; Suppport des virtuellen Lagers, Pflege der Gateways zur Warenwirtschaft der Gesellschafter

Benefit für den Kunden hohe Verfügbarkeit, aktuelle Bestandsinformationen stets vorhanden, komfortabler Suchmechanismus, leichtere und billigere Beschaffung von Ersatzteilen

Benefit für den Dienstleister Erweiterung des virtuellen Lagers um die Bereiche Ausschreibungen und Handel in Sicht, Verkauf des virtuellen Lagers an weitere Einkaufsverbände möglich, Coparts als wichtigen Referenzkunden im Automobilteilehandel gewonnen, Erfahrungen im Umgang mit Einkaufsverbänden gesammelt

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