Welche Herausforderungen auf frischgebackene CTOs zukommen

Vom Entwickler zum Ermöglicher

Maria Meier ist CTO und Mitbegründerin von Phantasma Labs.
Vincent Audoire ist CTO und Mitbegründer von Feather.
Frisch ausgebildete Techniker und Informatiker haben derzeit die Qual der Wahl: Sie können zwischen vielen offenen Positionen in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst wählen. Es lockt aber auch die Gründung des eigenen Unternehmens.
Jungen Fachkräften stehen derzeit viele Wege offen: Sie können als Angestellte anfangen oder auch ein Startup gründen.
Jungen Fachkräften stehen derzeit viele Wege offen: Sie können als Angestellte anfangen oder auch ein Startup gründen.
Foto: Branislav Nenin - shutterstock.com

Als angehender Entwickler wird in Studium oder Ausbildung zwar meist kein eindeutiger Karrierepfad ausgelegt, dennoch besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass man sich mit dem Einstieg ins Berufsleben um ein Angestelltenverhältnis bemüht. Dies mag eine wohlüberlegte Entscheidung sein, um sich weiteres, spezifisches Know-How anzueignen oder schlichtweg auf einer Risikoaversion beruhen. Die Entscheidung kann jedoch sehr wohl auch unbewusst und basierend auf einem Mangel an bekannten Alternativen getroffen werden: Eine Option, die oftmals zu Beginn der eigenen Karriere vernachlässigt wird, ist die, als Gründer in das Arbeitsleben zu starten.

Die Ursache hierfür liegt im Bildungsbereich: Auch wenn Gründungsseminare an Universitäten mittlerweile existieren und Career-Services Entrepreneurship Absolvennen nahelegen, so sind diese unter Studenten mit technischem Hintergrund nicht weit verbreitet. Einrichtungen wie das Center for Digital Technology and Management (CDTM) in München haben hier die einsame Vorreiterrolle inne. Des Weiteren mangelt es unter Entwicklern schlichtweg an Vorbildern, die bereits Jugendliche zu einer Gründungskarriere ermutigen, egal für welchen fachlichen Bereich sie sich interessieren.

Gründung als Karriereneustart

Viele Entwickler werden die folgende Situation kennen: Ob als Mitarbeiter eines Startups oder eines großen Unternehmens, das Bearbeiten von Tickets verliert mit der Zeit an Reiz und die Lernkurve flacht ebenfalls ab. Wer sich danach sehnt, eigenverantwortlich zu arbeiten, kommt spätestens jetzt mit dem Gedanken in Kontakt zu gründen. Doch wie geht man diesen risikobehafteten Karriereneustart an?

Zu den wichtigsten Ressourcen ganz zu Beginn des Gründungsprozesses gehört, entgegen der allgemeinen Annahme, keine ausgefeilte Geschäftsidee, sondern das richtige Netzwerk. Dies erleichtert den Übergang immens, um den Schritt zu realisieren, der vor allem anderen kommen muss: der Bildung eines Gründungsteams. Denn alles andere baut darauf auf. Diesen Umstand haben Talent Investment Programme wie Entrepreneur First (EF) verstanden. Angehende Gründer erhalten hier ein Stipendium für die Übergangszeit zwischen altem Beruf und neuer Berufung, in Kohorten kuratiert EF zukünftige CEOs und CTOs, führt sie zusammen und unterstützt (erst) im Anschluss die frischgebackenen Teams bei der Entwicklung ihrer gemeinsam entwickelten Missionen.

CTOs: Die regelmäßige Neuerfindung der eigenen Rolle

Wer sich nun also voll und ganz dem Gründungsabenteuer gewidmet hat, sieht sich schnell mit dem Fakt konfrontiert, dass der Wunsch nach neuen Arbeitsinhalten unweigerlich wahr wird. Aus den anfänglichen Tagen, in denen man schlichtweg für alles, sei es operativ oder strategisch, zuständig war, entwickelt sich, mit viel Schweiß, Blut und etwas Glück, ein schnell wachsendes Unternehmen und eine neue Lebensrealität als CTO.

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Während der Anteil der eigenen Programmierung stark abnimmt, rücken Aufgaben wie die Einstellung neuer Mitarbeiter, Technische Due Diligence-Prüfung für Investoren und Neukunden und die Verantwortung dafür, dass alle Beteiligten möglichst effizient und effektiv arbeiten, in den Fokus. Unter letzteren Aspekt fällt also neben den eingesparten Ressourcen auch, dass interne Synergien erkannt und Hindernisse aus dem Weg geräumt werden müssen.

Darüber hinaus hilft es, einen technischen CEO zu haben, der Verständnis dafür hat, dass Prozesse manchmal länger andauern, aber letztendlich obliegt es dem CTO, solche Umstände an der Schnittstelle zwischen Business und Tech zu berücksichtigen, zu koordinieren und die Qualität der Arbeit gegenüber ihrer Geschwindigkeit zu priorisieren.

Über all diesen neuen Verantwortungen steht jedoch das Sinnbild der Empathie. Wer sich zu sehr vom Tagesgeschäft und der Arbeitsrealität der Mitarbeiter entfernt, kann auch keine förderlichen Entscheidungen für das Unternehmen mehr treffen. Es gilt also, die Balance zwischen Detailarbeit und Überblick zu wahren.

Vom Entwickler zum CTO

Doch auch aus der Perspektive von angestellten Entwickler können bereits Lehren für das spätere Dasein als CTO gezogen werden: So wird reflektierten Mitarbeitern eines schnell skalierenden Unternehmens deutlich bewusst, dass, je nach Größe und Entwicklungsstufe, die Ansprüche an den CTO ständig wechseln und Führungskräfte umso mehr in der Lebenswelt aller Angestellten involviert bleiben müssen, um alle Beteiligten in Phasen strategischer (Neu-)Ausrichtung an Board zu behalten und eine Unternehmenskultur und -identität zu wahren.

Es gilt also nicht nur, neue Mitarbeiter nach dem Prinzip "Qualität über Quantität" einzustellen, sondern die bereits bestehenden in die Entwicklung des Unternehmens einzubeziehen, um sie so zu binden. Schließlich müssen CTOs die wachsende Bedeutung von technischen Mitarbeitern berücksichtigen, die nicht nur Hard Skills, sondern auch ausgeprägte soziale Fähigkeiten aufweisen, um die Unternehmenskultur und die emphatische Kommunikation in Phasen der Skalierung beibehalten zu können.

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