"Das ERP-System war damals zu groß und zu teuer", erinnert sich Stephan Schneider. 2005 übernahm er die Umformtechnik Radebeul (UFT) als geschäftsführender Gesellschafter und entschied sich gemeinsam mit seinem technischen Geschäftsführer Mike Müller trotzdem für die "große" Lösung. Ziel: Die Chefs wollten zu jeder Zeit die Kontrolle über Geldströme im Unternehmen und den Produktionsstand: Wie viele Teile sind in welchem Bearbeitungszustand wo im Unternehmen unterwegs.
Den finanziellen Nutzen des Systems kann Schneider nicht beziffern: "Aber wir ständen nicht da, wo wir jetzt sind." Diversifikation, Produktspezialisierung und größere Fertigungstiefe waren in der kurzen Zeit nur mit intensivem Controlling zu handhaben. Vor sieben Jahren war die Firma lediglich ein schlichter Lohnfertiger, der mit 37 Mitarbeitern etwa 50 unterschiedlichen Rohteilen produzierte und sechs Millionen Euro Umsatz erwirtschaftete.
Deutlich mehr Mitarbeiter, deutlich mehr Umsatz
Inzwischen versteht sich die UFT als Spezialist für dünnwandige, komplizierte Gesenkschmiedeteile aus Aluminium. Die Mitarbeiterzahl ist auf mehr als 170 geschnellt, die mehr als über 200 verschiedene Bauteile herstellen und oft gleich in Baugruppen montieren. In vergangenen Jahr lag der Umsatz bei 16 Millionen Euro. Die Diversifikation hat dazu geführt, dass mehrere Hersteller und Zulieferer der Automobilindustrie, der Elektrobranche oder Medizintechnik auf die Radebeuler setzen. "Die gegenwärtige Komplexität ist durch das ERP-System besser beherrschbar", urteilt Schneider.
"Ein Vorteil, den wir gegenüber vielen Mitbewerbern wohl haben, ist unsere Schnelligkeit", erzählt Mike Müller. Grundlage für die effiziente Produktion sei die strukturierte Arbeitsvorbereitung, die genauer zu planen ist, sowie die Steuerung mehrerer gleichzeitig stattfindender Produktionsprozesse. Da auch die Mitarbeiter in der Produktion auf das System zugreifen können, wissen sie wo genau ihr nächster Arbeitsauftrag unterwegs ist und müssen nicht erst lange nach den Teilen suchen.
Teilweise erfassen die Maschinen die Daten automatisch, aber in der Regel pflegen die Mitarbeiter die Daten selbst ein: sowohl die Stückzahl wie den Ausschuss. "Wir arbeiten mit Auftragsbehältern", sagt Müller, "die können wir genau mit ihrem Inhalt identifizieren". Selbst Aufträge mit Kleinstmengen werden mit dem ERP-System abgearbeitet. "Wenn man das anfängt, muss man es konsequent durchziehen", findet der Technik-Chef. Insgesamt investierte die UFT 1,2 Millionen Euro in die Hard- und Software sowie Anpassungsarbeiten, Schulungen und Hotline.
Alle Dokumente auf einem System
Entscheidend für die Unternehmensentwicklung war die betriebswirtschaftliche Transparenz. Die UFT finanziert gut zehn Prozent des Umsatzes vor. 1,5 Millionen Euro stecken in der Entwicklung und dem Bau neuer Werkzeuge sowie im vorgehaltenen Aluminium, das in unterschiedlichen Formen und Stärken auf Lager sein muss. Gerade weil der Preis für den Rohstoff Aluminium stark schwankt, ist ein gutes Controlling auf verschiedenen Ebenen hilfreich: Ist der Preis unten und die Liquidität für die kommenden Monate gesichert, lohnen sich eine größere Einkaufstour und ein größeres Lager. Die Kontrolle über die Liquidität war gerade nach der Unternehmensübernahme ein gewichtiges Argument gegenüber den Banken. "Die hohe Transparenz hat uns in vielen Finanz- und Kundengesprächen geholfen", erzählt Schneider.
Ein weiterer Grund für die Entscheidung von Schneider und Müller war, dass das ausgewählte ERP-System von APplus der Asseco Solutions AG in Karlsruhe webbasiert ist. "Vor acht Jahren war es eines der wenigen", sagt UFT-Inhaber Schneider. Ziel des Unternehmens ist nämlich, dass sämtliche Dokumente vom Auftrag über die Produktion bis zur Rechnung auf dem System abgelegt werden. So wird zumindest für die Verwaltung ein mobiles Arbeiten möglich. Wo es geht, wie in der Personalabteilung und im Controlling, können Eltern einen Großteil der Arbeit von zu Hause erledigen. Auch der Wiedereinstieg für Mütter und Väter ist mit Teilzeitarbeitsplätzen mit fünf oder acht Stunden wöchentlich möglich. "Das ist ein Organisationsaufwand", gibt Schneider zu, "aber das Unternehmen soll als familienfreundlich wahrgenommen werden". So dient das ERP-System auch als wichtiger Baustein des Mitarbeitermanagements. Gegenwärtig arbeiten acht Mitarbeiter teilweise vom Home-Office aus. (tö)