Wenn die rheinische Provinz zum Mittelpunkt Europas wird

15.03.2001
Inmitten idyllischer Krüppelweiden am Niederrhein hat die Fuji Magnetics GmbH, Tochtergesellschaft des japanischen Konzerns Fujifilm, ihren Hauptsitz. Von Kleve aus wird der komplette europäische Markt beliefert.

Man muss nur alles global betrachten, dann entpuppt sich sogar eine Kleinstadt wie Kleve in der niederrheinischen Provinz an der holländischen Grenze als Zentrum Europas. So sieht es zumindest der japanische Konzern Fujifilm, der seine Tochter Fuji Magnetics, Hersteller von Computermedien, Audiotapes und -Disks, Videotapes und Camcordertapes 1987 im Grenzland zu den Niederlanden ansiedelte. "Der Standort Kleve bietet uns sehr viele Vorteile", erklärt Joachim Paggen, Sales- und Marketing-Direktor. Kurz bevor Fuji Magnetics in die Grenzstadt zog, hatte ein Kunststoff verarbeitendes Unternehmen die Produktionsstätten nach den neuesten Richtlinien für staubfreies Arbeiten eingerichtet. Somit musste Fuji nur geringe bauliche Veränderungen vornehmen, da schon entsprechende Räumlichkeiten in der richtigen Größe vorhanden waren. Es waren auch entsprechende Mitarbeiter da, die technisches Verständnis für Kunststoffverarbeitung hatten. Das ist nach Ansicht Paggens sehr wichtig für die Produktion von Videokassetten, da es sich hier ja ebenfalls um Spritzgussbereich handelt.

Auch die logistische Anbindung von Kleve wurde als sehr gut bewertet: Es gibt hier gleich zwei Autobahnanbindungen: Die A3 ist eine direkte Verbindung zum Norden sowie ins Ruhrgebiet und geht direkt nach Holland, die A57 ist die Anbindung an den Süden. Ganz wichtig bei der Standortwahl war auch die Nähe zu zwei großen Flughäfen: Schipol in Amsterdam und in Düsseldorf. "Überhaupt waren die Nähe und die gute Anbindung an Düsseldorf sehr wichtig", berichtet Paggen weiter. "In Düsseldorf ist die größte japanische Kolonie beheimatet. Spätestens wenn die Kinder unserer japanischen Manager in den Kindergarten kommen, ziehen die Familien nach Düsseldorf. Dort findet auch das ganze Privatleben im eigenen japanischen Umfeld statt."

In Zeiten schwindender Margen und drückender Konkurrenz aus Asien stellt sich natürlich auch Fuji Magnetics die Frage: "Warum sollen wir hier produzieren, wo 30 Urlaubstage üblich sind, wenn nur wenige Kilometer weiter der Gesetzgeber lediglich 20 Urlaubsta-ge verlangt?" Hierzu bekennt sich Paggen ganz offen: "Wir wissen, dass Deutschland gerade in der Höhe der Gehälter, bei der Anzahl der Urlaubstage und durch eher kürzere Arbeitszeiten im internationalen Vergleich zu den führenden Ländern beim Kostenfaktor Mitarbeiter gehört. Also müssen wir bei dem, was wir produktiv bringen, und in der Arbeitsqualität besser sein. Ansonsten hat ganz Deutschland schlechte Karten. Aber ich glaube, dass wir das schaffen. Vielleicht ist es sogar gut, dass in Deutschland das Wetter eher schlechter ist, denn da sind die Leute eher bereit, länger zu arbeiten."

Klare Arbeitsteilung

Die Arbeitsteilung mit der Weltzentrale in Japan und dem Europa-Hauptquartier ist klar umrissen. In Tokio wird entwickelt und in Kleve produziert. Laut Paggen versucht man, die Produktion immer so anzupassen, dass keine veralteten Produkte herstellt werden. Klassisches Auslaufmodell ist für ihn die Diskette. Deshalb produziert Fuji Magnetics parallel auch modernere Medien wie etwa CD-R oder 4-MM. Seit neuestem werden in Deutschland auch DVD-R oder DVD-ROM hergestellt.

Dennoch wird die Diskette noch mindestens fünf Jahre auf dem Markt bleiben, so die Einschätzung von Paggen. Solange nämlich PCs mit Diskettenlaufwerk ab Werk angeboten werden, hat die Diskette auch ihre Existenzberechtigung. "Verrückterweise verkaufen wir sogar von Jahr zu Jahr immer mehr Disketten", erzählt der gebürtige Duisburger. "Das liegt wohl auch an der Marktbereinigung, da sich immer mehr Anbieter aus diesem Geschäft zurückziehen."

Fuji Magnetics ist im deutschen Diskettenbereich mit rund 25 Prozent Anteil sogar Marktführer. Der Grund liegt darin, dass No-Name-Anbieter nahezu komplett verschwunden sind. Deren früherer Anteil haben sich die Markenanbieter einverleibt. "Da wir in Deutschland der einzige und in Europa einer der wenigen verbliebenen Hersteller sind, können wir schnell reagieren und bieten kurze Lieferzeiten. Auch Sonderwünsche wie besondere Aufdrucke sind bei uns schnell und kostengünstig machbar", erläutert Paggen das Phänomen des Dauerbrenners Diskette.

Dennoch wird bei Fuji Magnetics vermehrt auf die neuen Medien gesetzt. "Wir haben den Vorteil, dass unsere Mutter Fuji Photo Inhaberin vieler Patente aus dem Filmbereich ist", berichtet Paggen. "Diese können wir dann auch im Datenträgerbereich nutzen. Wir brauchen also Techniken nicht neu erfinden, sondern setzen sie einfach bei Bedarf ein."

Sorgenkind CD-R und Preisverfall durch die No-Names

Das Überangebot und der Preisverfall bei den CD-Rohlingen macht Fuji Magnetics wie vielen anderen Markenherstellern sehr zu schaffen. Doch man gibt sich (zweck-)optimistisch. Für Paggen ist klar, das man den Produktionsstandort Deutschland für CD-Rs wie in dem Fall der Disketten vor wenigen Jahren nur durch eine erhöhte Taktfrequenz auf Dauer retten kann. Das bedeutet: vermehrte Automatisierung und der Einsatz weniger, aber hochqualifizierter Mitabeiter.

Fuji Magnetics hatte in Kleve von Anfang an fast 400 Mitarbeiter. Typisch für ein japanisches Unternehmen wurde sehr großer Wert auf sichere Arbeitsplätze gelegt. Dennoch ändern sich im Laufe der Zeit die Anforderung an die Manpower. Wurden beispielsweise früher 100 Mitarbeiter für die Produktion von Disketten benötigt, sind das heute vielleicht nur noch 20. Die verbleibenden 80 Mitarbeiter werden bei dann eben in anderen Bereichen eingesetzt und nicht gekündigt.

AGBs, kleine automatische Autos, übernahmen irgendwann die Arbeit der Handling-Group. Diese Mitarbeiter wurden dann in der Video-Duplizierung eingesetzt.

Hohe Qualität und kurze Lieferzeit

1998 wurde in der Europazentrale Total Quality Management eingesetzt - eine Mitarbeiterschulung mit dem Ziel, möglichst kurze Abläufe zu erreichen und den Produktionsausschuss zu minimieren. Man will bei Fuji Magnetics nämlich nicht über den Preis gehen müssen, sondern durch besonders hohe Qualität und große Dienstleistungsvielfalt überlebensfähig bleiben.

Die Hochsaison ist natürlich das Weihnachtsgeschäft, für das im September produziert wird. Dazu kommt noch der Stock-Bestand, da am Niederrhein auch das Europalager beheimatet ist. "Weil wir die Produkte immer billiger fertigen, ist Einfliegen vielleicht noch in der PC-Branche üblich, aber mit Sicherheit nicht mehr im Datenträgerbereich", erzählt Paggen weiter. "Das rentiert sich nicht für Produkte, die man dann für eine Mark verkauft. Da sich die Entwicklungsabteilung in Tokio befindet, kaufen wir nur die neuen Produkte dazu, die wir hier noch nicht selbst produzieren. Wenn die Produktion dann stabil läuft und auch der entsprechende Absatzmarkt in Europa da ist, stellen wir diese Medien dann selbst her." Ausnahme ist die CD-R: Sie war in Deutschland quasi das Pilotprojekt und wurde erstmals hier und nicht in Japan produziert. Das liegt daran, dass die CD-R in Japan kein Thema ist, sondern die Minidisc. Rund 75 Prozent der weltweiten MD-Produktion wird allein in Japan verkauft. Wenn sich die MD oder auch andere kleine Speichermedien wie die Smartmedia-Card oder die Multimedia-Card auch in Europa als Massenspeicher durchsetzen, wird Fuji Magnetics diese Medien auch in Deutschland produzieren. (go)

www.fuji-magnetics.de

ComputerPartner-Meinung:

Fuji Magnetics beweist, dass man in Deutschland produzieren und doch Profit machen kann. Man muss nur die Ressourcen wie Fachpersonal, schnelle Reaktion auf den Kundengeschmack und die kürzeren Lieferwege zu seinen Guns-ten nutzen, dann klappt es auch mit dem Gewinn. (go)

Fuji Magnetics GmbH

Facts & Figures

1987 gründete der japanische Konzern Fujifilm in Kleve am Niederrhein die Europazentrale für die Tochterfirma Fuji Magnetics, Produzent von optischen und magnetischen Speichermedien. Fuji Magnetics konnte teilweise die Produktionsstätten eines Kunststoff verarbeitenden Unternehmens übernehmen. Das barg gleich zwei Vorteile: Die Produktionsstätten waren bereits optimal für die Herstellung von Kunststoffprodukten ausgelegt, und es gab vor Ort schon ausreichend qualifizierte Mitarbeiter. Von dem 215.000 Quadratmeter großen Areal sind bislang 135.000 Quadratmeter bebaut. In den weitläufigen Gebäuden sind neben den Büroräumen für Vertrieb und Logistik auch die Produktionsstätten untergebracht.

Der Jahresumsatz des Unternehmens beträgt rund 550 Millionen Mark. Mit etwa 370 Mitarbeitern werden pro Monat zirka 2,5 Millionen Videokassetten, elf Millionen Floppy Disks, je 300.000 8-MM-Kassetten und VHS-C-Kassetten, je fünf Millionen CD-Rs und CD-ROMs sowie eine Million Quick-Snap-Einweg-Fotokameras produziert. Dazu kann das Unternehmen bis zu 300.000 Videos in der eigenen Kopierstraße bespielen. Seit neuestem werden auch DVD-R und DVD-ROM hergestellt.

Weitere 80 Mitarbeiter sind den Verkaufsbüros in den Niederlanden, Belgien, Dänemark, Schweden und Österreich sowie den Tochtergesellschaften in Deutschland, Frankreich, Italien und Ungarn beschäftigt. (go)

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