Widersprüchliches Stimmungsbild im Mittelstand

31.01.2002
Von der Wirtschaftskrise gebeutelt und von der Politik gegängelt, habe sich die Stimmung im deutschen Mittelstand seit Anfang 2001 deutlich verschlechtert, tönt VMU-Chef-Lobbyist Jürgen Bock und warnt auch vor sinkender Investitionsbereitschaft. Sehr viel mehr Optimismus zeigt hingegen eine Forsa-Umfrage.

Anfang 2001 war für die Mehrheit der deutschen mittelständischen Unternehmen die Welt noch in Ordnung. Doch dann schlug die Stimmung nach vielen herben Enttäuschungen total um. Das zeigt jedenfalls eine Umfrage der Vereinigung Mittelständischer Unternehmer (VMU), die ihr Präsident Jürgen Bock unlängst in München vorstellte (siehe Tabelle).

Hatten vor einem Jahr noch 47 Prozent der Firmenlenker die wirtschaftliche Situation ihres Betriebes als "gut" bezeichnet, sind es jetzt nur noch 13 Prozent. Gleichzeitig hat sich der Anteil der Unzufriedenen mit 33 Prozent geradezu vervierfacht.

Ein ganz anderes Bild zeichnet hingegen eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Wirtschaftsmagazins "Impulse". Demnach hat sich die Zahl der Optimisten unter den Mittelständlern seit Oktober 2001 von 13 auf heute rund 50 Prozent fast verdreifacht. Während laut Impulse 41 Prozent der Unternehmer 2002 mit einer Umsatzsteigerung rechnen, blicken bei VMU nur 13 Prozent zuversichtlich ins neue Jahr.

Ersatz vor Rationalisierung und Erweiterung

Wie Bock ausführte, spiegele sich das Stimmungstief im Mittelstand auch in einer sinkenden Investitionsbereitschaft wider. Dabei hätten die meisten Unternehmen vor, sich mehr auf Ersatzbeschaffung, denn auf Rationalisierungsmaßnahmen und betrieblicher Erweiterung zu konzentrieren, zumal knapp die Hälfte von ihnen bereits über Stellenabbau nachdächten.

Wie schwierig vor allem seit dem 11. September die Auftragslage aus dem Mittelstand geworden ist, davon kann Gerhard Keil, Geschäftsführer der Nürnberger DBT Databox Techno, ein Lied singen: "Egal wo ich hinschaue, überall werden Investitionen zurückgefahren. Wo die Unternehmen früher auch mal bei Nice-to-Have-Produkten zugeschlagen haben, beschränken sie sich heute oft nur noch auf das Allernötigste. Und das fängt schon beim PC-Kauf an. Der Trend geht soundso immer mehr zu Thin Clients."

Marktkonsolidierung hat auch ihre guten Seiten

Was Keil auch Sorgen bereitet, ist der Pleitegeier, der im Mittelstand umgeht: "Wenn einem plötzlich ein Auftraggeber mit einem monatlichen Umsatzvolumen von 170.000 Mark wegbricht, dann tut das schon weh." Sein Unternehmen schreibe zwar noch schwarze Zahlen, vielen, selbst großen Mitbewerbern, habe die schwierige Auftragslage aus dem Mittelstand aber schon das Genick gebrochen. "Eine gewisse Marktkonsolidierung tut aber auch ganz gut. Siehe M+S mit seinem preisbrecherischen Auftreten", meint Keil abwägend.

Von einem dramatischen Investitionsrückgang im Mittelstand will Roland Willy, Business-Development-Manager beim Mannheimer Systemhaus Decon Network, nichts wissen. Im Gegenteil, gerade beim gehobenen Mittelstand mit bis zu 500 Mitarbeitern sei derzeit ein wachsendes Interesse an dem Thema Sicherheit zu erkennen. Gute Chancen hätten Firewall- und Clus-tering-Lösungen. "Es gibt halt gewisse Zwänge, Dinge, die durchgeführt werden müssen. Aber oft werden die Mittel dafür aufs Jahresende oder den Jahresanfang verschoben", so Willy. "Schwieriger ist es jedoch geworden, auf den Rechnungen Beratungskosten extra auszuweisen, die teilweise mit bis zu 30 Prozent zu Buche schlagen. Auch was Neuanschaffungen angeht, braucht es heute etwas mehr an Überzeugungsarbeit."

Von konjunkturellen Schwankungen relativ unberührt sieht sich laut Pressesprecher Ulrich Lissek der Vertrieb Deutsche Telekom, der von T-Systems weite Anteile des Systemhauses Debis übernommen hat und zu dessen Kundenklientel in erster Linie große mittelständische Unternehmen gehören. "Wer heute nicht in E-Business investiert, der spart am falschen Ende, und das wissen die Unternehmen auch. Systemlösungen laufen derzeit sehr gut, Kommunikationsdienstleistungen sogar hervorragend", klopft sich Lissek auf die Schulter.

www.mittelstand-vmu.de

www.impulse.de

www.d-b-t.de

www.decon-network.de

www.telekom.de

ComputerPartner-Meinung:

So verschieden das Stimmungsbild von VMU und Forsa, so unterschiedlich fällt auch die Einschätzung der Systemhäuser und IT-Dienstleister aus, wie sich die Geschäfte mit den Mittelstandskunden entwickeln. Eines ist jedoch sicher, es gibt noch jede Menge zu tun. Um das den Unternehmen zu verklickern, dafür braucht es aber heute vielleicht doch etwas mehr Überzeugungsarbeit. Denn viele Mittelständler haben im Zuge des Millenniumwechsels gerade erst informationstechnisch hochgerüstet und warten die Amortisierung ihrer Investitionen ab. (kh)

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