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Wie Social Media uns krank macht – und wie wir uns schützen können

Steffen Zellfelder ist freier Diplom-Journalist (FH) aus Bonn. Als Experte für Trends und Themen aus den Bereichen Software, Internet und Zukunftstechnologie konzentriert er sich auf die Schnittstelle zwischen Mensch und IT.
Facebook, TikTok, Instagram: Soziale Medien können Depressionen auslösen und uns krank machen. Hier lesen Sie, woran das liegt und wie Sie sich schützen.
Foto: metamorworks - shutterstock.com

Angefangen hat es eigentlich ganz harmlos, zumindest in Deutschland. Unser erstes soziales Netzwerk war das StudiVZ (Launch 2005) und sein Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Das Anlegen persönlicher Profile, die Suche nach Bekannten oder das Erstellen von Foto-Alben waren derart beliebte Funktionen, dass die Nutzerzahlen rasch nach oben kletterten - satte 16 Millionen User hatte die Plattform in ihren besten Zeiten - eine echte Erfolgsgeschichte.

Vielleicht auch ein Omen, denn obwohl sich das StudiVZ neben Konkurrenten wie Facebook am Ende nicht behaupten konnte und im März letzten Jahres endgültig eingestellt wurde, hat es uns doch eines klar bewiesen: die gewaltige Sogwirkung von Social Media. Und die ist bis heute ungebrochen: Laut Statista nutzen rund 4,9 Milliarden Menschen auf der Welt das Internet - und davon sind ganze 4,6 Milliarden regelmäßig in sozialen Netzwerken aktiv. Das sind rund 94 Prozent - also praktisch jeder.

Kein Wunder, dass sich Berichte und Studien mehren, die negative Auswirkungen von Facebook, Twitter und Instagram dokumentieren. Depressionen, soziale Isolation oder Gefühle von Angst und Einsamkeit sind bei exzessiver Social-Media-Nutzung keine Seltenheit und betreffen Nutzer jeden Alters und jeder sozialen Schicht. Welche Gefahren der mentalen Gesundheit heute in sozialen Netzwerken drohen und wie Sie sich davor schützen, lesen Sie hier.

Brennpunkt Social Media: Diese Gefahren drohen

Worüber man früher schon viel mutmaßte, ist heute praktisch Fakt: Social Media kann krank machen - und in vielen Fällen tut es das auch. Das wird von zahlreichen internationalen Untersuchungen belegt. Eine aktuelle Studie dazu stammt beispielsweise aus dem Journal of Affective Disorders Reports (Dezember 2022). Wenn Sie die nicht komplett lesen wollen, dann fassen wir zwei wichtige Erkenntnisse der Forscher mal zusammen:

  1. Social Media kann unabhängig von individuellen Persönlichkeitsmerkmalen zu Depressionen führen.

  2. Interventionen sollten in jedem Fall darauf abzielen, die Häufigkeit zu reduzieren, mit der Betroffene soziale Medien konsumieren.

Na prima, ist der Fall damit schon gelöst? Jeder kann Schaden nehmen und wir sollten Browser und Apps einfach etwas früher schließen, dann wird schon alles gut? Leider kann man die Problematik nicht so pauschal eindampfen, dafür ist das Thema dann doch zu komplex. Sehen wir uns einmal an, auf welche Weise Twitter, Facebook und Co. uns krank machen können.

Ständiges Vergleichen mit anderen schadet der Psyche

Es ist vielleicht das Kernproblem: Bei sozialen Medien geht es ja immer darum, anderen Auszüge aus dem eigenen Leben zu präsentieren. Respekt, Anerkennung und sozialen Status erhält man dann abhängig davon, wie geschickt man sich inszeniert und wie bewundernswert - oder sogar beneidenswert - die eigenen Posts im Feed von Freunden und Followern erscheinen. Konsumenten solcher Meldungen kommen dann aber gar nicht darum herum, sich mit den aufgebauschten und mitunter professionell in Szene gesetzten Lebensinhalten anderer zu vergleichen. War mein letzter Urlaub auch so toll? Könnte ich mir so ein Auto leisten? Bin ich auch so schön?

Selbst wenn man einige dieser Fragen mit Ja beantworten könnte, kann allein die wirkungsmächtige Inszenierung solcher Meldungen ein anderes Bild im Kopf entstehen lassen. Von negativen Begleiterscheinungen fehlt in solchen Posts ja jede Spur. Wenn sich darunter dann auch noch viele Likes und Kommentare sammeln, wirken die Meldungen auf unserem sozialen Radar umso beneidenswerter - und das eigene Leben umso öder und leerer.

"The Facebook Files" - Die ignorierte Gefahr

Etwa drei Milliarden Menschen loggen sich allein auf den Plattformen von Mark Zuckerberg regelmäßig ein: Das sind Facebook, Instagram und WhatsApp. Dass die virtuellen Leben so vieler Menschen dem Willen eines einzelnen CEOs ausgeliefert sind, macht Kritiker schon lange unruhig. Spätestens seit die Whistleblowerin Frances Haugen in 2021 mit brisanten internen Dokumenten an die Öffentlichkeit trat, muss man den Skeptikern wohl recht geben: Dass nämlich besonders Jugendliche auf Instagram psychisch Schaden nehmen, war demnach intern längst bekannt.

Die im Rahmen der sogenannten "Facebook Files" veröffentlichten Dokumente und Studien (die wohlgemerkt direkt von Facebook bzw. Meta stammen) zeichnen ein ernüchterndes Bild. Sie dokumentieren nicht nur, dass es rund einem Drittel der Jugendlichen, die bereits mit psychischen Krankheiten zu kämpfen haben, nach der Instagram-Nutzung mental noch schlechter geht und dass dabei Zwänge entstehen, sich anzupassen und gesellschaftlichem Druck zu folgen. Sie zeigen vor allem auch, dass sich der Konzern dieser negativen Auswirkungen und Risiken längst bewusst war - das aber wohl weitgehend ignoriert hat.

Dass Facebook-Posts zur Gewalt in Entwicklungsländern beitragen, dass die Plattform großzügig Falschinformationen verbreitet und systematisch Posts verteilt, die bei Nutzern besondere Wut auslösen, wusste man intern demnach schon längst. Auch dass Beiträge mit Inhalten zu Magersucht oder Fotos von Selbstverletzungen vom Facebook-Algorithmus gezielt an junge Nutzer verteilt wurden, geht aus den Dokumenten hervor.

Doomscrolling

Das "Doomscrolling" bezieht sich nicht primär auf soziale Medien, es tritt dort aber auch auf. Eigentlich bezeichnet der Begriff den übermäßigen und geradezu zwanghaften Konsum schlechter Nachrichten mit gesundheitsschädlichen Folgen. Historisch kann man solche Affinität für schlechte Nachrichten gut erklären: Für den Urmenschen war es oft überlebenswichtig, Gefahren und potenziellen Risiken die größtmögliche Aufmerksamkeit zu schenken. Banal gesagt: Das Knurren eines Säbelzahntigers durften unsere Ahnen nicht ignorieren.

Das Phänomen spielt dann auch noch mit einer weiteren menschlichen Eigenart zusammen, nämlich der "Negativen Voreingenommenheit". Dieser psychische Mechanismus veranlasst uns, vom Konsum schlechter Nachrichten stärker negativ beeinflussen zu werden, als uns positive Meldungen beglücken. Selbst wenn man also genauso viele gute wie schlechte Nachrichten liest, entsteht ein negativer Einfluss auf das mentale Wohlbefinden.

Das lässt sich ziemlich direkt auf die Newsfeeds in sozialen Medien übertragen, auch wenn es da nicht primär um klassische Nachrichten geht. Wenn wir einen Post negativ interpretieren, etwa weil wir das Gefühl haben, der Poster führt ein schöneres oder erfolgreicheres Leben als wir selbst, hat mehr Freunde oder eine bessere Figur, dann handelt es sich für das Unterbewusstsein durchaus um eine negative Nachricht.

Aufgrund unserer tief verankerten Affinität für negative Nachrichten neigen wir dann aber dazu, solchen Meldungen gezielt zu folgen. Weil Content-Filter und intelligente Algorithmen in sozialen Medien uns dabei auch noch behilflich sind, verschlimmert sich das Problem noch.

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