Wirbel um IT-Shops bei BP: Media-Saturn prüft rechtliche Schritte

08.05.2003
Der Vorstoß des Ölmutis BP in den IT-Handel sorgt für Wirbel: Während sich die Kunden auf das kommende Angebot freuen, fürchten Händler und Wettbewerber die neue Konkurrenz. Allerdings dürfte BP bei der Umsetzung seines IT-Shop-Konzeptes auf Schwierigkeiten stoßen: Der 24-Stunden-Verkauf von ITK-Ware ist auch an Tankstellen nicht erlaubt.

Wenn es nach dem Ölkonzern BP geht, wird die Tankstelle bald zum Shoppingcenter: Getränkemärkte, Snackbars und Lottoannahmestellen wurden vielerorts bereits erfolgreich etabliert. Nun soll getestet werden, ob die Kunden auch IT- und Multimediaprodukte annehmen. Wenn sie es tun, könnten in letzter Konsequenz bundesweit mehr als 500 "BP-Express-Shopping-Stationen" mit kleinen IT-Shops ausgerüstet werden. Den Kunden freut es: Denn an diesen Tankstellen wären dann nicht nur Verbrauchsmaterialen und DVDs, sondern auch höherwertige Hardware wie Digitalkameras, PDAs und Notebooks rund um die Uhr verfügbar (siehe ComputerPartner 16/03, Seite 10).

Händler befürchten neuen Aldi-Effekt

Noch ist das Szenario zwar die reinste Zukunftsmusik, dennoch sorgt die Ankündigung der "Testphase zwei", bei der 15 Tankstellen mit den kleinen Shops ausgerüstet werden sollen, bereits für viel Wirbel im Markt. Gerade weil BP keine persönliche Beratung anbieten will und voraussetzt, dass die Kundschaft ein gewisses Know-how mitbringt, befürchten viele Händler einen neuen "Aldi-Effekt". So auch Hergt Hermann, Geschäftsführer vom HCS Computerservice in Aibling: "DieKunden lassen sich erst von uns beraten und kaufen dann doch bei einem Billigheimer ein." Da belebe die neue Konkurrenz das Geschäft leider nicht - im Gegenteil: "Man kann für die verlorene Zeit ja nicht mal eine Beratungsgebühr erheben, sonst kommt der Kunde garantiert nie wieder." Den Fachhändlern bleibt nur die Hoffnung, dass der Kunde wiederkommt, wenn es Probleme gibt - denn auch BP bietet wie die meisten Fremdanbieter in diesem Fall nur eine Hotline an. Aldi, Lidl und jetzt auch BP: Da fragt sich der HCS-Geschäftsführer, wo eigentlich der Aufschrei der IT-Verbände bleibt: "Es wird Zeit, dass jeder wieder in seine Schranken gewiesen wird. Was würde Aldi wohl machen, wenn ich einen Lastwagen voller Milch vor seinem Laden verhökern würde?"

Vobis freut sich über neue Mitbewerber

Als einer der wenigen reagiert Vobis-Chef Jürgen Rakow gelassen auf die BP-Strategie: "Wir freuen uns über jeden neuen Wettbewerber", versichert er. Mit der Zahl der Anbieter steige schließlich auch die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit für IT-Produkte, meint der Manager. Und: "Wenn BP IT- und Multimedia für sich als weiteres Standbein entdeckt hat, ist das für mich in Ordnung. Jeder sollte selber wissen, welches Geschäftsmodell für ihn das richtige ist und wodurch er sich von der Konkurrenz abheben kann."

Die Mehrheit seiner Kollegen sieht das allerdings anders. Offiziell möchte man sich entweder gar nicht äußern oder wünscht BP sogar "alles Gute". Inoffiziell ärgern sich die künftigen Konkurrenten aber grün: "Seit Jahren gibt es Kämpfe um die Lockerung des Ladenschlussgesetzes. Und BP darf alles rund um die Uhr anbieten, nur weil der Shop in einer Tankstelle ist? Dann stellen wir uns eben auch eine Zapfsäule vor die Tür, und das Problem hat sich", so einer der befragten Manager.

IT-Produkte sind kein Reisebedarf

Keine schlechte Idee. Oder? "Tankstellen können durchgehend geöffnet sein. Während der üblichen Ladenöffnungszeiten ist grundsätzlich auch der Verkauf jedweder Artikeln erlaubt", erklärt Armin Busacker, Geschäftsführer des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE). Zu fortgeschrittener Stunde schiebt das Ladenschlussgesetz dem Einkaufsspaß aber einen Riegel vor: Nach 20 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen dürfen auch 24-Stunden-Tankstellen neben Betriebsstoffen nur noch Reisebedarf verkaufen.

Und was man unter Reisebedarf versteht, ist im Gesetz klar geregelt: Nämlich Zeitungen, Zeitschriften, Straßenkarten, Stadtpläne, Reiselektüre, Schreibmaterialien, Tabakwaren, Schnittblumen, Reisetoilettenartikel, Filme, Tonträger, Bedarf für Reiseapotheken, Reiseandenken, Spielzeug geringeren Wertes sowie Lebens- und Genussmittel in kleineren Mengen. "Ein darüber hinausgehender Verkauf während der Ladenschlusszeiten ist an Tankstellen nicht erlaubt", macht Busacker deutlich. Für BP würde das heißen, die DVDs dürfen auch abends im Regal bleiben, der Toner für den Drucker und die Digitalkamera nicht.

Soweit die Theorie. Die Praxis sieht anders aus, wie Busacker einräumt: "Die Einhaltung und Überwachung des Verkaufs an Tankstellen während der üblichen Ladenschlusszeiten ist meist abhängig von der jeweiligen örtlichen Situation und insbesondere, inwieweit sich der betroffene örtliche Einzelhandel durch überhand nehmende nicht zulässige Verkäufe im Wettbewerb tangiert fühlt." Auch komme es darauf an, inwieweit die Ordnungsbehörden von sich aus die Einhaltung der Vorschriften kontrollieren. Mit anderen Worten: "Wo kein Kläger, da kein Richter."

Ladenschlussgesetz: Verstöße werden teuer

Wer sich erwischen lässt, dem droht allerdings Ärger: Nachgewiesene Verstöße gegen das Ladenschlussgesetz werden zunächst mit Bußgeld geahndet. Wenn sich die Fälle wiederholen und somit System dahinter steckt, handelt es sich um Wettbewerbsverstöße, und betroffene Konkurrenten können so genannte Unterlassungsansprüche geltend machen.

Das geltende Recht ist für die Händler jedoch kein Trost: "Zwei Kisten Bier sind auch kein Reisebedarf, und ich kriege sie abends trotzdem noch an der Tankstelle. Die Kontrollen sind gleich Null", meint ein Münchener Anbieter. "Die kleineren Händler und Systemhäuser hätten es finanziell doch auch gar nicht im Kreuz, sich mit einem solch großen Konzern anzulegen."

In diesem Fall fühlen sich aber auch die Großen auf den Schlips getreten. So will jetzt die Media-Saturn-Holding GmbH die BP-Strategie genau unter die Lupe nehmen, wie Bernhard Taubenberger, Leiter Unternehmenskommunikation, bestätigt: "Wir haben erhebliche Zweifel und prüfen daher gegenwärtig, ob der Verkauf von IT-Produkten in Tankstellenshops rechtlich zulässig ist. Nach Abschluss der Prüfung behalten wir uns weitere Schritte vor."

www.bpdeutschland.de

ComputerPartner-Meinung

Mit bundesweit mehr als 500 möglichen Standorten würde BP mit einem Schlag zu einer großen IT-Kette avancieren. Dennoch dürften auch weiterhin DVDs und Verbrauchsmaterialien die Bestseller bleiben: Dass sich ein Kunde an der Tankstelle quasi im Vorbeigehen ein Notebook mitnimmt, ist doch eher unwahrscheinlich. Zumal sich die Preise am Markt und nicht am Aldi-Level orientieren sollen. (mf)

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