Social Networks und die neue Kommunikations-Technologie bringen neben zahlreichen Vorteilen auch Belastungen mit sich, die noch kaum öffentlich wahrgenommen werden. Darauf macht die australische Forscherin Melissa Gregg vom Institut für Gender and Cultural Studies an der University of Sydney aufmerksam. Sie untersuchte Menschen aus Kommunikationsberufen, die zumindest teilweise zuhause arbeiten. "Menschen rufen ihre E-Mails teils rund um die Uhr ab und glauben, nie ihr virtuelles Büro zu verlassen", berichtet die Studienautorin.
Greggs Untersuchungen fanden in den vergangenen drei Jahren statt, zeitgleich mit der Etablierung der Social Networks wie etwa Facebook und Twitter. Bisher würden die meisten Menschen diese Plattformen als Teil der Freizeitbeschäftigung sehen, in die man sich eher außerhalb der regulären Arbeitsstunden einklinkt. "Speziell für in Büros tätige Menschen sind sie jedoch schon Teil des Berufs geworden. Dieser Wandel ist in den meisten Fällen ohne jede Diskussion geschehen, was das für die Arbeitsbelastung bedeutet", so die Forscherin.
E-Mails vom Bett aus
Doch selbst viele der Interviewten bezeichneten das Abrufen und Versenden von Nachrichten von zuhause aus nicht als Arbeit. Diese Vorgänge würden oft auch noch nachts im Bett oder vor sechs Uhr morgens vor dem Aufwachen der Kinder geschehen, damit man sich in den Bürostunden der "richtigen Arbeit" widmen könne. "Besonders Eltern in Teilzeit-Anstellung halten die E-Mail-Zugänge an ihren arbeitsfreien Tagen offen. Sie tun das, um am Ball zu bleiben und um Kontakte mit Vollzeit-Anstellung nicht unnötig aufzuhalten."
Die Folge dieses Verhaltens sei eine Zunahme versteckter und unbezahlter Arbeit zuhause. "Da Frauen häufiger in Teilzeit oder von zuhause aus arbeiten, verschärft sich somit die ungleiche Bezahlung noch zusätzlich", so Gregg. Stress und Beunruhigung sei bei vielen der Befragten festzustellen, außerdem seien Eltern aufgrund der neuen Kommunikationsformen oft zu abgelenkt oder zu erschöpft, um sich zuhause den Kindern zu widmen. "Einige haben Angst, die Kinder könnten Internet-süchtig werden, dabei zeigten sie selbst alle Anzeichen dafür. Da die Tätigkeiten mit der Arbeit zu tun haben, werden sie nicht als Problem gesehen", so Gregg.
Kein individuelles Problem
Grundbotschaft der australischen Forscherin ist es, die Situation als strukturelles Problem zu erkennen. "Die meisten halten es für ihr eigenes Versäumnis, dass sie nicht mit der Technik und mit der gestiegenen Menge an zu bewältigender Kommunikation gleichzeitig zurecht kommen. Doch das Problem zieht sich quer durch alle Branchen. Daher sollte man es als Problem erkennen, das auf der Strukturebene bewältigt werden sollte, statt die Mitarbeiter zu individuellen Lösungen zu zwingen", betont die Forscherin. (pte/rw)