Ohne monetäre Investionen läuft nichts

12.10.1998

MÜNCHEN: "Wir verkaufen grundsätzlich nur an autorisierte Vertriebspartner, die sich auf den Verkauf und den Support unserer Lösungen spezialisiert haben. Sie sind in der Lage, die Bedürfnisse des Kunden zu erkennen und auch zu befriedigen. Hierzu ist es absolut erforderlich, daß der Partner neben dem spezifischen DV-Wissen auch Know-how in den Bereichen Konstruktion und Produktion aufweisen kann, dazu kommt noch, daß die Partner am erfolgreichsten sind, die die Kundenbedürfnisse zum Beispiel im Zuge eines Consultings am besten verstehen und umsetzen."Henry Parrey, Geschäftsführender Gesellschafter der Wiesbadener Acadis GmbH, bringt es auf den Punkt: Wer mit CAD Geld verdienen möchte, muß nicht nur etwas von Bits und Bytes, von Hard- und Software verstehen. So ist es denn auch verständlich, daß Systemhäuser und VARs aus dem CAD-Umfeld nicht nur Informatiker und DV-Spezialisten beschäftigen, sondern auch Maschinenbauingenieure auf der Payroll haben, die Erfahrung in Konstruktion und Fertigung aufweisen.

"Wer heute im CAD-Markt bestehen und wachsen will, muß sowohl über Vertriebsexpertise als auch über technisches Know-how verfügen, denn oftmals geht es weniger um den Verkauf von Einzelplatzlizenzen, sondern meistens um eine Gesamtlösung und deren Einbindung in ein Unternehmensnetzwerk. Zudem ist Branchen-Know-how heute unerläßlich, um die Bedürfnisse der Kunden zu kennen und zu verstehen", nennt Jörg Kurowski, Leiter Industrie Sales bei Autodesk GmbH in München, die Grundvoraussetzungen für den erfolgreichen CAD-Vertrieb.

Norbert Urmetzer, Geschäftsführer der Mönchengladbacher Ziegler Informatics GmbH, pflichtet ihm bei: "Wichtigste Voraussetzung ist für mich, daß die Händler allgemeine Branchenkenntnisse besitzen und sich ständig über aktuelle Entwicklungen auf dem laufenden halten. Dazu gehört beispielweise auch ein fundiertes Wissen über branchentypische Prozeßketten und Abläufe, um Ihren Kunden mögliche Rationalisierungspotentiale aufzuzeigen und diese umzusetzen. Dienstleister sein zu wollen, ist ein umfassender Anspruch. Echte Dienstleistung läßt sich nicht nebenbei abwickeln. Nur dann kann sie als Wertsteigerungsfaktor betrachtet werden. Selbstverständlich müssen auch dabei die Infrastrukturen und organisatorischen Voraussetzungen beim Händler geschaffen werden, um die Dienstleistung als eigenes Geschäftsfeld im eigenen Unternehmen fest zu etablieren."

Der Einstieg in den CAD-Markt ist für den Händler oder VAR immer auch mit Kosten verbunden. Dabei schlägt nicht nur der Erwerb von Demo- oder Vorführsystemen zu Buche, sondern auch eine qualifizierte technische und vertriebliche Ausbildung.

Wer zum Beispiel die Produkte der HP-Tochter Cocreate GmbH in Böblingen vermarkten möchte, kann sich über den Wiesbadener Distributor Acadis GmbH autorisieren lassen.

"Das Verfahren ist relativ einfach, aber nicht ohne Hürden", warnt Geschäftsführer Parrey IT-Händler, die CAD mal eben so nebenbei verkaufen möchten. "Voraussetzung für Einsteiger ist die Teilnahme an speziellen Trainings, damit auch die Qualität der Endkundenberatung gewährleistet ist", erläutert Parrey das von Cocreate vorgegebene Verfahren. Mindestens 1.500 Mark kostet die Schulung für das CAD-2D-Produkt "ME 10". Wer die EDM-Lösung "Workmanager" verkaufen möchte, muß mindestens 3.000 Mark locker machen. Hierbei handelt es sich um Minimalkosten. Erfahrungsgemäß reicht ein Einführungsseminar bei weitem nicht aus, um erfolgreich CAD zu verkaufen und vor allem auch Support leisten zu können. Da kommt schnell ein Vielfaches der zuvor genannten Beträge zusammen.

Auch bei Autodesk ist eine Autorisierung und der Nachweis bestimmter Kenntnisse Grundvoraussetzung für eine Partnerschaft. Jörg Kurowski:

"Im Interesse unserer Kunden setzen wir auf einen sehr qualifizierten Handelskanal, der Interessenten im Vorfeld und Anwender auch nach dem Kauf entsprechend betreut. Daher autorisieren wir geeignete Wiederverkäufer für den Verkauf unserer Produkte über eine technische und vertriebliche Ausbildung. Im Zuge unserer Marktstrategie, in der wir uns verstärkt auf die vertikalen Märkte Architektur/Bauwesen, Mechanik, Geografische Informationssysteme sowie Visualisierung und Animation ausrichten, werden auch unsere Händler für das jeweilige Marktsegment entsprechend ausgebildet und sind dadurch berechtigt, unsere Produkte für das jeweilige Segment zu verkaufen."

Nicht alle Hersteller bilden ihre (potentiellen) Partner nur gegen Zahlung mehr oder weniger hoher Seminargebühren aus. Ziegler-Chef Urmetzer geht einen anderen Weg bei der Auswahl seiner Händler: "Die wichtigste Zertifizierungsvoraussetzung bei uns ist, daß mindestens ein Mitarbeiter des Händlers ausschließlich für den Vertrieb von Caddy-Lösungen zur Verfügung steht. Dieser Mitarbeiter sollte Branchenkenntnisse mitbringen und die kostenlos von uns angebotenen Produkt- und Vertriebsschulungen zu seiner Weiterbildung nutzen. Wichtig ist natürlich auch, daß der Händler sich bewußt ist, daß vertrieblicher Erfolg von ständiger Kommunikation und Abstimmung mit uns als Hersteller abhängig ist."

CAD-Vertrieb - lohnt sich das?

Auch der CAD-Markt bleibt von den üblichen Preiskämpfen nicht verschont. Beim Ringen um Marktanteile und Lizenzen bleiben die Margen - wie fast überall - auf der Strecke, wie auch Rainer Pörtner, Marketingleiter bei Cocreate, betont: "Ich sehe für das klassische Lizenzgeschäft in den nächsten Jahren kaum Wachstums- oder gute Ertragsmöglichkeiten. Dieses Geschäft ist sicherlich tot." Eine Einzelmeinung, ein zu düsteres Bild, das über den CAD-Markt gezeichnet wird? Beileibe nicht!

Urmetzer mußte ähnliche Erfahrungen machen: "Dem kann ich nur zustimmen: Der Konkurrenzkampf wird insgesamt immer härter. Der Markt wird zunehmend enger, denn das Potential für Erstinstallationen reduziert sich. Das Ablösegeschäft hingegen nimmt zu. Wichtige Systemvoraussetzungen sind dabei zum Beispiel die Übernahme vorhandener Daten und die Integration von CAD/CAM in Unternehmensprozesse. Das ist eine Herausforderung für alle Systemanbieter. Manche Hersteller gehen neue Vertriebswege, forcieren den Direktvertrieb; andere erzwingen Installationen um jeden Preis - teilweise mit über 50 Prozent Nachlaß auf den Listenpreis. Da viele Anwender mittlerweile ihre ersten Erfahrungen mit CAD/CAM gemacht haben, wissen sie heute viel besser, was machbar ist und was sie wollen. Gleichzeitig haben sich die Produkte teilweise extrem weiterentwickelt und erfordern ein entsprechendes Know-how."

Etwas positiver klingt die Einschätzung von Autodesk. "Wir können dieses Statement nicht generell bestätigen", macht Jörg Kurowski seinen Geschäftspartnern Mut. "Wenn sich ein VAR mit Schwerpunkt auf den Vertrieb von Standardlösungen konzentriert, sind sicherlich hohe Umsätze mit reduzierten Margen zu erwarten. Liegt der Fokus auf dem Lösungsgeschäft mit individuell angepaßten und anspruchsvollen Softwarelösungen sind hier in der Regel wesentlich höhere Margen möglich."

Tips zur Erhöhung der Erträge

Bleibt die Frage, was VARs und Händler tun können, um noch vernünftige Margen zu erzielen. Wenn selbst der Verkauf so erklärungsbedürftiger Produkte wie CAD-Software nicht mehr ausreichend Geld in die Kassen spült, kann ein vernünftiges Einkommen nur noch mit Dienstleistungen erreicht werden. Dazu Urmetzer: "Unsere Empfehlung ist, das Applikations-Know-how aufzubauen und den Vertrieb als eine Beratungsleistung zu verstehen, die weit mehr als nur das reine CAD/CAM-Produkt beinhaltet. Ich nenne hier nur drei Stichworte: Prozeßorientierung, Integration, Dienstleistung. Durch Angebote wie Installation, Integration in vorhandene DV-Strukturen, Datenübernahme, Schulung, ständige Betreuung, spezifische Zusatzentwicklungen und so weiter läßt sich dem Produkt auf diese Weise ein Mehrwert hinzufügen. Wichtig ist natürlich auch, gezielt professionelle Branchenlösungen anzubieten und keine universellen Alleskönner, keine Spielzeuge oder Exoten." Kurowski sieht das ähnlich: "Wir halten eine konsequente Ausrichtung und Spezialisierung für unbedingt notwendig. Nur so kann sich ein Händler oder ein Systemhaus als kompetenter Anbieter von Lösungen bei seinen Kunden qualifizieren, indem er einfach auch bedarfsorientierte Dienstleistungen anbieten kann. Natürlich zählt auch ein aktiver und innovativer Vertrieb dazu."

Hersteller setzen auf indirekten Kanal

Fast alle Hersteller suchen händeringend nach VARs, um vor allem im Mittelstand und bei kleinen Unternehmen mehr Umsatz zu generieren, und gehen mit interessanten Partnerprogrammen und Rabattstrukturen auf Brautschau.

Iris Rademacher, Unternehmenssprecherin der IBM Informationssysteme GmbH in Stuttgart, rührt denn auch kräftig die Werbetrommel: "Wir arbeiten schon seit langer Zeit intensiv mit Partnern zusammen. Anders als bei vielen unserer direkten Mitbewerber, die fast ausschließlich auf den Direktvertrieb setzen, nimmt der Umsatz unserer Partner mehr als 50 Prozent unseres Gesamtumsatzes ein. Durch zahlreiche Maßnahmen wie die Weitergabe von Leads oder gemeinsame Veranstaltungen fördern wir das Geschäft unserer Partner."

Noch größere Anteile am Umsatz des Herstellers haben die VARs von Autodesk und Cocreate. Während bei "Autodesk der Umsatzanteil der autorisierten Händler traditionell bei 100 Prozent" liegt, wie Marketingleiter Ralph Lingmann versichert, wickeln die Böblinger 65 Prozent des Geschäfts über ihre Partner ab. (uk)

Acadis-Chef Parrey: "Der Partner muß neben spezifischem DV-Wissen auch Know-how in den Bereichen Konstruktion und Produktion

aufweisen."

Autodesk-Manager Kurowski: "Wer im CAD-Markt bestehen und wachsen will, muß sowohl über Vertriebsexpertise als auch technisches Know-how verfügen."

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