Interview mit Thomas Knorr, Vorstandsvorsitzender Knorr Capital Partner AG

26.08.1999

MÜNCHEN: Das Going-public-Fieber in Deutschland ist ungebrochen. Beinahe täglich vermeldet der Neue Markt eine weitere Neuemission. ComputerPartner-Redakteurin Susann Naumann sprach mit Thomas Knorr, Vorstandsvorsitzendem der Knorr Capital Partner AG, über Chancen und Risiken am Neuen Markt.

Die Goldgräberstimmung am Neuen Markt ist vorbei, viele Neuemissionen und auch die Entwicklung zahlreicher Börsenkurse sind eher ernüchternd. Lohnt sich ein Engagement am Neuen Markt dennoch?

KNORR: Für ein Unternehmen, das selbständig bleiben will, bleibt eigentlich nur der Gang an die Börse, um sich Kapital zu beschaffen. Insofern lohnt es sich immer. Die Frage stellt sich vielmehr für die Anleger. Denn im Gegensatz zu den Anfängen hat sich jetzt die Lage am Neuen Markt normalisiert. Von daher sollte man sich vorher schon genau informieren, in welches Unternehmen man investiert.

Wie wird sich der Neue Markt in den kommenden Monaten entwickeln?

KNORR: Was die Anzahl der Börsengänge betrifft, erwarten wir noch einen heißen Herbst. So werden noch etwa 40 bis 50 Unternehmen ihr Debüt am Neuen Markt geben. Das ist eine tolle Entwicklung, wenn man bedenkt, daß zum Jahresende 1998 nur 63 Firmen notiert waren. Und auch langfristig haben wir in Deutschland im Vergleich zu den USA weiterhin einen hohen Nachholbedarf. Erst wenn hierzulande 200 Börsengänge jährlich über die Bühne gehen, normalisiert sich der Markt.

Sie haben den Neuen Markt von Anfang an mitverfolgt. Hat Sie die Entwicklung überrascht?

KNORR: Angenehm überrascht hat uns die Geschwindigkeit, mit der sich der Neue Markt entwickelt hat. Etwas bedenklich finden wir den Ausleseprozeß, der dort stattfindet. Denn ob eine Börsenzulassungsstelle die richtige Instanz ist, um das Innovationspotential eines Unternehmens zu beurteilen, ist fraglich.

Woran liegt es, daß im Moment sehr viele Börsenkurse unter ihrem Ausgabepreis notieren?

KNORR: Das ist nicht unbedingt ein Problem einzelner Werte, sondern eher des Gesamtmarktes. So hat der Neue Markt im Vergleich zu seinem Höchstwert derzeit um rund 25 Prozent verloren. Außerdem ist es für einen Börsenteilnehmer extrem wichtig, sich medienwirksam zu präsen- tieren. Wir haben beobachtet, daß viele Firmen, die derzeit unter Ausgabepreis notieren, ihre Öffentlichkeitsarbeit sträflich vernachlässigt haben und jetzt darunter leiden müssen, daß man sie nicht kennt.

Zwar nicht unter Ausgabepreis aber dennoch nicht berauschend stellt sich derzeit der Kurs von Hancke & Peter dar. Haben Systemhäuser wie dieses langfristig Chancen am Neuen Markt?

KNORR: Ja. Aber es kommt immer darauf an, auch ohne eigene Produkte eine attraktive Value-Added-Strategie aufzubauen. Bei Hancke & Peter beispielsweise kann man das gut sehen. Und was den Kurs betrifft: Nach der hohen Erstnotierung war eine Konsolidierung zwangsläufig.

Welchen Firmen mit welchem Produktportfolio räumen Sie generell die besten Chancen am Neuen Markt ein?

KNORR: Hoch im Kurs stehen derzeit Produkte und Services rund um E-Commerce, wobei die Produkte in diesem Bereich einer unglaublich hohen Umschlaggeschwindigkeit unterliegen: Glaubt man heute, ein marktführendes Produkt im Shop-Bereich zu haben, dauert es gar nicht lange, bis ein anderer ein besseres Produkt hat. Attraktiver scheint uns daher die Strategie zu sein, auf den Community-Bereich zu setzen. So wie beispielsweise bei Ricardo.de. Ein interessanter Ansatz kommt derzeit auch aus der Schwulen-Szene mit dem Gayforum.de - ein sehr seriöses Business-Konzept.

Thomas Knorr, Vorstandschef Knorr Capital Partner AG: "Hoch im Kurs stehen E-Commerce-Aktien."

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