Wirtschaftlichkeitsgebot beschränkt Ersatzpflicht

Abschleppkosten zu hoch? Keine Zahlungspflicht



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Das unberechtigte Abstellen eines Fahrzeugs auf einem Kundenparkplatz stellt eine Besitzstörung beziehungsweise eine teilweise Besitzentziehung dar und erlaubt ein Abschleppen des Fahrzeugs.

Der u.a. für Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus Besitz und Eigentum an Grundstücken zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass Falschparker dem Besitzer der Parkfläche keine unangemessen hohen Abschleppkosten erstatten müssen. Darauf verweist der Limburger Fachanwalt für Verkehrsrecht Klaus Schmidt-Strunk, Vizepräsident des VdVKA - Verband deutscher VerkehrsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf die Mitteilung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 4.7.2014 zu seinem Urteil vom selben Tage, Az. V ZR 229/13.

Die Ersatzpflicht eines Falschparkers wird rechtlich durch das Wirtschaftlichkeitsgebot begrenzt. Er hat nur diejenigen Aufwendungen zu erstatten, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Besitzers der Parkflächen machen würde.
Die Ersatzpflicht eines Falschparkers wird rechtlich durch das Wirtschaftlichkeitsgebot begrenzt. Er hat nur diejenigen Aufwendungen zu erstatten, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Besitzers der Parkflächen machen würde.
Foto: Monika Wisniewska - Fotolia.com

Der Fall: Der Pkw des Klägers war unberechtigt auf dem als solchen gekennzeichneten Kundenparkplatz eines Fitnessstudios in München abgestellt worden. Dessen Betreiberin beauftragte die Beklagte aufgrund eines mit dieser abgeschlossenen Rahmenvertrags mit dem Entfernen des Fahrzeugs. Hierfür war ein Pauschalbetrag von 250 Euro netto vereinbart. Die aus dem unberechtigten Parken entstandenen Ansprüche gegen den Kläger trat die Betreiberin des Studios an die Beklagte ab.

Bekanntgabe des Standorts

Die Beklagte schleppte das Fahrzeug ab. Später teilte sie der Ehefrau des Klägers telefonisch mit, der Standort des Pkw werde bekannt gegeben, sobald ihr der Fahrzeugführer benannt und der durch das Abschleppen entstandene Schaden von 250 Euro beglichen werde. Der Kläger ließ die Beklagte anwaltlich auffordern, ihm den Fahrzeugstandort Zug um Zug gegen Zahlung von 100 Euro mitzuteilen. Dem kam die Beklagte nicht nach. Daraufhin hinterlegte der Kläger 120 Euro bei dem Amtsgericht. Die Beklagte verweigerte weiterhin die Bekanntgabe des Standorts des Fahrzeugs und bezifferte den von dem Kläger zu zahlenden Betrag mit 297,50 Euro. Sodann hinterlegte der Kläger weitere 177,50 Euro. Die Beklagte teilte ihm danach den Standort des Fahrzeugs mit.

Der Kläger hält den von der Beklagten geforderten Betrag für zu hoch. Das Amtsgericht hat im Ergebnis entschieden, dass der Kläger von den Abschleppkosten nur 100 Euro zu tragen hat und dass die Beklagte ihn von seinen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 703,80 Euro freistellen muss. Das Landgericht hat die vom Kläger zu tragenden Abschleppkosten im Ergebnis auf 175 Euro abgeändert und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Auf die Revisionen beider Parteien hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass der Kläger von der Beklagten nicht verlangen kann, von seinen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten freigestellt zu werden. Hinsichtlich der konkreten Höhe der von dem Kläger zu tragenden Abschleppkosten hat er die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Bisherige Rechtsprechung bestätigt

Der Senat bestätigt damit seine bisherige Rechtsprechung. Das unberechtigte Abstellen von Fahrzeugen auf einem Kundenparkplatz stellt eine Besitzstörung bzw. eine teilweise Besitzentziehung dar. Diese darf der Besitzer der Parkflächen im Wege der Selbsthilfe beenden, indem er das Fahrzeug abschleppen lässt. Hiermit kann er schon im Vorfeld eines Parkverstoßes ein darauf spezialisiertes Unternehmen beauftragen. Die durch den konkreten Abschleppvorgang entstandenen Kosten muss der Falschparker erstatten, soweit sie in einem adäquaten Zusammenhang mit dem Parkverstoß stehen.

Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören nicht nur die reinen Abschleppkosten, sondern auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs entstanden sind, etwa durch die Überprüfung des unberechtigt abgestellten Fahrzeugs, um den Halter ausfindig zu machen, das Anfordern eines geeigneten Abschleppfahrzeugs, das Prüfen des Fahrzeugs auf Sicherung gegen unbefugtes Benutzen, dessen Besichtigung von Inneren und Außen und die Protokollierung etwa vorhandener Schäden.

Nicht zu erstatten sind hingegen die Kosten für die Bearbeitung und außergerichtliche Abwicklung des Schadensersatzanspruchs des Besitzers, weil sie nicht unmittelbar der Beseitigung der Störung dienen. Auch Kosten für die Überwachung der Parkflächen im Hinblick auf unberechtigtes Parken muss der Falschparker nicht ersetzen; ihnen fehlt der Bezug zu dem konkreten Parkverstoß, denn sie entstehen unabhängig davon.

Die Ersatzpflicht des Falschparkers wird durch das Wirtschaftlichkeitsgebot begrenzt. Er hat nur diejenigen Aufwendungen zu erstatten, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Besitzers der Parkflächen machen würde. Maßgeblich ist, wie hoch die ortsüblichen Kosten für das Abschleppen und die unmittelbar mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs verbundenen Dienstleistungen sind. Regionale Unterschiede sind zu berücksichtigen. Dies wird das Landgericht durch Preisvergleich, notfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu klären haben.

Vorgerichtliche Anwaltskosten werden nicht ersetzt

Ein Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten steht dem Kläger nicht zu. Denn im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts hatte der Kläger den geschuldeten Schadensersatzbetrag weder gezahlt noch hinterlegt. Solange dies nicht geschehen war, stand der Beklagten an dem Fahrzeug ein Zurückbehaltungsrecht zu, so dass sie sich nicht im Verzug mit der Fahrzeugrückgabe befand.

Schmidt-Strunk empfiehlt, in derartigen Fällen rechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auch auf den VdVKA - Verband deutscher Verkehrsrechtsanwälte e. V. (www.vdvka.de) verweist.

Weitere Informationen und Kontakt: Klaus Schmidt-Strunk, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Familienrecht und für Verkehrsrecht, Vize-Präsident des VdVKA - Verband Deutscher Verkehrsrechtsanwälte e. V., Siemensstr. 26, 65549 Limburg, Tel.: 06431 22551, E-Mail: rechtsanwalt@schmidt-strunk.de, Internet: www.schmidt-strunk.de

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