Nichtanwendungserlasse in der Kritik

"Abteilung Propaganda und Agitation" macht weiter wie bisher

03.09.2009
Steuerpflichtige werden nach wie vor ungleich behandelt, sagen die Steuerexperten von SH+C.

Immer wieder weist das Bundesfinanzministerium die Finanzämter an, bestimmte Entscheidungen der Finanzgerichte in anderen, gleich gelagerten Fällen nicht anzuwenden. Die vom Bundesfinanzminister immer wieder gerne so titulierte "Abteilung Propaganda und Agitation" seines Ministeriums verwahrt sich nun gegen den Vorwurf, das Ministerium würde mit dieser Praxis das Gebot rechtstaatlichen Verhaltens verletzen. In fünf Punkten setzt sich das Ministerium mit der Kritik auseinander:

- "Der Bundesfinanzhof ist nicht das Bundesverfassungsgericht: Die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) binden nur die am Rechtsstreit Beteiligten. Nur eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat allgemeinverbindliche Wirkung."

Das ist zwar so weit richtig, allerdings entscheiden die Gerichte bei gleicher Sach- und Rechtslage nur äußerst selten gegen die Präzedenzentscheidungen des Bundesfinanzhofs. Und daher kann jeder Steuerzahler vor Gericht mit guten Erfolgsaussichten die gleiche Behandlung wie im Präzedenzfall erwarten, womit die Finanzverwaltung so steht, als hätte sie das Urteil gleich wie vom Steuerzahler gewünscht angewendet. Allerdings ist eine Klage vorm Finanzgericht

mit einigem Aufwand verbunden und erfordert einen Kostenvorschuss, der auch bei einer Klagerücknahme nicht erstattet wird. Der Nichtanwendungserlass führt also zu einer Ungleichbehandlung, weil nur die Steuerzahler mit genügend Geduld und Geld zu dem für sie günstigeren Recht kommen.

- "Das Bundesministerium der Finanzen entscheidet nicht allein, sondern im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder."

Dieses Argument führt natürlich zu der Frage, inwieweit ein Nichtanwendungserlass dadurch besser wird. Auch die Begründung, ein Erlass diene einzig dazu, dem BFH Gelegenheit zu geben, in einem neuen Verfahren seine Rechtsauffassung zu überprüfen, wirft Fragen auf. Zwischen den Zeilen kann man aus dieser Begründung jedenfalls die Überzeugung herauslesen, in der Finanzverwaltung säßen die kompetenteren Juristen als am Bundesfinanzhof.

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