Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstößt zum Teil gegen das Europarecht

22.05.2007
Von Dr. Christian

Brisant ist in dem Zusammenhang vor allem, dass der Gesetzgeber das AGG nur zwei Monate nach Inkrafttreten aufgrund eben dieser Regelung in § 2 Abs. 4 AGG nachgebessert hatte. Mit Wirkung zum 12.12.2006 strich der Gesetzgeber "still und heimlich" die bis dahin bestehenden Regelungen in § 10 S. 3 Nr. 6 und Nr. 7 AGG, und zwar mit der Begründung, dass diese beiden Regelungen in Hinblick auf § 2 Abs. 4 AGG überflüssig seien. Der § 10 S. 3 Nr. 6 AGG sah bis zu diesem Zeitpunkt eine Rechtfertigungsmöglichkeit für eine unterschiedliche Behandlung von Mitarbeitern vor, sofern im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 3 S. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) in Bezug auf das Alter eine Sozialauswahl durchzuführen ist. Der § 10 S. 3 Nr. 7 AGG erlaubte bis dahin individual- oder kollektivrechtliche Vereinbarungen zur Unkündbarkeit von Arbeitnehmern, soweit diese eine bestimmte Altersgrenze erreicht haben. Mit Streichung der beiden Regelungen in § 10 S. 3 Nr. 6 und Nr. 7 AGG wollte der Gesetzgeber untermauern, dass das AGG entgegen dem EU-Recht auf arbeitsrechtliche Kündigungen nicht anwendbar ist. In Anbetracht der Tatsache, dass dem Gesetzgeber die entgegenstehende Rechtslage im Europarecht eigentlich bekannt gewesen sein musste, kann aber weder die Regelung in § 2 Abs. 4 AGG selbst und schon gar nicht die auf dieser Regelung beruhende Nachbesserungsaktion im Dezember 2006 nachvollzogen werden.

Diese Widersprüche sind vom ArbG Osnabrück nun aufgegriffen worden. Soweit ersichtlich, hat das ArbG Osnabrück als erstes Arbeitsgericht die Regelung in § 2 Abs. 4 AGG für europarechtswidrig erklärt. In dem zu beurteilenden Fall ging es um betriebsbedingte Kündigungen eines deutschen Automobilherstellers. Dieser hatte sich zuvor im Rahmen eines Sozialplans und eines Interessenausgleichs mit dem Betriebsrat darüber geeinigt, mehr als 600 Arbeitsplätze abzubauen. Um den Anstieg des Durchschnittsalters der Arbeitnehmer in dem Betrieb zu verhindern, fasste der Automobilhersteller - entsprechend einer bislang gängigen Praxis - die Mitarbeiter in Altersgruppen zusammen und sprach in jeder Gruppe gegenüber einem bestimmten Prozentsatz von Mitarbeitern eine Kündigung aus. Das ArbG Osnabrück erkannte jedoch in dieser Vorgehensweise eine Diskriminierung älterer Arbeitnehmer, weil ohne diese Altersgruppierung letztlich weniger ältere Arbeitnehmer gekündigt worden wären. Das ArbG Osnabrück wandte damit das AGG entgegen der ausdrücklichen Regelung in § 2 Abs. 4 AGG auf einen arbeitsrechtlichen Kündigungssachverhalt an und erklärte diejenigen Kündigungen für rechtswidrig, die vor dem Arbeitsgericht angegriffen worden sind.

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