Datenautobahn aus der Steckdose

10.05.2000
Um ins Internet zu kommen, braucht man in jeden Fall einen Telefonanschluss. Und diese Verbindung lässt sich zumindest auf den letzten Metern die Telekom teuer bezahlen. Kein Wunder also, dass sich Internet-Anbieter für neue Techniken interessieren.

Um kostengünstig ins Internet zu gelangen gibt, es mehrere Lösungen. Eines haben aber alle gemeinsam: Für den Upstream, das bedeutet eine Datenübertragung vom Anwender zum Provider, ist immer noch der gute alte Telefonanschluss zuständig. Das Telefonnetz, obwohl mit Steuergeldern aufgebaut, gehört der Telekom. Und die kassiert bei jedem Anschluss kräftig mit. Denn kein anderes Netz ist in Deutschland so flächendeckend vorhanden wie das Telefonnetz. Um die Kosten zu verringern, suchen die Internet-Anbieter nach neuen Lösungen. Ein Ansatz ist zum Beispiel, für die Übertragung der Daten vom Provider zum Anwender das Kabelnetz zu nutzen. Dieses Netz ist zwar nicht ganz so flächendeckend verlegt wie die Telefonkabel, bietet aber dank Hochfrequenztechnik entscheidende Vorteile bei der Übertragungsrate. Dummerweise lässt das Kabelnetz den Datentransfer aber nur in einer Richtung zu, nämlich zum Anwender. Für den Upstream ist dann nach wie vor das Telefonkabel zuständig. Einen Ausweg aus diesem Dilemma soll Powerline bieten.

Was ist Powerline?

Es ist nämlich noch ein weiteres wirklich flächendeckendes Netz in Deutschland zu finden. Denn es gibt wohl keinen Haushalt mehr, der nicht am öffentlichen Stromnetz angeschlossen ist. Und auf dieses hat die Telekom keinen Anspruch. Mit Hilfe von Powerline wollen die großen Energieanbieter eine Möglichkeit schaffen, per Stromkabel ins Internet zu gelangen. Die Zukunftsvision ist ja auch wirklich verlockend: Von jedem Stromanschluss weltweit kann man dann einfach und schnell ins World Wide Web gelangen. Kein Wunder, wenn die großen Stromkonzerne eine sehr gute Marktchance für Powerline sehen.

Dabei ist die Idee gar nicht einmal neu. Schon in der Vorkriegszeit wurden Daten über die Stromleitung geschickt. Damals dienten sie zum Beispiel zum Ein- und Ausschalten der elektrischen Straßenbeleuchtung. Auch heute werden die Straßenlaternen immer noch zentral gesteuert ein- und ausgeschaltet. Nur dient jetzt nicht mehr die Stromversorgungsleitung als Datenweg. Wegen der starken Störungen auf diesen Leitungen sind die Betreiber schon längst auf parallel zur Versorgungsleitung verlegte Glasfaserkabel umgestiegen.

Auch das in den achtziger Jahren erstmals vorgestellte Babyphon nutzt zur Sprachübertragung die vorhanden Stromleitungen im Haus. Während die Übertragung eines Babyphons aber bereits durch starke Verbraucher, wie beispielsweise einen Mikrowellenherd, gestört werden kann, arbeiten Powerline-Geräte mit noch höheren Frequenzen und sind deshalb störungsunempfindlich.

Der Sinn von Powerline liegt außerdem nicht darin, Daten über weite Entfernungen per Stromkabel zu transportieren. Hier liegen bereits die Glasfasernetzwerke der großen Internet-Anbieter. Eigentliche Aufgabe von Powerline ist die Überbrückung der "letzten Meile", sprich die Entfernung zwischen Hausanschluss und Internet-Provider.

Powerline kann noch mehr

Neben der reinen Datenübertragung lassen sich mit Powerline auch Sprache, Faxe und Video übermitteln. Die Übertragung erfolgt dabei symmetrisch, das heißt in beide Richtungen dieselbe Datentransferrate von zur Zeit ungefähr 3 Mbit pro Sekunde. Damit ist Powerline rund 30-mal schneller als ein ISDN-Kanal. Die tatsächlich erreichbare Übertragungsrate hängt stark von den physikalischen Gegebenheiten ab. Theoretisch sind Raten von mehr als 100 Mbit pro Sekunde möglich.

Aber hier muss man Einschränkungen machen: Während bei der Telefonleitung eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung aufgebaut wird, müssen sich mit Powerline mehrere Teilnehmer einen Knotenpunkt teilen. Eine intelligente Software (Bandbreiten-Management) sorgt zwar dafür, dass möglichst immer die höchstmögliche Datenrate ausgenutzt wird, jedoch kann es zu Engpässen kommen. Die derzeit mögliche Übertragungsrate von 3 Mbit pro Sekunde reduziert sich bei zehn Anwendern dann auf etwa 300 Kilobit pro Sekunde. Werden es mehr Teilnehmer, sinkt die Rate noch weiter ab.

Der Vorteil bei dieser Shared Medium genannten Lösung liegt in den geringeren Kosten - sie ist einfach wirtschaftlicher.

Mit der hausinternern Verkabelung hat der Anwender aber noch weitere Vorteile: Auf einfache Weise lassen sich mit Powerline Geräte fernsteuern, ohne dass neue Kabel verlegt werden müssen. Und das Schöne daran: Man kann die Geräte von jeder beliebigen Steckdose aus weltweit ein- oder ausschalten. Vielleicht kennen Sie die Fernseh-Werbung mit Götz George, der seine Putzfrau im Klappbett einschließt? Mit Powerline ist das heute schon möglich und keine Zukunftsvision mehr.

So funktioniert Powerline in der Praxis

Zusätzlich zum Strom müssen die vorhandenen Leitungen auch Datensignale übermitteln. Hierzu sind spezielle Geräte notwendig, die außerhalb des Hauses zur Überbrückung der "letzte Meile" den Strom in den jeweiligen Ortsnetztrafostationen und die Datensignale zusammenbringen. Im Haus selbst werden dann so genannte Adapter eingesetzt, um die Datensignale wieder herauszufiltern und den jeweiligen Anwendungen, zum Beispiel Telefon/Internet, zuzuführen. Dabei wird jedes Gerät im Haus eindeutig durch eine IP-Adresse identifiziert. Prinzipiell können an jeder x-beliebigen Steckdose im Haus beliebig viele Endgeräte vernetzt werden. Ob es sich dabei um ein Telefon, ein Faxgerät oder einen PC handelt, ist völlig egal. Derzeit erlaubt die Technik maximal 1.024 Endgeräte pro Haushalt.

Reichweite und Störanfälligkeit

Im Outdoor-Bereich (Entfernung zwischen Haus und Trafostation) können, wie umfangreiche Tests gezeigt haben, ungefähr 300 Meter ohne zwischengeschalteten Verstärker überbrückt werden. Im Indoor-Bereich lassen sich Entfernungen zwischen 70 und 100 Meter bewältigen. Mit zwischengeschalteten Verstärkern kann man diese Entfernungen ohne Probleme noch erhöhen.

Dank digitaler Übertragung und eingesetzter Hochleistungschips sind Powerline-Geräte längst nicht so störanfällig wie beispielsweise Babyphone. Hier reichte bereits das Einschalten des Mikrowellenherdes, um den Datentransfer zu beeinträchtigen.

Feldversuche

Das Schweizer Unternehmen Ascom hat in Deutschland und der Schweiz mehrere Feldversuche erfolgreich abgeschlossen. Zur Zeit laufen in elf europäischen Ländern, Singapur und Hongkong 16 weitere Versuchsreihen, um die unterschiedlichsten technischen und topografischen Bedingungen zu testen. Laut Aussage von Ascom sind alle Ergebnisse dieser Versuche höchst positiv verlaufen. Für Frühjahr 2001 plant das Unternehmen, seine Technik gemeinsam mit den Energieversorgungsunternehmen am Markt anzubieten. Damit soll Deutschland eines der ersten Länder sein, in denen Powerline zur Realität wird.

Kein Vorteil ohne Nachteil

So schön die Visionen der Energieversorger auch klingen: Einen Nachteil hat die "alte" und jetzt wieder neu entdeckte Datenstrecke doch zu bieten. Jeder redet inzwischen vom Elektrosmog. Damit sind die vielfältigen elektromagnetischen Felder gemeint, denen wir tagtäglich ausgesetzt sind. Die werden sich mit Powerline noch weiter vervielfachen. Denn jeder Meter Leitung wirkt als Antenne. Und je höher die eingespeiste Frequenz ist, desto leichter wird sie abgestrahlt.

Noch keine internationalen Normen

Betrachtet man ein Haus mit seinen vielen Kabelsträngen, kann man sich leicht ausmalen, was bei den hohen Frequenzen von Powerline an Störfeldern im Haus umhergeistern wird.

Zur Zeit gibt es noch keine internationalen Normen, die diese Störstrahlung begrenzen. Als einziges Land hat Deutschland im Juli 2000 eine Rechtsverordnung verabschiedet, welche die Grenzwerte in und um den Leiter festlegt. Das "Inkrafttreten" dieser Verordnung wurde aber auf den 1. Juli 2003 verschoben, um Nachrüstungen für bereits bestehende Kabelanlagen, wie zum Beispiel xDSL-Systeme, zu ermöglichen. (jh)

Hintergundinformation

Die Zukunft von Powerline

Das Schweizer Unternehmen Ascom beschäftigt sich schon seit mehreren Jahren mit Powerline. Nach erfolgreichen Feldversuchen will Ascom auf der nächsten Cebit das System der Öffentlichkeit vorstellen. Und im Mai 2001 sollen die ersten Geräte bereits zu haben sein.

Ascom baut dabei Geräte für die so genannten Niederspannungskabel. Die befinden sich zwischen dem Ortstransformator und den einzelnen angeschlossen Häusern. Hier arbeiten die Geräte mit einer Hochfrequenzleistung um die zehn Milliwatt und zwischen 1 bis 10 MHz. Auch für die Verbindung im Haus stellt Ascom Geräte her, die ebenfalls 10 mW Leistung in die Leitung einspeisen. Der Frequenzbereich liegt im Haus zwischen 15 und 30 MHz. "Dieser Bereich lässt die geringsten Störungen erwarten", erläutert Marcel Graber, Leiter Marketing und Verkauf von Ascom, ComputerPartner.

Graber strebt einen Endkundenpreis von etwa 340 Mark für den einzelnen Anschluss bei zehn Häusern á fünf Parteien an. Jedes Endgerät mit einer Datenübertragungsrate (USB-Anschluss) von 0,8 Mbit pro Sekunde und einem a/b-Wandler soll dann noch einmal mit etwa 250 Mark zu Buche schlagen. Im Jahr 2003 sollen diese Geräte nur noch etwa faustgroß sein, und der Preis soll halbiert werden.

Durch den a/b-Wandler lassen sich dann auch noch ältere Geräte, wie beispielsweise Faxgeräte und Telefone direkt an Powerline ankoppeln.

"Da das gesamte bereits im Haus liegende Stromnetz nun auch Datenübertragen verwendet werden kann", so Graber, "wird es insgesamt günstiger, auf Powerline umzusteigen, als eine neue Verkabelung zu verlegen. Denn das Stromnetz lässt sich intern dann auch als Netzwerk nutzen." Graber sieht mit Powerline eine gewaltige neue Industrie auf uns zukommen, die neue Märkte erschließen wird. (jh)

www.ascom.com/plc

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