Gerichtsvollzieher heillos überlastet

Der "Kuckuck" stürzt ab



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Aufgaben eines Gerichtsvollziehers

Die Hauptaufgabe der Gerichtsvollzieher/-innen bestand und besteht in der Durchsetzung von Geldforderungen des Gläubigers gegen den Schuldner, auch durch Pfändung beweglicher Gegenstände. Zwangsräumungen fallen ebenso in sein Ressort wie Zustellungen und die Abnahme von Vermögensauskünften. Eine der neuen Aufgaben ist z. B. die Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis, ein Vorgang, der sich zeitintensiv und kompliziert gestaltet und der früher Sache der Amtsgerichte war. Auch die Abfragen bei anderen Behörden (s. o.) ist schwierig und zeitaufwändig. Und noch längst nicht überall sind die technischen Voraussetzungen für die elektronische Abfrage, die an die Stelle der Abfrage auf dem postalischen Wege treten sollte, geschaffen. U. a., weil dies Ländersache ist.

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Überlastung allerorten - und nicht erst seit gestern

"Für viele Rechtsdienstleister war das Inkrafttreten eines neuen Gesetzes im Bereich der Zwangsvollstreckung bereits Anfang 2013 mehr als überfällig. Auch wenn Neuerungen Zeit eingeräumt werden muss, damit sie umgesetzt werden können, war schnell klar, dass das wohlmeinende neue Gesetz in der Praxis weit hinter den Erwartungen zurückbleibt", so Drumann. "Die Neuerungen brachten das Gegenteil von dem, was sie bewirken sollten. Statt die Arbeit der Gerichtsvollzieher einfacher, effektiver und schneller zu machen, trat genau das Gegenteil ein: das Aufgabengebiet erweiterte sich, und allein durch die Abfrage bei anderen Behörden wurde die bis dato schon grenzwertige Bearbeitungsdauer eines Vollstreckungsauftrages auf ein unerträgliches Maß ausgedehnt."

"Haben wir bereits im Jahr 2013 bei den Fällen, wo wir auf Grund zu langer Bearbeitungsdauer (meist mehr als 4 Monate) die Dienstaufsicht eingeschaltet haben, im Gegensatz zu 2012 einen Anstieg um 309 % verzeichnet, so ergibt sich in 2015 ein Anstieg von 490 % im Vergleich zu 2012. Tendenz für 2016: noch steigend. Die von diesem Umstand betroffenen Amtsgerichte sind über das ganze Land verteilt."

Unzumutbare Zustände für Gläubiger und Gerichtsvollzieher - den Schuldner freut's

"Die Effekte des erheblichen Mehraufwands auf die Bearbeitungszeit von Vollstreckungsaufträgen werden dadurch verschärft, dass die Ausbildung neuer Gerichtsvollzieher bereits viel zu lange vernachlässigt worden ist", meint Drumann. "Schon vor der Einführung des Reformgesetzes hatten die Gerichtsvollzieher arg zu 'strampeln'. Hoher Krankenstand war und ist die Folge. Die Arbeit bleibt liegen, weil niemand da ist, der die Vertretung übernehmen kann. In der Zwischenzeit wächst der 'Rückstandsberg'. Kommt ein Gerichtsvollzieher genesen zurück, ist die Arbeit kaum aufzuholen, ganz zu schweigen von neuen Fällen und dem Mehraufwand durch das neue Gesetz. Erneuter Ausfall ist absehbar. Darüber hinaus wurde von Seiten der Verantwortlichen weder der sich immer weiter verschlechternden Zahlungsmoral hierzulande Rechnung getragen noch wurden auf der Hand liegende Fakten wie das normale altersbedingte Ausscheiden von Personal beachtet. Jeder Unternehmer, der so arbeiten würde, wäre schon längst bankrott. Und von alle dem profitiert nur einer: der Schuldner! Der Gläubiger guckt in die Röhre, wenn ihm nicht vorher die Puste ausgeht. Das ist keinem Mandanten mehr wirklich zu vermitteln", so Drumann ärgerlich.

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