Sandra S. ist aufgeregt. Nach ihrer Weiterbildung zum Wirtschaftsfachwirt ist sie einen Schritt auf der Karriereleiter emporgestiegen. Die 27-Jährige hat die Firma gewechselt. Heute ist ihr erster Arbeitstag bei einem großen Handelsunternehmen.
Zwar überwiegt bei der gelernten IT-Kauffrau die Freude auf den neuen Job, aber beim ersten Auftritt am neuen Arbeitsplatz gilt es, Fettnäpfchen zu umschiffen, wie Karriere-Expertin Simone Stargardt weiß. Die 39-jährige Geschäftsführerin einer Privatakademie hält Business-Knigge-Workshops und kennt die Fallstricke beim Jobstart.
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"Es sind oft Kleinigkeiten, die einen schlechten ersten Eindruck hinterlassen", erklärt die Betriebswirtin, die früher bei einem Lebensmitteldiscounter arbeitete und neben berufsbegleitenden Fortbildungslehrgängen auch Schulungen speziell für die Einzelhandelsbranche anbietet. Stargardt empfiehlt vor allem jungen Berufsstartern, sich auf die gute Kinderstube zu besinnen. Wer unpünktlich, übermüdet oder ungepflegt erscheint, hätte bereits beim ersten Kontakt mit Chefs und Kollegen einen dicken Malus, der später nur schwer wieder gutzumachen sei.
Beim Einstand Zurückhaltung feiern
Gut gemeint, kann es völlig daneben gehen, wenn der Neue am ersten Tag im Büro gleich seinen Einstand feiert. "Als Chefin wäre ich eher entsetzt", sagt Stargardt, vor allem wenn dann noch Alkohol ausgeschenkt wird. Das ist in manchen Firmen sogar grundsätzlich verboten. Deshalb sollten sich die Einsteiger Zeit lassen, sich einleben und beobachten, wie die Unternehmenskultur gelebt wird. Etwa, wenn jemand Geburtstag hat, ob Kuchen mitgebracht oder ein Sekt ausgeschenkt wird.
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Sandra S. hat es sich noch einfacher gemacht und schlicht ihre Kollegin gefragt: "Sag mal, wie wird der Einstand hier gehandhabt?" Daraufhin hat sie am Freitag zur Mittagspause zwei Salate, ein paar Ciabattas und Säfte mitgebracht.
Vorstellung bei den neuen Kollegen
Während Jüngere gerne in die Lässigkeitsfalle tappen oder sich zu schüchtern mit "Hallo ich bin die Neue, haha…" geben, so erwischen ältere Jobwechsler den falschen Ton, indem sie zu selbstbewusst auftreten und signalisieren, dass sie alles kennen, schon mal gemacht haben und keiner ihnen etwas vormachen kann.
Trotzdem sei eine forsche Begrüßung besser als gar keine, meint Stargardt. "Den dicksten Bock schießt der ab, der nicht grüßt, wenn er seinen neuen Kollegen vorgestellt wird", verdeutlicht die Trainerin. Um allerdings gleich zu warnen, nicht jedem Arbeiter oder Anzugträger beim ersten Betriebsrundgang die Hand hinzustrecken. Das käme zu aufdringlich an, so die Personalexpertin.
Ebenso gilt es, mit Vorsicht herauszufinden, wie in der neuen Firma die persönliche Ansprache ist. Auch, wenn sich alle Kollegen untereinander duzen, rät Stargardt zum formalen "Sie" – zumindest so lange, bis der Hinweis kommt, dass sich alle mit "Du" anreden.
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Dresscode und Styling
Bereits als sie nach dem Bewerbungsgespräch ihren damals noch potentiellen Arbeitskollegen vorgestellt wurde, hat sich Sandra S. auch den Dresscode angeschaut. Am ersten Tag im neuen Job trägt die brünette Frau ein schlichtes Kostüm, hat ihre Haare hochgesteckt und dezent Make-up aufgetragen. "Am ersten Tag nie underdressed kommen", empfiehlt Stargardt, denn Sakko und Krawatte sind schnell ausgezogen. Aber man fühlt sich selbst verunsichert, wenn man als einziger krawattenlos ist.
"Beim Start etwas zurückhaltender beim Styling zu sein, ist der richtige Weg", erklärt die Business-Trainerin. Je nachdem was Kollegen tragen und wie die Firmenkultur ist, können später Kleidung und Accessoires verändert werden. Genauso verhält es sich mit Piercings und Tattoos. "Bei kreativen Berufen oder im Handwerk ist das Tragen und Zeigen von Körperschmuck oft unproblematischer als in einer Bank", erläutert Stargardt.
Fettnäpfchen vermeiden
Für Sandra S. sind diese Hürden kein Problem. Allerdings beobachtet die Jobwechslerin bei der Vorstellungsrunde mit anderen Kollegen, die ebenfalls im Unternehmen starten, dass nicht alle richtig zuhören, als die Personalchefin Infos zum Mittagessen in der Kantine gibt. Für Mitarbeiter gelten interne, günstigere Preise. Bringen Sie Gäste mit, müssen diese den regulären Preis zahlen.
Als ein Teilnehmer am Ende des Vortrags der Personalfrau nachfragt, ob denn der interne Preis auch für Besucher gelte,, merkt Sandra S. an der genervten Reaktion ihrer Vorgesetzten, dass der Neue soeben Kredit verspielt hat, weil er nicht aktiv zuhört.
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Stargardt nennt noch andere Fettnäpfe. Etwa, dumme Fragen zu stellen, die kein Chef gerne am ersten Arbeitstag hört. Zum Beispiel: "Wie lange dauert‘s denn heute?", "Wann habe ich frei?", "Wann habe ich Urlaub?" oder "Wann wird eigentlich mein Gehalt überwiesen?"
- Der Über-Versprecher
Speziell in Situationen, in denen immenser Druck herrscht, neigen manche Mitarbeiter dazu, alle möglichen, absurden Versprechungen zu machen. Entweder um Aufmerksamkeit zu erringen oder um dem Vorgesetzten beziehungsweise dem Management zu gefallen. Versprechungen machen ist immer einfach, aber wenn das Mega-Projekt dann eben nicht in den versprochenen zweieinhalb Wochen abgeschlossen ist, ist das ungünstig. <br><br/> Alexander Maasik empfiehlt: "Wenn es ein Teammitglied gibt, das am laufenden Band falsche Versprechungen gibt, von denen bereits vorher klar ist, dass sie unmöglich einzuhalten sind, sollten Sie seine Worte nicht mehr für bare Münze nehmen. Wenn Sie können, verlängern Sie den Zeitrahmen und/oder erhöhen Sie Budget oder Ressourceneinsatz, um Engpässe in anderen Bereichen kompensieren zu können." - Der Verantwortungsschieber
Dann gibt es diese Kollegen, die das Collaboration-Prinzip der geteilten Verantwortung auf ihre ganz eigene Weise interpretieren. Getreu dem Motto: "Die anderen werden es schon richten." Experte Maasik rät in einem solchen Fall dazu, dem betreffenden Mitarbeiter eine definierte Rolle und spezifizierte Verantwortlichkeiten im Team zuzuweisen. Alternativ könnten Sie den Verantwortungsschieber auch fragen, ob es Bereiche gibt, die ihn besonders interessieren. Eventuell könnten Sie so seine Leistungs-Leidenschaft neu entflammen. <br><br/> "Manchmal können Sie solche Leute motivieren, indem Sie ihnen Führungsverantwortung übertragen oder ihnen die Verantwortung für ein bestimmtes Gebiet/Thema übertragen, das ihnen am Herzen liegt. Sollte betreffender Kollege allerdings für ausschweifende Arbeitsunlust bekannt sein, hilft unglücklicherweise nur, ihn (oder sie) im Auge zu behalten und sich wenn nötig an höhere Instanzen zu wenden." - Der Fremdfeder-Connoisseur
Es ist nur menschlich, nach Wertschätzung und Anerkennung zu streben. Aber einige Menschen übertreiben das in einem Ausmaß, dass sie fast schon selbst daran glauben, wenn sie sich fälschlicherweise die Erfolge anderer zuschreiben. <br><br/> Maasik: "Leider nimmt der Enthusiasmus dieser Leute rasant ab, wenn es darum geht, die Verantwortung für Misserfolge zu übernehmen. Um solchen Entwicklungen entgegenzuwirken, empfiehlt es sich, genau festzuhalten, wer für welchen Part der Projektarbeit zuständig ist. So können auch alle Beteiligten sehen, wer welchen Beitrag leistet. Sollte jemand auf das Einheimsen von Lorbeeren bestehen, stellen Sie sicher, dass derjenige auch im Fall des Misserfolgs sein Fett abbekommt." - Der Makel-Magnat
Nicht führt die Team-Moral schneller und geradliniger in den Abgrund, als einer, der ständig nur kritisiert, auf Fehler "hinweist" oder sich über jeden Aspekt eines Projekts nur beschwert. Egal, ob es um Zuständigkeiten, Workloads oder die Strategie geht, der Makel-Magnat hat einfach immer was zu meckern. <br><br/> "Dieses Verhalten ist absolutes Gift für das Teamwork. Diese Leute verbringen mehr Zeit damit, sich zu beschweren, als mit der Erfüllung ihrer Aufgaben. Der beste Weg solche Menschen zu handlen: 1. Ignorieren Sie das Gemecker, 2. Geben Sie ihm so viel Verantwortung, dass er (oder sie) keine Zeit mehr hat rumzujammern." - Der Aussteiger
Manche Leute arbeiten besser alleine. Ist auch gar kein Problem. Außer es handelt sich um Personen, die in Team-Projekte eingebunden sind. Dann könnte jemand, der Anweisungen aus Prinzip ignoriert und affin für Alleingänge ist, das ganze Projekt auf's Spiel setzen. <br><br/> Deswegen empfiehlt auch Alexander Maasik, solche Leute lieber aufs "Abstellgleis" zu befördern: "Finden Sie einen Bereich im Projekt, an dem ein solcher Mitarbeiter alleine arbeiten oder sich selbst verwirklichen kann. So holen Sie das Maximum an Produktivität aus diesem Kollegen heraus und stellen gleichzeitig sicher, dass der Rest des Teams intakt bleibt."
Der perfekte Einstand gelinge hingegen, wenn neue Mitarbeiter freundlich lächelnd und offen auf ihre Kollegen zugehen und sich aktiv vorstellen – ohne die Hand hinzustrecken. "Erst, wenn einem diese vom Gegenüber gereicht wird, darf man zugreifen und schütteln", sagt Stargardt mit einem Augenzwinkern.
Interesse und Pünktlichkeit
Wer in den ersten Gesprächen gut ankommen will, sollte zudem Interesse am Arbeitsgebiet der Kollegen zeigen, indem er aufgeweckt, viele offene Fragen stellt. Geht es dann an den eigenen Arbeitsplatz, sollten Neue engagiert zu Werke gehen und zeigen, dass ihnen das Umfeld und die Arbeit gefallen, sowie Hilfsbereitschaft signalisieren.
Grundsätzlich gilt bei Geschäftsterminen, also auch am ersten Arbeitstag, Pünktlichkeit. "In Deutschland bedeutet das bis zu 15 Minuten vorher da zu sein", sagt die Chefin. Bei internen Meetings reichen allerdings fünf Minuten aus.
Sandra S. hat wie die meisten ihrer Kollegen ihren ersten Arbeitstag gut überstanden. Rundgang, Einführungsrunde und der Empfang aller Arbeitsunterlagen ging glatt. Ihre freundliche Art kam bei Chefs und Kollegen gut an.
Jedes Unternehmen hat eigene Prozesse
Wer gleich am ersten Arbeitstag Verbesserungen vorschlägt, ist bei den neuen Kollegen und Chefs schnell untendurch. Jedes Unternehmen hat seine eigenen Prozesse. Mit eigenen Entscheidungswegen und komplexen Strukturen, die Neulinge wahrscheinlich nicht einmal nach einem Monat komplett durchschauen. Sätze wie: "Ich kenne das aber anders – in meiner alten Firma haben wir das so und so gemacht", manövrieren ins Abseits. Engagement zu signalisieren und anpacken zu wollen ist super – Kritik am Arbeitgeber in den ersten Tagen jedoch völlig unangebracht.
Lesetipp: Feedback-Gespräch - Wenn Sie der Chef kritisiert
Sandra S. hat, wie die meisten ihrer Kollegen, ihren ersten Arbeitstag gut überstanden. Rundgang, Vorstellung bei den neuen Kollegen und der Empfang aller Arbeitsunterlagen ging glatt. Ihre freundliche Art kam bei Chefs und Kollegen gut an.
Persönliche Kontakte aufbauen
Unsicherheit am ersten Arbeitstag gehört dazu. Trotzdem empfiehlt Stargardt, sich von Tag eins an zu zeigen und den persönlichen Kontakt zu suchen. Besser, als eine Frage per E-Mail zu stellen, sei zum Telefon zu greifen oder im Büro der Kollegen vorbeizuschauen. "So entstehen Kontakte, die vielleicht bei der nächsten Projektarbeit von Vorteil sind", argumentiert die Expertin. Auch in den Pausen sollten Neue sich nicht separieren. "Wer gemeinsam mit Kollegen Mittagessen geht, erfährt beim Small Talk viel über sie und das Unternehmen."