Nach dem missglückten Führungswechsel

Expert übt sich in Bescheidenheit



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".
Kurz vor Abschluss des Geschäftsjahrs 2018/19 zeichnen sich bei Expert Umsatzrückgänge ab. Die neue Führung der Verbundgruppe will dem mit einer maßvollen Weiterentwicklung des Angebots begegnen.
Die neue Expert-Führung: Frank Harder, Stefan Müller und Gerd-Christian Hesse
Die neue Expert-Führung: Frank Harder, Stefan Müller und Gerd-Christian Hesse

Nicht mehr das vom langjährigen Vorstandsvorsitzenden Volker Müller propagierte trotzige Festhalten am Status quo, aber auch nicht die von seinem nur kurz amtierenden Nachfolger Jochen Ludwig in Aussicht gestellte Neuausrichtung: Die neue Expert-Führung um Vorstandschef Stefan Müller setzt stattdessen auf eine maßvolle Weiterentwicklung des bestehenden Angebots. Das machte sie bei der traditionellen Pressekonferenz am Rande der Expert Frühjahrstagung in Hannover deutlich.

Zur neuen Bescheidenheit gehörte zunächst ein ungeschminkter Blick auf die durchwachsene Geschäftsentwicklung: Zum Ende des zurückliegenden Kalenderjahres - drei Monate vor Abschluss des Expert-Geschäftsjahrs 2018/19 am 31. März - lag die Verbundgruppe beim Umsatz 1,4 Prozent unter dem Vorjahr. Während das Geschäft mit Haushaltsgeräten leicht zulegen konnte, verlief die Entwicklung in wichtigen Sortimentsbereichen wie IT und Telekommunikation klar rückläufig. "Die Geschäfte laufen nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir liegen deutlich unter Plan", räumte Müller unumwunden ein.

Zu den Gründen für die enttäuschende Entwicklung erklärte der seit Ende 2018 amtierende Vertriebs- und Marketingvorstand Frank Harder, Expert habe seine Hausaufgaben nur bedingt gemacht: "Vor allem bei der Schnelligkeit, die richtige Ware zum richtigen Preis und zum richtigen Zeitpunkt zum Kunden zu bringen, hat es bei Expert zuletzt gefehlt." Die Verbundgruppe werde weiterhin auf wertige Angebote setzen, doch müsse man künftig auch das Bedürfnis der Kunden nach Waren im unteren Bereich des Preisspektrums stärker berücksichtigen.

"Wir haben in der Vergangenheit einiges versäumt"

Neben der Preis- und Sortimentsthematik stellte die Expert-Führung vor allem drei Schwerpunktthemen in den Mittelpunkt: das weitere Erschließen von Online-Potenzialen, eine gezieltere Kundenansprache sowie ein besseres Service- und Dienstleistungsangebot. Während die Fachhandelskette bisher Servicestärke kategorisch als ihre Domäne beanspruchte, hinterfragte Harder nun: "Welche Service-Dienstleistungen haben wir unseren Kunden überhaupt zu bieten?" Als eine dringende Baustelle machte der Expert-Vorstand dabei das Thema Smartphone-Services aus, die künftig von den angeschlossenen Händlern entweder in Eigenregie oder in Kooperation mit Dienstleistern wie Phone Service Center angeboten werden sollen. Allerdings sei das schon längst kein Alleinstellungsmerkmal mehr, räumte Harder ein. "Das ist eine Aufholjagd. Wir suchen dafür nun in unserer Organisation die vorhandenen Ressourcen und führen diese zusammen. Wir hoffen, dass sich daraus Ideen entwickeln lassen, welche Services wir in Zukunft on top anbieten können." Expert habe sich zu lange auf seinen Verdiensten ausgeruht, gab auch Vorstandschef Müller zu: "Wenn man noch Potenziale hat, dann hat man in der Vergangenheit wohl etwas versäumt."

Nach dem Abgang von Jochen Ludwig Ende 2018 amtiert Stefan Müller als Vorstandsvorsitzender von Expert
Nach dem Abgang von Jochen Ludwig Ende 2018 amtiert Stefan Müller als Vorstandsvorsitzender von Expert

Ähnlich offen adressierte Müller auch das Thema Online. "Wir haben einen Online-Weg gewählt, den viele - auch bei den Lieferanten - nicht verstanden haben." Mit dem im Oktober gestarteten Onlineshop unter Expert.de sei die Verbundgruppe endlich an einem Punkt angelangt, an dem man Kunden in ganz Deutschland die Preise und die Verfügbarkeit eines breiten Warensortiments anzeigen könne und dafür flächendeckend sowohl die Abholung im Geschäft wie auch den Online-Versand anbieten könne. Allerdings setzt Expert dabei weiter auf ein dezentrales E-Commerce-Konzept, bei dem die Preisgestaltung und der Warenversand von den Händlern vor Ort übernommen wird. Der von Müllers Vorgänger Ludwig in Erwägung gezogene Aufbau eines am Online-Wettbewerb ausgerichteten, zentral versendeten Aktionssortiments ist bei der Verbundgruppe dagegen wieder vom Tisch. Statt "mit Amazon-Kunden Volumen zu machen", wolle Expert der Stammklientel einen ergänzenden Online-Kanal bieten, erklärte Müller. Zudem habe man bei der Entwicklung der E-Commerce-Strategie die Belastungsfähigkeit der angeschlossenen Händler berücksichtigen müssen: "Wir müssen alle mitnehmen. Und wenn der eine oder andere länger braucht, dann dauert es halt einmal zwei Jahre länger." Der Expert-Chef ist zuversichtlich, mit der nun umgesetzten Shop-Lösung einen kontinuierlich wachsenden Anteil sowohl an Online-Zusatzumsätzen wie auch an Zuführungsumsätzen in die stationären Geschäfte ins Laufen gebracht zu haben. Im aktuellen Geschäftsjahr liege der Online-Umsatz bei der Verbundgruppe bereits bei rund sechs Prozent bzw. bei circa 200 Millionen Euro. Dazu dürften allerdings auch Umsätze von Expert-Gesellschaftern wie Technomarkt und Deltatecc zählen, die in den letzten Jahren in Eigenregie ein erfolgreiches Online-Geschäft aufgebaut haben.

Selbstkritik zum missglückten Führungswechsel

Einige Worte gab es bei der Pressekonferenz schließlich auch noch zu den Führungsturbulenzen bei der Verbundgruppe. "Der Abgang von Jochen Ludwig war auch für uns überraschend", erklärte Müller. Dennoch wolle man mit der nun gefundenen Führungslösung zeigen, dass Expert nun "kerzengerade" in die Zukunft gehe. Vertriebs- und Marketingvorstand Harder stellte die Turbulenzen bei Expert zudem in einen Kontext mit dem Führungswechsel bei der Media-Saturn-Mutter Ceconomy, der geplatzten Medimax-Fusion und dem überraschenden Abgang von Oliver Ahrens bei Notebooksbilliger.de: Die ganze Elektronikhandelsbranche habe sich in den letzten Monaten in einem schlechten Licht präsentiert. Harder appellierte: "Wir befinden uns in einer so tollen Branche - und das sollten wir jetzt auch wieder nach außen tragen!"

Zur Startseite