Marketing-Trends 2020

Hört den Kunden besser zu!

Chris Rusche studierte Physik und begann vor 22 Jahren als Praktikant bei BSI. Später arbeitete er als Software-Entwickler. Als Mann der ersten Stunde hat Chris Rusche die Firmenwerte von BSI stark mitgeprägt. 2004 übernahm er die Geschäftsführung von Jens B. Thuesen, Gründer von BSI. Nach zehn Jahren als CEO nahm Chris Rusche im Jahr 2014 Einsitz in den Verwaltungsrat. Zu seinen Aufgaben zählen Produktentwicklung und Innovation.

Zielgerichtetes Marketing und ein zeitgemäßes Kundenbeziehungsmanagement setzt eine solide Basis an Kundendaten voraus. Daraus lässt sich eine zentrierte Ansprache erstellen, die den Kunden wirklich interessiert.

"Geniestreiche" wie das iPhone und sein Erfinder Steve Jobs haben Seltenheitswert in der Unternehmenswelt. Alle anderen Unternehmen, für deren Produkte die Menschen nicht mitten in der Nacht Schlange stehen, brauchen ein proaktives und intelligentes Kundenbeziehungsmanagement, um langfristig im Markt zu bestehen.

Die Spielregeln dafür haben sich durch die Digitalisierung jedoch grundlegend verändert: Zum einen eröffnet sie Verbrauchern maximale Transparenz über Anbieter und ihre Leistungen. Zum anderen erwarten diese nicht nur eine zeitnahe Interaktion, sondern auch eine Kundenkommunikation und Angebote, die zum aktuellen Bedarf passen. Denn angesichts der virtuellen "Dauerbeschallung" sind gleichzeitig ein wachsender Informationsüberdruss und eine niedrigere Toleranzschwelle für irrelevanten, nicht personalisierten Content zu beobachten.

Ein zufriedener Kunde sieht anders aus.
Ein zufriedener Kunde sieht anders aus.
Foto: Roman Samborskyi - shutterstock.com

Die Anforderungen an das Kundenbeziehungsmanagement werden jedoch nicht nur von den Verbrauchern determiniert, sondern auch von neu entstehenden technischen Möglichkeiten. Worauf genau müssen sich die Verantwortlichen nun zukünftig einstellen?

Hyperpersonalisierung: Eine Marketing-Strategie für Dich und mich

Das Schlagwort von der "Hyperpersonalisierung" macht längst die Runde - auch wenn die Umsetzung noch so gar nicht danach aussieht. Und dennoch: Die Zukunftsmusik spielt im "Segment-of-one". Persona und Segmentierungen werden sich aller Voraussicht nach auflösen. Extrem feine Analysen von Kundenverhalten und Customer Journeys werden es ermöglichen, dass jeder Kunde zu einem eigenen Segment wird, und Marketing-Strategien wie Content exklusiv für ihn oder sie zugeschnitten werden. All das erfordert jedoch sehr zeitnahe und akkurate Daten, die tiefes Kundenwissen generieren.

Eine ganze Zeitlang galt für das Zeitalter der Digitalisierung: Schnelligkeit schlägt Größe. Im Thema Machine Learning gilt dies nicht mehr unbedingt, denn davon profitieren vor allem Unternehmen, die auf möglichst großen Datenbergen sitzen. So mancher Mittelständler befürchtet daher, aus Mangel an Daten von der technischen Entwicklung abgehängt zu werden. Aber: Viele Mittelständler bedienen als Spezialisten im B2B-Sektor fest umrissene Zielgruppen. Für sie spielt Machine Learning im Kundenbeziehungsmanagement keine so dominierende Rolle. Zudem sind auch im Machine Learning Algorithmen in der Entwicklung, die mit immer weniger Daten auskommen, um zu lernen. Das letzte Wort ist hier also längst noch nicht gesprochen.

Segment-of-one - Individuellen Marketing-Strategien gehört die Zukunft.
Segment-of-one - Individuellen Marketing-Strategien gehört die Zukunft.
Foto: Blackboard - shutterstock.com

Datenintegration über Apps und Plattformen nimmt zu

Jede Abteilung im Unternehmen hat eigene Ziele und Prioritäten: Der Vertrieb will Leads generieren, der Service E-Mails analysieren und das Marketing neue Social Media Kanäle einbinden. Auf diese Weise gerät das Gesamtunternehmensziel schnell aus dem Blickfeld, und die Systemvielfalt macht eine 360°-Sicht auf die Daten im Unternehmen unmöglich. Da jede Abteilung in der Regel auch ihre eigenen (IT-)Budgets hat, wächst die Zahl der Insellösungen im Unternehmen - und vertieft die bestehenden Silos noch. Ein ganzheitliches Angehen von Daten, Entscheidungsprozessen und Customer Journeys in Unternehmen hat deshalb eher noch Seltenheitswert. Erkannt ist dieses Problem natürlich durchaus - mit der Folge, dass die Tendenz zu schnellen Insellösungen leicht rückläufig ist und stattdessen der Einsatz von Plattformen zur Datenintegration zunimmt.

Mehr Datenintelligenz - und neue KPIs

Nur auf Basis einer 360°-Sicht auf die Daten lässt sich im Übrigen auch der Erfolg von Angeboten oder ganzen Kampagnen messen. Ob beispielsweise ein Newsletter oder eine Website die Zielgruppen wirklich effektiv erreicht, wird mit KPIs wie der Click Rate oder der Click Through Rate gemessen. Über die Länge und Qualität der Kundenbeziehung sagen diese KPIs jedoch fast nichts aus. Was das Marketing jetzt braucht? Einen funktionierenden Datenfluss über die Abteilungen hinweg (siehe oben), tiefergehende Analysen der Kundendaten - und auf diese Erkenntnisse hin abgestimmten Content. Und KPIs, die die langfristige Kundenbeziehung und ihre messbaren Ergebnisse in den Blick nehmen. Der Fokus beim Machine Learning sollte eindeutig auf dem "Learning" liegen - für das System, vor allem aber für das Unternehmen.

Engere Einbindung von Kunden - nicht nur bei Umfragen

Heute haben Marketing, Vertrieb und Service klare Aufgaben und Zuständigkeiten, wenn es um Kundenbeziehungen geht. Im Kontext der Customer Centricity - plakativ ausgedrückt - wird es jedoch nur noch eine Abteilung geben: den Kunden selbst.

Deshalb sind alle Unternehmen, die keine Selbstläufer à la iPhone zu bieten haben gut beraten, ihren Kunden mehr zuzuhören und sie stärker einzubinden. Dabei geht es nicht um die klassische Umfrage, sondern um eine Einbeziehung in interne Entscheidungen und Prozesse.

Beispiele, wohin uns Machine Learning führen kann, gibt es in Hülle und Fülle - ein Allheilmittel ist es jedoch nicht. Kern jedes Geschäftsmodells sind noch immer Produkte und Lösungen, die Ihren Kunden einen echten Mehrwert bieten, ob das nun Mode ist, die gerne getragen wird, Banken, die attraktive Finanzprodukte anbieten, oder Versicherungen, die im Bedarfsfall auch wirklich zahlen. Machine Learning hilft herauszufinden, ob die Kunden ein Produkt mögen oder nicht, und auf Basis der Ergebnisse Prozesse zu optimieren und Feinjustierungen vorzunehmen. Qualität und gute Produkte ersetzen kann Machine Learning allerdings nicht.

Kollege Computer übernehmen Sie

Passionierten Autorfahrern fällt es of schwer, jemand anderem das Steuer zu überlassen - und beim Machine Learning ist es ähnlich. Bereits heute übernehmen Computer gewisse Entscheidungen, jedoch auf vergleichsweise niedrigem Level: Bots bewerten E-Mails, Tarifrechner kalkulieren automatisch Versicherungsbeiträge, Hotelpreise werden an den Grad der Auslastung angepasst. Inzwischen klettert Machine Learning aber die Hierarchieleiter hinauf - und da wird die Entscheidungsdelegation sehr schnell zu einem sensiblen Thema. Wird sich der Manager leicht tun damit, einen Report via Machine Learning analysieren zu lassen? Welche Entscheidungen der Mensch, und welche die Maschine trifft, wird zukünftig also ganz neu und individuell ausgehandelt. Dass der Mensch dabei überflüssig wird, davon geht heute jedoch niemand aus.

Zur Startseite