IT-Leiter sind unzufrieden

Microsoft verspielt sein Vertrauen

Horst Ellermann ist Herausgeber des CIO-Magazins und Ambassador für CIOmove in Deutschland.

"Lizenzen haben ein unkalkulierbares Eigenleben entwickelt"

Das ist aber nicht neu. Die Lizenzregeln waren schon immer komplex.

Popp: Stimmt. Aber die Lizenzen haben mittlerweile ein unkalkulierbares Eigenleben entwickelt. Micro­soft reicht einseitig Änderungen des Vertrags ein, ohne die Modelle dann wirklich auf Praktikabilität zu prüfen. Wir müssen uns die Konsequenzen dann selbst zusammenreimen. Und der Vertrieb trägt hier leider auch nicht zur Klarheit bei, sondern bekommt Order von der Zentrale und versteckt sich dahinter. Ein heftiger Punkt, aber den kann man bewusst so ansprechen.

Hajo Popp, CIO beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR): "Microsoft verkompliziert die Lizenzierungen gerade enorm."
Hajo Popp, CIO beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR): "Microsoft verkompliziert die Lizenzierungen gerade enorm."
Foto: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt

Ehbauer: Ich habe es auch erlebt: Da werden Dinge verschwiegen, die einen weiterhelfen würden. Man wird bewusst in die Irre geführt.

Schott: Microsoft lässt die Kunden in Unsicherheit. Dabei möchte ich als Kunde eine langfristige Beziehung zum Lizenzgeber. Der weiß auch, dass ich nicht einfach woanders hingehen kann. Das verlangt eine Kontinuität in der vertraglichen Ausgestaltung - die Microsoft zunehmend untergräbt. Man erhält von Microsoft in letzter Zeit auch keine belastbaren Roadmaps im Bereich Office, SharePoint, Exchange bis hin zu Windows. Dabei muss ich bei einem dreijährigen Enterprise Agreement wissen, welche Gegenleistung ich als Kunde für einen solchen Vertrag in Millionenhöhe erhalte.

Popp: Das ist ein ganz wichtiges Qualitätskriterium für einen Anbieter. Wir sind auf Kontinuität angewiesen. Da hängen Investitionsentscheidungen davon ab, ob ich der Weiterentwicklung durch den Anbieter vertrauen kann. Wie weit legt er sich dabei fest? Ich weiß nicht, ob sich bei Microsoft einer vorstellt, was das für uns bedeutet, wenn SharePoint nicht mehr als On-Premise-Version weiterentwickelt wird.

Wir haben massiv in Beratungsleistung investieren müssen, um unsere Dateninhalte von SharePoint 2007 auf Version 2010 und dann nach 2013 zu bringen. Da steckt richtig Arbeit drin. Dann krieg ich einfach so kalt gesagt, dass es nur noch eine On-Premise-Version geben wird und danach alles in die Cloud wandert, was für uns aus Sicherheitsgründen ja gar nicht infrage kommt.

Wie hoch ist denn mittlerweile Ihr Aufwand für das Lizenz-Management?

Popp: Allein das Zählen verursacht einen hohen Aufwand. Wir investieren pro Jahr 60.000 Euro plus ein Personenjahr über mehrere Mitarbeiter verteilt für die Führung der Software-Assets.

Schott: Zentral kostet mich das Lizenz-Management für Microsoft eine komplette Vollzeitstelle. Dazu kommen Aufwendungen in mehr als 50 Ländern, die von verschiedenen Mitarbeitern erbracht werden und in Summe bei 500 bis 600 Manntagen pro Jahr liegen dürften. Das reicht Microsoft aber scheinbar nicht: In dem Resümee zu einer von Microsoft beauftragten Reifegradanalyse hinsichtlich unseres Lizenzmanagements wurde die "knappe" Kapazität auch noch bemängelt.

Herr Ehbauer, warum konnten Sie das Audit nicht abwenden? Microsoft galt doch immer als fairer Verhandlungspartner.

Ehbauer: Die Lizenzverhandlungen haben sich spürbar verschärft. Meine ehemaligen Account-Partner waren immer bereit, Wege zu gehen, die für beide Seiten fair waren. Denn mir ist schon klar: Ich kann nicht Lösungen an 900 Filialen schicken ohne Lizenz dafür. Aber ich zahle nicht Tausende von Euro, um ein PDF zu verschicken. Der Business-Case muss stimmen. Sonst mache ich das anders. So konnte ich immer verhandeln. Dann kam ein neuer Ansprechpartner. Und der ist von Haus aus davon ausgegangen, wir seien nicht sauber lizenziert. Auf die Frage, wie er darauf komme, hat er geantwortet: "Weil kein Unternehmen sauber lizenziert ist."

Schott: Diese Position ist sogar rechtlich fragwürdig. In einem Forderungskatalog gegenüber Lizenzgebern schreibt ein Rechtsanwalt des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik: "Grundsätzlich sind anlasslose Audits abzulehnen. Es besteht kein Rechtsgrund dafür."

Ehbauer: Wenn ich mich umhöre, erzählen viele, dass ihr Account-Partner anders präpariert ist. Daher komme ich zu dem Schluss: Es gab einen Umschwung. Microsoft stellt Unternehmen unter Generalverdacht.

Popp: Ich denke, wir haben für Microsoft über viele Jahre genügend Aufbauleistung und Beta-Testing gemacht, zig Mal ein Auge zugedrückt, wenn ein fehlerhaftes Systemverhalten uns Ärger und Geld gekostet hat und wir haben außerdem Tausende junge Leute an die Produkte herangeführt. Da dürfen wir im geschäftlichen Umgang entsprechenden Respekt und Fairness erwarten. Das scheint aber derzeit in Vergessenheit geraten zu sein.

Haben Sie den Eindruck, Microsoft nutzt sein Monopol im Bereich Office-Lösungen und Client-Betriebssysteme aus?

Popp: Einseitige Vertragsänderungen kann man nur aus einer Monopolstellung heraus durchsetzen. Wir fühlen uns jedenfalls derzeit nicht als gleichberechtigte Partner. Damit wird natürlich auch der hausinterne Druck größer, Alternativprodukte zu fördern und anzuwenden. Wir haben ja schon immer eine große Linux-Gemeinde. Die bekommt jetzt natürlich massiv Oberwasser. Und ich kann zum Thema Preisgestaltung keine verlässlichen Vorhersagen mehr machen. Damit ist unser Vorstand vollkommen unzufrieden. Planungssicherheit ist eines der wichtigsten Kriterien für die Einschätzung der Seriosität eines Anbieters. Die ist jetzt völlig verloren gegangen.

Schott: Ich führe immer wieder Diskussionen mit meinem Management über die extrem hohen Ebitda-Spannen von Microsoft. Letztendlich spiegelt das Ebitda der Anbieter die Monopolisierung des Marktes wider.

Ihre Kritik gilt aber nicht für den Server- oder im Datenbankbereich?

Ehbauer: Im Server- oder im Datenbankbereich ist das Preis-Leistungs-Verhältnis von Microsoft fairer, etwa im Vergleich zu Linux-Versionen. Die Produkte sind auch stabil.

Schott: Wir lösen jetzt unsere Management-Lösung von HP durch Microsoft System Center ab. Aber das sind im Vergleich ein paar 100.000 Euro über Jahre hinweg zu Millionen für Office und Windows pro Jahr.

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