Neue Möglichkeiten bei der Pirateriebekämpfung

13.12.2006
Von Katharina Scheja

Informationsbeschaffung in Deutschland und die Umsetzung der "Enforcement Richtlinien"

In diesem Zusammenhang ist die entscheidende Frage die folgende: Wie kann der Rechteinhaber Informationen über den Hersteller und Distributor von rechtsverletzenden Produkten erhalten?

Natürlich haben die meisten Rechteinhaber ihre Unternehmen in einer Art und Weise organisiert, die die effiziente Sammlung von Informationen über potentielle Rechtsverletzer ermöglicht: Sie haben für die thematische Evaluierung von Geschäftsdatenbanken, interne Vertriebsinformationen, Informationen durch offizielle Geschäftspartner und andere Informanten intern einen Kanal für die Sammlung und Verarbeitung solcher Informationen geschaffen. Trotzdem muss festgestellt werden, dass die Ermittlung von Informationen eine mühevolle Aufgabe bleibt. Die Auskunftsansprüche des Rechteinhabers sind noch immer unzureichend. § 30 der Abgabenordnung unterstellt die von den Zollbehörden ermittelten Unterlagen und Informationen im Wesentlichen dem Steuergeheimnis und verhindert ihre Offenbarung an den Rechteinhaber. Dies erschwert es dem Rechteinhaber in der Regel, die Kette nachzuverfolgen, um rechtliche Schritte nicht nur gegen die Händler von Piraterieware, sondern auch gegen die großen Hersteller und Importeure dieser Produkte einzuleiten. Für strafrechtliche Verfahren kann der Rechteinhaber Akteneinsicht beantragen - es kann jedoch passieren, dass Teile von wesentlichen Informationen im Hinblick auf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der Verletzter nicht offen gelegt werden. Darüber hinaus sind in Fällen der Internetpiraterie Ansprüche gegen Access- oder Serviceprovider im Hinblick auf Namen, Adressen und Bankdetails nur den Strafverfolgungsbehörden möglich, die diese im Zuge offizieller Ermittlungen befragen können. Die Schwierigkeit der Informationsbeschaffung bleibt damit die Achillesferse der Rechteinhaber in ihrem Kampf gegen Produktpiraterie.

Die zugrunde liegende Gesetzeslage ist derzeit nicht zufrieden stellend. Es bestehen zwar Auskunftsansprüche gegen den Verletzter sowie Dritte im Hinblick auf die Lieferkette. Die Durchsetzung ist aber vielfach schwierig. Versierte Verletzter werden solche Informationen überhaupt verweigern und eine Anzahl von Regelungslücken finden, um den Auskunftsanspruch zu umgehen.

Die Durchsetzungsrichtlinie und der Status der Umsetzung in Deutschland

Mit großer Erwartung wurde daher die Durchsetzungsrichtlinie (Richtlinie 2004/48/EC) erwartet. Die Richtlinie enthält in der Tat eine erhebliche Ausweitung der Auskunftsansprüche von Rechteinhabern. Ohne zuviel in die Details der Richtlinie zugehen, ist sofern insbesondere auf Art. 6 (Beweise) und Art. 8 (Auskunftsansprüche) hinzuweisen. Beide Vorschriften erleichtern die Beweislast des Verletzten und erstrecken Informationsansprüche auch auf dritte Parteien - insbesondere Access- und Serviceprovider. Darüber hinaus müssen unter den in der Richtlinie genannten Voraussetzungen alle Unterlagen und Informationen, insbesondere auch Bank- und Finanzdokumentationen, übergeben werden. Der bisher vorliegende Entwurf des Bundesjustizministeriums kommt diesen Vorgaben nach (Referentenentwurf .des Bundesministeriums der Justiz vom 3. Januar 20064). Die Vorgaben der Richtlinie werden hierin - z. B. in § 19 a MarkenG - umgesetzt. § 19 a MarkenG bestätigt, dass der Rechteinhaber die Vorlage von Unterlagen oder Sachen verlangen kann, die im Besitz des Verletzers sind, wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine Rechtsverletzung besteht. Dieser Anspruch erstreckt sich auf Bank-, finanzielle und wirtschaftliche Dokumente aller Art, wenn eine gewerblich begangene Verletzung vorliegt. Dieser Anspruch kann auch im Wege des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden. Dabei soll das Gericht die Geschäftsinteressen des Rechtsverletzers im Auge behalten und ggf. schützen. Leider ist bisher unklar, welche Art von Schutz der Gesetzgeber sich hier vorstellt.

Der derzeitige Referentenentwurf sieht auch eine fast gleiche Umsetzung von Art. 8 der Richtlinie in Bezug auf Auskunftsansprüche gegen Dritte vor. Derartige Auskunftsansprüche bestehen nach dem Referentenentwurf dann, wenn
a) der Dritte im Besitz rechtsverletzender Ware im gewerblichen Umfang ist,
b) verdächtigt ist, rechtsverletzende Dienstleistungen im gewerblichen Umfange anzunehmen,
c) im gewerblichen Umfang unterstützende Leistungen angeboten zu haben,
d) bei der Erbringung der rechtsverletzenden Aktivitäten genutzt wurden oder
e) in die Produktion, die Herstellung rechtsverletzender Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen involviert waren.

Die Rechtsverletzung muss auf jeden Fall offensichtlich sein und im Rahmen eines Rechtsstreites gegen den Verletzter geltend gemacht werden. Wichtig ist auch, dass der Dritte "gewerblich" agiert hat. Hierdurch ergeben sich neue Möglichkeiten der Informationsbeschaffung und Pirateriebekämpfung, insbesondere durch Auskunftserlanung durch die Inanspruchnahme von Dritten, zumal auch hier wiederum diese Ansprüche im Wege des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden können.

Es ist jedoch unklar, wann der Referentenentwurf in Gesetzeskraft gelangt. Die Durchsetzungsrichtlinie hat den Mitgliedsstaaten eine Umsetzung bis zum April 2006 aufgegeben. Die vorherige Regierung plante die Umsetzung im Herbst 2005, was aber durch die überraschend angesetzten Neuwahlen der Regierung Schröder aufgehalten wurde. Der Referentenentwurf liegt seit dem 3. Januar 2006 vor. Trotzdem ist derzeit ein Termin für die Umsetzung des Referentenentwurfes und die Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens nicht in Sicht. Es mag also noch Zeit vergehen, bis die neuen Regelungen tatsächlich in Gesetzeskraft treten. Und bis dahin? In wieweit eine direkte Anwendung der Vorschriften der Richtlinie möglich ist, ist unter Juristen umstritten. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass deutsche Gerichte die Vorschriften der Richtlinie bei der Anwendung der gesetzlichen Vorschriften im bestimmten Umfange jetzt schon berücksichtigen. Dies eröffnet neue Möglichkeiten bei der Pirateriebekämpfung und darauf sollten sich Rechteinhaber sowie auch Rechtsverletzer jetzt schon einstellen.

Quellen: http://www.zoll.de/f0_veroeffentlichungen/c0_produktpiraterie/y0_2006/l45_container/index.html;

2 http://www.bmj.bund.de/enid/4a7f0237aa52201e9e33e0f9e2d50b9b,0/November/ss6_ssss_2__6_-_Markenforum_2__6_zd.html

3 Bundesministerium der Finanzen: "Gewerblicher Rechtsschutz Jahresbericht 2005" - http://www.zoll-d.de/e0_downloads/d0_veroeffentlichungen/v5_gwr_jahresbericht_2005.pdf

4 http://1.1.1.1/492105796/506465992T061130175257.txt.binXMysM0dapplication/pdfXsysM0dhttp://www.urheberrecht.org/topic/enforce/bmj/2006-01-03-DurchsetzungsG-E.pdf (Dr. Katharina Scheja/mf)

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