Adacor-Chef Thomas Wittbecker

"NSA macht Werbung für Cloud-Standort Deutschland"

Regina Böckle durchforstet den Markt nach Themen, die für Systemhäuser und Service Provider relevant sind - oder es werden könnten - und entwickelt dazu passende Event-Formate.
Der Überwachungsskandal der NSA hat die Diskussion über die Sicherheit von Daten in der Cloud weiter angeheizt. Ob das Systemhäusern das Cloud-Geschäft verhageln könnte, diskutiert Thomas Wittbecker, geschäftsführender Gesellschafter der Adacor Hosting GmbH, im Interview mit ChannelPartner.
Thomas Wittbecker, geschäftsführender Gesellschafter der Adacor Hosting GmbH
Thomas Wittbecker, geschäftsführender Gesellschafter der Adacor Hosting GmbH
Foto: Adacor

In welchem Ausmaß US-amerikanische und britische Geheimdienste auch die Daten deutscher Unternehmen und ausspähen, ist noch nicht klar. Auch deshalb wächst die Verunsicherung, auch seitens der Systemhäuser, die ihren Kunden zunehmend Cloud-basierte Dienste anbieten. Die Adacor Hosting GmbH ist bereits seit vielen Jahren in diesem Geschäft aktiv. Wie Adacor-Chef Thomas Wittbecker die Situation einschätzt, und woran das Cloud Business in der Praxis darüber hinaus noch hakt, erläutert er im Interview mit ChannelPartner.
Rechnen Sie damit, dass Unternehmen in Deutschland der Nutzung von Cloud-Diensten künftig noch zurückhaltender begegnen?

Thomas Wittbecker: Technisch gesehen gibt es dafür keinen wirklichen Grund. Ob man eine Cloud nutzt oder nicht hat erst einmal wenig mit Sicherheit vor Bespitzelung zu tun. Wenn ich als Unternehmen Infrastruktur an einen Dienstleister auslagere, egal ob Cloud oder nicht, dann kommt es darauf welche Datenschutzgesetze für diesen gelten und wie gut die Sicherheitsmaßnahmen sind. Wenn ein amerikanisches Unternehmen verpflichtet ist Daten an die NSA zu liefern, ist es egal ob es sich dabei um klassische Infrastruktur oder Cloud-Infrastruktur handelt.
Weiterhin wird ja anscheinend der gesamte Internet Traffic an den Knotenpunkten mitgeschnitten, dann ist es sogar egal ob man die Infrastruktur selber im eigenen Rechenzentrum betreibt, oder ob man es auslagert. Unverschlüsselte Kommunikation wird dann abgefangen. Allerdings glaube ich, dass es einen negativen psychologischen Effekt gibt, da kaum jemand technisch so tief in das Thema einsteigt.

Was sagen Sie potenziellen, aber nun verunsicherten Kunden, die jetzt auch vor einer Private-Cloud Lösung zurückschrecken, die hierzulande gehostet wird?

Thomas Wittbecker: Wir helfen unseren Kunden sich gegen das Auspionieren von Daten zu schützen, egal ob Hacker oder NSA. Ob wir für die Infrastruktur Cloudtechnologien einsetzen oder nicht spielt dabei keine Rolle. Wir empfehlen Kommunikation über das Internet grundsätzlich zu verschlüsseln, um ein "mitsniffen" von Daten zu verhindern. In Deutschland sind wir als Unternehmen dem BDSG verpflichtet und geben nur nach einer staatsanwaltlichen (richterlichen) Anordnung Daten heraus. Dazu ist natürlich jedes Unternehmen und jede Privatperson verpflichtet.

Inwiefern geraten Sie mit Ihren Hosting-Angeboten auch in Konkurrenz zu den Public-Cloud-Anbietern wie beispielsweise Amazon AWS, Google oder Windows Azure?

Thomas Wittbecker: Mit Angeboten wie Amazon AWS oder Azure kommen wir nur bei kleinen preiskritischen Projekten in eine Konkurrenzsituation. Aber da macht die NSA ja im Moment tolle Werbung für den Standort Deutschland.

Neben der Datensicherheit sind auch das Datenmanagement, die Datenintegrität und letztlich auch die Frage, wie ein Anwender seine Daten aus der Cloud umziehen oder gar zurückholen kann, ein großes Thema, weil oft noch Standards fehlen. Wie lösen Sie das Problem?

Thomas Wittbecker: Bei uns stellt sich das Problem nicht direkt, da wir sehr individuelle Lösungen anbieten und diese Fragestellung immer Teil des Projektes ist.

Eine weitere Hürde stellt die Verbindung des Firmen-Datacenters oder deren Niederlassungen mit dem Rechenzentrum des Cloud-Providers über weite Strecken dar. Wie gewährleisten Sie die erforderliche Bandbreite und Performance?

Thomas Wittbecker: Das hängt in erster Linie von der Internetanbindung eines Kunden ab. Wenn die relevanten Standorte nicht über einen Breitbandinternetanschluss verfügen, können nicht viele Nutzer gleichzeitig auf den ausgelagerten Applikationen arbeiten, oder überhaupt etwas im Internet machen. Um Cloud-Lösungen zu nutzen ist das eine Grundvoraussetzung, die der Kunde selber schaffen muss.

Um Dienste aus der Cloud nutzen zu können, muss das Rechenzentrum des Kunden auch entsprechend "cloud-fähig" sein. Inwiefern ist die Infrastruktur bei mittelständischen Kunden Ihrer Erfahrung nach dafür bereits gerüstet?

Thomas Wittbecker: Da sehe ich nur in speziellen Fällen einen Zusammenhang. In der Regel werden ganze Applikationen ausgelagert, die entweder von Kunden, Partnern oder Mitarbeitern über das Internet genutzt werden, da ist der vorherige Punkt viel relevanter. Cloud Ready muss das Rechenzentrum des Kunden nur dann sein, wenn er eine flexible Hybridlösung anstrebt und Cloud-Ressourcen mit eigenen Ressourcen verbinden möchte. Das ist eher ein Thema für die nächsten Jahre. Unternehmen wie VMware glauben sehr stark daran, dass dies der nächste Trend wird.

Wie hoch ist die Bereitschaft der Kunden in Deutschland, in die Modernisierung ihrer Infrastruktur zu investieren?

Thomas Wittbecker: Für den Mittelstand kann ich das nicht beantworten, da wir nur mit einigen sehr technisch gelagerten mittelständigen Unternehmen zu tun haben. Insgesamt ist aber die IT Infrastruktur unserer Kunde sehr modern und weitestgehend auf der Höhe der Zeit. Was man bei dem ein oder anderen bei den Applikationen eher nicht sagen kann.

Welche Rolle werden die IT-Systemhäuser IT-Dienstleister Ihrer Ansicht nach künftig im Cloud-Geschäft spielen?

Thomas Wittbecker: Abgesehen von einigen wenigen Anbietern, die sich auch auf die eigentliche Infrastruktur konzentrieren (Rechenzentrum, Netz, Hardware, Virtualisierung) werden die meisten in das Lösungs- und Beratungsgeschäft einsteigen.

Wo sehen Sie mit Blick auf das Lizenz- und Channelmodell bei den Herstellern noch besonders großen Verbesserungsbedarf, um Cloud-Angebote für Anwenderunternehmen und Vertriebspartner tatsächlich attraktiv zu machen?

Thomas Wittbecker: Ein riesiges Problem gibt es bei der Lizenzierung von Software großer Hersteller ganz extrem Microsoft und Oracle, wenn die Software nicht in der eigenen Cloud oder der eigenen Virtualisierungslösung läuft. Da ist die Lizenzierung häufig sehr undurchschaubar oder sehr viel teurer als im klassischen Einsatz.

Gibt es Kundenszenarien, in denen Sie auch mit Public-Cloud-Anbietern kooperieren, um das bestehende Angebot zu erweitern oder weil Kunden es ausdrücklich wünschen?

Thomas Wittbecker: Nein, mit klassischen Public Cloud Anbietern arbeiten wir nicht. Wir haben eine leistungsstarke eigene Infrastruktur um alles abzudecken. Wir integrieren aber Dienste, wie z.B: Content Delivery Networks (CDN) von anderen Anbietern, um unser Angebot abzurunden.

Ein Blick in die Zukunft: Analysten von Experton zufolge erobert Cloud Computing die Unternehmens-IT. Das führe aber auch zu einer veränderten Wettbewerbslandschaft, in der die großen Player wie Amazon AWS, Microsoft Azure und Google Cloud Platform ihre Skalenvorteile ausspielen. Wird das Cloud-Business hierzulande in fünf Jahren beherrscht von wenigen großen Anbietern wie Amazon? Welche Chancen haben die Cloud-Angebote mittelständischer Systemhäuser und Kooperationen?

Thomas Wittbecker: Wie ich schon oben erwähnte wird im Moment der Standort Deutschland sehr stark aufgewertet. Damit steigen die Chancen für lokale Cloudanbieter enorm. Außerdem darf man die Skaleneffekte nicht überbewerten, wir sind auch bei einem Preisniveau von Amazon AWS bei gleicher Leistung hochprofitabel. Darüber hinaus erbringen wir Dienstleistungen, die weit über Infrastructure as a Service (IaaS) hinausgehen. Deshalb mache ich mir da wenig Sorgen.

Worüber sollten sich Systemhäuser eher Gedanken machen?

Thomas Wittbecker: Durch die Entwicklung der großen internationalen IT-Unternehmen hin zu Clouddienstleistungen, fällt häufig ein Zwischenhändler weg und der Hersteller bekommt eine direktere Beziehung zum Kunden. Das kann für klassische IT-Systemhäuser schwierig werden. Deshalb wird es sehr wichtig werden, eigene Lösungen auf Basis von Cloud-Infrastruktur anzubieten.

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