Tipps für Coachs und Berater

Online-Marketing: Strategie statt Heilsbringer



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Vielen Dienstleistern fällt das Entwickeln einer Online-Marketing-Strategie schwer. Das belegen unter anderem die oft verstaubten Blogs auf ihren Webseiten und ihre Videos, die sich offensichtlich nur Bekannte angeschaut haben. Wie man es besser macht, sagt Bernhard Kuntz.
Neue Strategien sind gefragt: Beim Online-Marketing spielt das Internet die tragende Rolle.
Neue Strategien sind gefragt: Beim Online-Marketing spielt das Internet die tragende Rolle.
Foto: MH - Fotolia.com

Dienstleistern wie etwa IT-Fachhändlern, Unternehmens- und Steuerberatern, Rechtsanwälten und Coaches stehen heute aufgrund des Siegeszugs der elektronischen Medien deutlich mehr Kanäle und Instrumente als früher für die Kommunikation mit ihren Kunden zur Verfügung. Diese Vielfalt verwirrt viele Dienstleister. Sie macht häufig auch ihre in der Vergangenheit zum Teil sehr erfolgreichen Marketing- und Vertriebskonzepte obsolet.

Das erfahre ich bei meiner Arbeit immer wieder. In den vergangenen Jahren kontaktierten mich gehäuft Unternehmen, die vor 10, 15 Jahren zu den Flaggschiffen im Beratungsmarkt zählten und auch heute noch einen klangvollen Namen haben. Sie beklagten stets dasselbe Problem: "Mit unserem bisherigen Marketingsystem, das weitgehend aus folgenden Elementen besteht,

  • drei, vier Mailings pro Jahr verschicken,

  • diese teilweise nachtelefonieren,

  • ab und zu einen Artikel in der Fachpresse publizieren und

  • zwei, drei Mal pro Jahr Kunden zu einer Veranstaltung einladen,

erreichen wir unsere Zielkunden nicht mehr. Zunehmend laufen uns andere Anbieter den Rang ab. Denn wir haben zwar noch bei den älteren Entscheidern in den Unternehmen eine hohe Bekanntheit und ein gutes Renommee, aber nicht mehr bei den jüngeren. Die kennen uns oft nicht."

Neue Marktbearbeitungsstrategien sind gefragt

Die erste Reaktion besagter Unternehmen auf diese Feststellung ist meist: Sie erhöhen die Taktzahl im Marketing. Statt drei, vier werden also fünf, sechs Mailings pro Jahr versandt und die Zielkunden häufiger per Telefon kontaktiert. Haben diese Aktivitäten nicht den gewünschten Erfolg, folgt die nächste Phase. In dem Unternehmen reift die Erkenntnis: Wir müssen unseren Außenauftritt verändern. Also setzen sich die Entscheider mit einer Werbeagentur zusammen und überarbeiten das Design der Marketinginstrumente. Mit der Konsequenz, dass sie ein, zwei Jahre später (schließlich braucht "gut‘ Ding Zeit") neue oder neue gestaltete Marketinginstrumente haben.

Doch weiterhin fehlt ihnen eine dem veränderten Kaufentscheidungsverhalten der Kunden angepasste Strategie, wie sie (Noch-nicht-)Kunden zur Kaufentscheidung führen. Entsprechend gering ist in der Regel der Erfolg ihrer Aktivtäten. Und noch einiger Zeit stellen sie frustriert fest: Jetzt haben wir zwar 10.000 oder gar 50.000 Euro in unseren neuen Auftritt investiert, aber unserer Grundproblem bleibt ungelöst. Eine zugkräftige Marketing- beziehungsweise Marktbearbeitungsstrategie haben wir weiterhin nicht.

Doch nicht nur etablierte Beratungsunternehmen, auch viele Einzelkämpfer finden sich in der "neuen Zeit" nur schwer zurecht. Von einem strategischen, prozesshaften oder gar systemischen Denken findet man selbst bei Strategie- und Prozessberatern nur selten eine Spur, wenn es um Marketing- und Vertriebsfragen geht. Entsprechend sprunghaft sind oft ihre Marketingaktivitäten, wobei sie letztendlich nur Moden folgen.

Weniger von Heilsbringern träumen

So sahen viele Berater vor fünf, sechs Jahren ihr künftiges Heil in einem Blog - mit der Konsequenz, dass man heute auf vielen Berater-Webseiten irgendwelche halbtoten oder gar bereits verwesten Blogs findet. Dann folgte vor drei, vier Jahren der Social-Media-Hype. Plötzlich wollten fast alle Bera-ter twittern und eine Facebook-Seite haben. Doch inzwischen ist auch diese Euphorie verflogen. Stattdessen haben viele Berater Videos für sich entdeckt und wollen nun wie ihr Kollege x und ihre Kollegin y ein Video auf ihrer Webseite haben. Mit einem strategischen Vorgehen haben solche Sperenzchen nichts zu tun. Sie spiegeln nur die Hilflosigkeit vieler Berater im Marketingbereich wieder.

Wenn heute Personen (oder Organisationen) einen Berater zu einem Thema suchen und keinen kennen, dann geben sie in der Regel bei Google & Co die entsprechenden Suchbegriffe ein. Zum Beispiel "Prozessmanagement Beratung". Oder "Personalberatung Stuttgart". Und anhand der angezeigten Treffer verschaffen sie sich einen Überblick, wer ein potenzieller Unterstützer sein könnte. Also lautet eine Grundanforderung an ein modernes Marketingkonzept: Es muss sicherstellen, dass die Zielkunden des Beraters im Web schnell und häufig auf ihn stoßen. Denn nur dann können sie ihn als Unterstützer in Betracht ziehen.

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