Nicht die Katze im Sack kaufen

Personalauswahl – vom Traumkandidaten zum Flop



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
"Der Neue ist doch nicht der Richtige. Dabei schien er der Traumkandidat zu sein." Das stellen Unternehmen oft nach einiger Zeit fest, wenn sie neue Mitarbeiter eingestellt haben. Alexander Walz sagt, wie Sie solche kostspieligen Pannen beim Besetzen von Schlüsselpositionen vermeiden.

"Schon nach wenigen Monaten mussten wir uns von dem neuen Abteilungsleiter wieder trennen. Dabei schien er der Traumkandidat zu sein." Solche Klagen hört man oft von Personalverantwortlichen und Unternehmensführern. Denn wenn sich der neue Inhaber einer Schlüsselposition als Flop erweist, entstehen einem Unternehmen schnell hohe Kosten. Denn dann waren alle Ausgaben für die Personalsuche und -auswahl Fehlinvestitionen. Noch schwerer wiegen jedoch meist die "Chaoskosten" genannten Folgekosten. Denn bleibt eine Schlüsselposition längere Zeit verwaist oder wird sie nicht angemessen wahrgenommen, dann werden oft Entscheidungen zu spät getroffen und umgesetzt.

Mögliche Folgen: Die Kundenbindung leidet, neue Produkte kommen verspätet auf den Markt, nötige Umstrukturierungen unterbleiben. Kurz, das Unternehmen verspielt (Markt-)Chancen, sodass es zuweilen noch Jahre mit den Problemen kämpft, die aus einem personellen Fehlgriff entstanden.

Wenn sich ein hoffnungsvaller Kandidat für eine Stelle später als Flop herausstellt, liegt dies meist an der mangelnden Sorgfalt bei der Personalauswahl.
Wenn sich ein hoffnungsvaller Kandidat für eine Stelle später als Flop herausstellt, liegt dies meist an der mangelnden Sorgfalt bei der Personalauswahl.
Foto: matthias21 - Fotolia.com

Doch warum erweisen sich "Traumkandidaten" nicht selten als Flops? Meist aufgrund mangelnder Sorgfalt bei der Personalauswahl. Da wird ein Vorstellungsgespräch zwischen zwei andere Termine "gequetscht", und die Bewerbungsunterlagen werden nur oberflächlich gelesen. Die Auswahlgespräche werden ohne Konzept geführt. Und die Ergebnisse der Gespräche? Sie werden maximal mit zwei, drei Stichpunkten fixiert, so dass nach dem fünften Bewerber nur noch die vage Erinnerung "hat mich überzeugt" oder "…nicht überzeugt" bleibt.

Nicht nur auf das Fachliche achten

Ein weiterer Fehler: Oft wird bei der Auswahl nur auf die fachliche Qualifikation geachtet. Denn diese lässt sich anhand der (Arbeits-)Zeugnisse und der Herausforderungen, die der Bewerber bisher bewältigte, relativ leicht bewerten. Anders ist dies bei Faktoren wie:

  • Findet der Bewerber einen Draht zu den Kunden, Mitarbeitern oder Lieferanten des Unternehmens?

  • Kann er Menschen für nötige Veränderungen begeistern?

  • Hat er ein "Feeling" für die Notwendigkeiten im Haus und bewahrt er trotzdem seinen eigenen Stil?

Dies zu ermitteln - also herauszuarbeiten, ob die "Chemie" zwischen Bewerber und Unternehmen stimmt - erfordert Zeit und Energie. Doch die Mühe lohnt sich, denkt man an die Kosten und Folgeprobleme einer Fehlbesetzung.

Deshalb sollten Sie als Personalverantwortlicher ausreichend Zeit in die Personalauswahl investieren. Dieser Prozess beginnt beim Formulieren der Anforderungen an den "Neuen". Sagen Sie zum Beispiel nicht einfach: "Ist doch klar, was ein Vertriebsleiter können muss." Überlegen Sie vielmehr: "Was muss ein Vertriebsleiter in unserem Betrieb konkret leisten? Denn der Vertriebsleiter eines Konzerns benötigt andere Kompetenzen als sein Kollege bei einem Mittelständler. Während der eine vor allem strategisch arbeitet und die Vertriebsmannschaft führt, muss der andere auch mal einen Werbebrief formulieren.

Detailliertes Anforderungsprofil erstellen

Ermitteln Sie deshalb im Vorfeld genau, welche Anforderungen der "Neue" erfüllen muss - zum Beispiel, indem Sie den bisherigen Stelleninhaber, seine Vorgesetzen oder Mitarbeiter befragen. So lassen sich Ereignisse und Situationen bestimmen, die für die ausgeschriebene Position typisch sind und der künftige Stelleninhaber meistern muss. Ein Beispiel: Seine Arbeitssituation ist meist durch einen hohen Zeitdruck und viele Störungen gekennzeichnet. Dann kann eine Anforderung lauten: "Der künftige Stelleninhaber arbeitet auch bei Störungen ruhig und konzentriert."

Fragen Sie sich auch: Wodurch unterscheidet sich der ideale Stelleninhaber vom Kandidaten, den Sie keinesfalls einstellen möchten? Delegiert der "Wunschkandidat" zum Beispiel viele Aufgaben, während der andere das meiste selbst erledigt? Hat die "Traumbesetzung" Spaß am Kundenkontakt, während sich ihr Pendant am liebsten vor Kundenterminen drückt? Analysieren Sie zudem:

  • Welche Einstellung braucht der "Neue", damit er das tun kann, was von ihm erwartet wird?

  • Welche Konflikte könnten sich mit wem ergeben, wenn er tut, was er tun soll?

  • Welche persönlichen Eigenschaften braucht er, um diese Konflikte zu meistern?

So können Sie auch die sozialen, kommunikativen und persönlichen Eigenschaften ermitteln, die der "Neue" braucht. Doch Vorsicht! Begnügen Sie sich nicht mit oberflächlichen Beschreibungen wie "entscheidungs- und umsetzungsstark". Analysieren Sie auch: Geht es nur darum, fix zu entscheiden, welche PCs angeschafft werden, oder muss der Neue auch heikle Personalentscheidungen treffen und umsetzen?

Berücksichtigen Sie beim Entwickeln des Anforderungsprofils auch die künftigen Anforderungen. Denn Ihr Unternehmen soll sich ja entwickeln. Wollen Sie beispielsweise mittelfristig außer standardisierten Produkten auch "Services" wie Beratung verkaufen? Dann sollte der Bewerber auch gut erklären und souverän präsentieren können.

Einen Gesprächsleitfaden entwickeln

Leiten Sie aus dem schriftlich fixierten Anforderungsprofil einen Interviewleitfaden ab und benutzen Sie diesen in allen Auswahlgesprächen. Ein solches Strukturieren und weitgehendes Standardisieren der Gespräche gewährleistet, dass Sie am Schluss die Bewerberprofile gut vergleichen können ? weil alle Bewerber dieselben Kernfragen beantwortet haben. Außerdem tappen Sie dann seltener in die Falle, dass ein rhetorisch gewandter Bewerber das Gespräch führt und Sie danach mit Schrecken feststellen: "Verdammt, das habe ich nicht gefragt."

Der Interviewleitfaden sollte unterschiedliche Fragetypen und Aufgabenstellungen umfassen. Mit biografiebasierten Fragen können Sie ermitteln, wie sich der Bewerber bisher in bestimmten Situationen verhalten hat. Wenn der künftige Stelleninhaber trotz permanenter Störungen konzentriert arbeitet soll, können Sie zum Beispiel fragen: "Sie arbeiten zur Zeit in einem Großraumbüro. Da ist gewiss viel los. Wie schaffen Sie es in einem so turbulenten Umfeld, konzentriert zu arbeiten?" Aus der Antwort können Sie schließen, wie sich der Bewerber vermutlich in Ihrem Betrieb verhalten würde.

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