Nicht die Katze im Sack kaufen

Personalauswahl – vom Traumkandidaten zum Flop



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Dem Bewerber konkrete Aufgaben stellen

Greifen Sie zudem typische Situationen aus Ihrem Unternehmen auf. Zum Beispiel: "Stellen Sie sich vor, nächste Woche ist eine wichtige Messe, Ihr Exponat ist aber noch nicht reif für die Präsentation. Was würden Sie tun?" Durch solche Fragen erfahren Sie, wie der Bewerber für Ihr Unternehmen typische Problemstellungen lösen würde.

Bewährt hat es sich auch, Bewerbern aktuelle Aufgaben zu stellen, vor denen das Unternehmen steht. Zum Beispiel: "Wir möchten ein neues CRM-System einführen. Wie würden Sie das angehen?" Achten Sie beim Bewerten der Antwort auch auf die Vorgehensweise. Alternativ können Sie den Bewerber mit einem künftigen Kollegen über die beste Lösung diskutieren lassen und sich anschließend zum Beispiel fragen:

  • Welche neuen Erkenntnisse gewann ich in dem Gespräch?

  • Wie ging der Bewerber mit anderen Meinungen um?

  • Welche Schlussfolgerungen zog er aus neuen Informationen?

So wird meist schnell klar, ob der Bewerber der "Richtige" ist - zumindest wenn Sie Erfahrung im Führen von Gesprächen und Interviewen von Bewerbern haben.

Untrainierte Führungskräfte erzählen in Personalauswahlgesprächen oft mehr über sich und ihr Unternehmen, als dass sie fragen. Außerdem stellen sie den Bewerbern häufig zu viele geschlossene Fragen, die diese mit "ja" oder "nein" beantworten können, so dass sie selbst wenig Infos erhalten. Deshalb sollten ungeübte Interviewer vorher die richtige Gesprächsführung trainieren. Das zahlt sich auch bei Mitarbeitergesprächen oder Verhandlungen mit Kunden aus.

Auf die eigene Präsentation achten

So vorbereitet kann im Auswahlgespräch nicht viel schief gehen. Einige Dinge sollten Sie jedoch noch beachten: Ziehen Sie zum Gespräch mindestens einen Kollegen hinzu. Denn dann kann die Person, die gerade nicht das Gespräch führt,

  • auf die nonverbalen Aussagen des Bewerbers achten, die oft aussagekräftiger als die verbalen sind, und

  • Stichworte notieren, denn nach dem fünften Interview weiß sonst niemand mehr, was der erste Bewerber sagte.

Behandeln Sie jeden Bewerber mit Wertschätzung, und nehmen Sie sich Zeit für das Gespräch. Denn nur, wenn der Bewerber Ihnen Vertrauen schenkt, öffnet er sich und offenbart Ihnen seine wahren Motive für einen Jobwechsel. Dann verhält er sich auch so, wie es seiner Persönlichkeit entspricht, statt ein einstudiertes Verhalten zu zeigen.

In jedem Auswahlgespräch präsentiert sich auch Ihr Unternehmen. Der Eindruck, den Sie beim Bewerber hinterlassen, beeinflusst stark dessen Entscheidung, ob er den Job annimmt. Und wenn Ihre Wege nicht zusammenführen - sei es, weil Sie sich gegen den Bewerber oder er sich gegen Sie entscheidet? Dann hängt es vom hinterlassenen Eindruck ab, ob er sich gegenüber Bekannten positiv oder negativ über Ihr Unternehmen äußert. Sich als attraktiver Arbeitgeber zu profilieren, ist gerade in Zeiten, in denen gute Fach- und Führungskräfte rar sind und bei der Stellensuche die "freie Auswahl" haben, sehr wichtig.

Die Gespräche nachbereiten

Ebenso wichtig wie eine gründliche Vorbereitung ist eine sorgfältige Nachbereitung der Gespräche. Ergänzen Sie nach jedem Gespräch Ihre Notizen. Und stellen Sie nach Beendigung der Auswahlgespräche die Ergebnisse so zusammen, dass Sie die Bewerberprofile gut mit dem Anforderungsprofil vergleichen können. Erstellen Sie, bevor Sie die Entscheidung treffen, mit Ihren Kollegen, die an den Auswahlgesprächen teilnahmen, ein Ranking der drei oder fünf besten Bewerber. Dann haben Sie Alternativen parat, wenn Ihr Wunschkandidat absagt.

Sprechen Sie beim Erstellen des Rankings mit Ihren Kollegen auch darüber, warum Sie beim Bewerber A, obwohl er formal alle Kriterien erfüllt, ein "eher schlechtes Gefühl" haben; außerdem beim Bewerber B den Eindruck, er könne der bessere Mitarbeiter sein, obwohl er einzelne Anforderungen nicht ganz erfüllt. Denn selbst mit der besten Vorbereitung und Gesprächsführung erzielen Sie bei Auswahlgesprächen nie absolut objektive Ergebnisse, denn jeder Bewerber versucht, sich möglichst positiv zu verkaufen. Also gibt er Ihnen "geschönte" Antworten. Außerdem bilden Auswahlgespräche nie den Arbeitsalltag ab.

Deshalb sollten Sie auch auf Ihren Bauch hören, wenn er Ihnen sagt: "Dieser Bewerber ist es trotz aller Vorzüge nicht" - jedoch nie ohne sich zuvor zu fragen: Warum sträuben sich mir bei ihm die Nackenhaare? Sonst ist die Gefahr groß, dass Sie die funktionalen Anforderungen aus dem Blick verlieren und rein nach Sympathie oder Ähnlichkeit entscheiden - was zu den meisten Fehlbesetzungen führt.

Weitere Infos und Kontakt: Alexander Walz ist Geschäftsführer der Personal- und Managementberatung Conciliat GmbH, Stuttgart (Internet: www.conciliat.de; Tel.: 0711/22 45 18-0; E-Mail: Walz.Alexander@conciliat.de).

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