Pleiten, Pech und Pannen

14.03.2002
Das Handwerkspaket von Sage KHK schrieb bislang keine Erfolgsstory. Aber nicht immer hat nur der Softwarehersteller den schwarzen Peter. Auf der Cebit stellt der ERP-Anbieter jetzt ein neues Release vor, das alle zufrieden stellen soll.

Schlechte Ratgeber und Finanznöte bereiteten den Weg für die Leidensgeschichte des Fahrzeugausrüsters Weinmann. Der österreichische Sage-KHK-Händler Spin verkaufte 1999 das seit 1998 auf den Markt befindliche Sage-KHK-Handwerkspaket "HWP" an Thomas Moucka, Geschäftsführer bei Weinmann. Aber wie der Name schon sagt, handelt es sich bei der Software eben um eine Anwendung für Handwerksbetriebe, noch dazu fürs Baugewerbe, und nicht für einen mittelständischen Individual-Fertiger mit 35 Mitarbeitern.

Nach drei Jahren und Investitionen in Höhe von einigen Zehntausend Mark gelangte auch Moucka zu dieser Einsicht. Bis es so weit war, wechselte er zweimal den Sage-KHK-Händler und hat nun von der Lösung und vom Support des Softwareherstellers genug. Jetzt evaluiert der Geschäftsführer die Warenwirtschaftslösungen von zwei neuen Anbietern.

Doch der Reihe nach. Geldmangel und "Spezlwirtschaft" bereiteten den Boden für das Ungemach. Die seit der Jahrhundertwende bestehende Firma Weinmann meldete 1996 Konkurs an - einer der Geschäftsführer hatte sich aus der Kasse bedient. Im fließenden Übergang kam Thomas Moucka als Mitglied der neuen Geschäftleitung in das Unternehmen. "Die ersten zwei Jahre schrieben wir Verluste. Der Geldmangel wirkte sich auf die Entscheidung für das EDV-Produkt aus", gesteht Moucka ein. Dazu kam, dass der neue Mann, wie er sagt, auf den Rat eines Schulkameraden vertraute. Dieser arbeitete für den Sage-KHK-Händler Spin aus Salzburg.

Aus Kostengründen entschied sich der Fahrzeugausrüster in der Auftragsabwicklung deshalb für das Handwerkspaket und in der Lohnabrechnung und Finanzbuchhaltung für "Office-Line". Beide Produkte installierte der Salzburger Sage-KHK-Händler im Oktober 1999. "Die Firma Spin hat mich falsch beraten", schimpft Moucka heute. Und auch an der Software lässt er kein gutes Haar: "Das kleine kaufmännische 1x1 ist nicht abgebildet."

Handwerkspaket lässt sich nicht individuell anpassen

In einer Mängelliste führte der Weinmann-Geschäftsführer seine Probleme mit dem HWP auf und reichte sie Anfang Januar 2000 beim Softwarehersteller Sage KHK ein. Die Antwort blieb laut Moucka bis heute aus: "Außer ,Ihr Vorschlag ist interessant, er wird für die nächste Produktverbesserung aufgenommen# hörten wir nichts." Hier liegt auch eines der Probleme: Während Sage-Vertriebspartner beispielsweise die Office-Line an die individuellen Bedürfnisse des Kunden anpassen können, lässt sich das Handwerkspaket nur vom Hersteller verändern.

Doch das HWP ist nicht nur funktional unterdimensioniert für Weinmann, es war auch zu langsam. Deshalb schickte der Weinmann-Geschäftsführer seinen Salzburger "Spezl" in die Wüste und wandte sich hoffnungsvoll an den Sage-KHK-Händler Tex Systems aus Erding. Doch die Probleme hörten damit nicht auf - heute haben die Anwälte das Sagen. Einer der Gründe: Die Firma Weinmann bezahlt ausstehende Forderungen der Erdinger nicht.

Laut Moucka handelte Weinmann einen Fixpreis von 12.000 Mark für einen Serverschrank und eine neue Verkabelung aus. "Tex ging dabei um 2.000 Mark von seinen Angebot herunter", berichtet Moucka. Im März 2001 forderte Tex dem Geschäftsführer zufolge eine Nachzahlung für zusätzlich geleistete Arbeitszeit bei der Verkabelung.

"Für 14.000 Mark hätte Tex den Auftrag nicht bekommen, sondern ein anderer Händler", betont Moucka. Trotzdem arbeitete die Firma Weinmann zunächst mit dem Sage-KHK-Händler weiter zusammen. Tex installierte einen neuen "Windows-Server" für das Handwerkspaket und die Office-Line, der die Lösungen auf Trab bringen sollte. "Gebracht hat das nichts", sagt Moucka.

Sage-KHK-Händler klagt auf Bezahlung

Am 12. Oktober 2001, kurz vor dem Geschäftsabschluss bei Weinmann zum 31. Oktober 2001, sollte Tex Systems eine neue Version des Handwerkspaketes sowie das Euro-fähige Update der Office-Line einspielen. Bei dem HWP handelte es sich um die gerade wieder verfügbare SQL-Version. Das erste Release mit der Microsoft-Datenbank wurde nach der Freigabe im Juli 2000 nach wenigen Wochen wieder vom Markt genommen. "Aus den veranschlagten sechs Stunden für die Fibu und das Lohn-Modul wurde ein Tag. Das Handwerkspaket rührte die Tex-Mitarbeiterin nicht an", erklärt Moucka.

Dem widerspricht Iris Ficker, Projektleiterin beim Sage-KHK-Händler Tex-Systems: "Es gab zwei getrennte Aufträge. Für die Installation des Office-Line-Updates hatten wir einen Tag festgelegt." Eine Woche darauf, am 19. Oktober, war dann das Handwerkspaket an der Reihe. "Am Freitagmorgen zeigte der Rechner zwölf Stunden Restlaufdauer für das Upgrade, am Abend waren es 72 Stunden", schaudert es Moucka noch heute.

Doch laut Tex-Projektleiterin liegt die Schuld auch hier weder an der Software noch an ihrer Arbeit. "Die Installation selbst dauerte nicht lange. Aber es ist sehr schwierig, Daten aus der Paradox-Datenbank der HWP-Version 1.1 auf MS SQL zu konvertieren." Vor allem dann, wenn Service-Releases nicht eingespielt werden. "Die Firma Weinmann hat mehrere zwingend vom Softwarehersteller vorgeschriebene Updates übersprungen", erzählt Michael Breher, Geschäftsführer bei Tex Systems.

Ioannis Ntanas, Produktmarketing-Manager für das Handwerkspaket bei Sage KHK, schränkt diese Aussage jedoch ein: "Die Überspielung ist kein Problem, wenn die Daten konsistent sind." Hardware- oder Systemabstürze könnten bei Paradox jedoch zu Daten-Inkonsistenz geführt haben. War dies der Fall, seien Schwierigkeiten bei der Datenkonvertierung möglich. Deshalb müssten die Inkonsistenzen zunächst in der alten Client-basierenden Datenbank behoben werden, sonst habe der Anwender dieselben Probleme in der neuen Server-basierenden Version. "Laut Installationsanweisung ist die Datenbank auf diese Fehlerquelle hin zu prüfen, bevor das Upgrade durchgeführt wird", betont Ntanas.

Nachdem die Installation abgeschlossen war, gab es laut Moucka aber weitere Probleme: "Die Rechnungsübernahme vom HWP in die Fibu der Office-Line hat nicht funktioniert", klagt der Weinmann-Geschäftsführer. Hier liege das Prob-lem, so die Tex-Projektleiterin, ebenfalls an den nicht aufgespielten Service-Updates: "In der HWP-Version 1.1 konnten mehrstellige Codes für Erlöse eingegeben werden, in den neueren Versionen und in der Office-Line aber nur zweistellige." Weinmann benutze aber fünfstellige Codes. "Die von den Mitarbeitern der Firma Weinmann gemeldeten Softwarefehler ließen sich auf deren mangelnde Kenntnisse zurückführen", bekräftigt Ficker. Außerdem habe die Projektleiterin deutlich gemacht, dass das HWP nicht für die Anforderungen einer vertriebsorientierten GmbH ausgelegt sei. Ihre Ratschläge seien bei den Anwendern allerdings nicht gut angekommen. Im Gegenteil: "Unsere Mitarbeiter wurden von hysterischen Anwenderinnen beleidigt und beschimpft", berichtet Breher.

Während der Inventurtermin für den Jahressabschluss immer näher kam, rückte Tex Systems von seinem Kunden ab. "Mit der Firma Weinmann möchte ich nichts mehr zu tun haben. Sie soll sich im Rahmen ihres Softwarepflegevertra-ges an Sage KHK wenden", zitiert Moucka den Systemhaus-Chef Michael Breher. Der bestätigt das, fügt aber hinzu: "Allerdings erst, nachdem wir unserer Lieferverpflichtung nachgekommen sind, während die Firma Weinmann frühestens nach der dritten Mahnung zahlte." Damit war bis auf die Anwälte das Kapitel Tex Systems für Weinmann abgeschlossen.

Die Inventur war das aber noch lange nicht. "Da brach die Welt über mir zusammen", berichtet der Weinmann-Chef. Er habe weder die Inventureingabe durchführen können, noch war ein Inventur-Erfassungsprotokoll möglich. Die Sage-KHK-Hotline zog Moucka auch noch den letzten Zahn: "Der Support ist eine Katastrophe. Ich saß auf Kohlen und wartete im Schnitt 30 Minuten auf einen Anschluss." Aber auch der Hotline-Service brachte keine Abhilfe. "Ich konnte keine Inventurzählliste erstellen", berichtet der Gepeinigte.

Als Retter in der Not erklärte sich der Sage-KHK-Händler CCI am 2. November bereit, eine Systemanalyse durchzuführen. Nach wenigen Tagen seien die Beteiligten zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kalkulations- und der Inventur-Assis-tent einen Programmfehler enthält. Dies bestätigte laut Moucka auch Sage KHK. Am 5. November war die Inventur noch immer nicht abgeschlossen. Die Eingabe erfolgte am 19. November. Bis dahin war es ein harter Weg: Sage KHK teilte laut Moucka mit, in dem Softwarepflegevertrag sei ein angemessener Zeitraum für die Problembehebung vereinbart. Bis Ende des Jahres werde man das aber nicht mehr schaffen. Da sah Moucka rot. Er ließ sich mit dem Serviceleiter verbinden und machte Tabula rasa. "Daraufhin hat man die Lage ernst genommen", berichtet der Weinmann-Geschäftsführer. Nachdem er eine Haftungsausschlusserklärung gegenüber dem Softwarehersteller unterschrieben habe, bekam er ein Vorab-Release einer neuen Version.

Sage KHK bringt neues HWP-Release zur Cebit

Langsam reifte beim Weinmann-Geschäftsführer allerdings auch die Einsicht, dass er nicht die für sein Unternehmen ausreichend dimensionierte Software einsetzt. "Wir hätten schon vor zwei Jahren erkennen müssen, dass das Programm für unsere Anforderungen nicht ausgelegt ist." Seit 19. Februar 2002 ist das Sage-KHK-Handwerkspaket in der neuen Version 3.2 verfügbar. Bestehende Anwender der Version 3.1 erhalten die aktuelle Version im Rahmen ihrer Softwarepflegeverträge kostenfrei. Anwender der HWP-WIN-Vorversionen können die neue Lösung zu besonderen Upgrade-Konditionen erwerben. Für Moucka ist das kein Thema.

ComputerPartner Meinung:

Der Fall Weinmann zeigt, wohin es führen kann, wenn an der falschen Stelle gespart wird. Auch wenn sich Sage KHK mit seinem Handwerkspaket lange nicht mit Ruhm bekleckerte, trifft den Anbieter nur eine Teilschuld. Ein Softwarehersteller kann nicht verhindern, dass ein Kunde eine Anwendung einsetzt, obwohl sie nach objektivem Ermessen nicht für seine Bedürfnisse ausgelegt ist. Aber ein guter Fachhändler macht nicht jedes Geschäft, nur weil der Kunde kein Geld hat. Er empfiehlt einem Kunden die IT-Technologie, die dessen heutige Bedürfnisse abdeckt und sich künftig kos-tengünstig erweitern lässt. Nur so entstehen Win-Win-Verhältnisse, welche die Grundlage für eine langfristige Geschäftsbeziehung bilden. (hei)

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