Onlinehandel über Landesgrenzen hinweg

So klappt die Expansion ins europäische Ausland



Annett Polaszewski-Plath ist seit März 2022 Managing Director für die DACH-Region beim Finanzdienstleister Mollie. Die Digitalexpertin treibt das Wachstum des Unternehmens in Deutschland, Österreich und der Schweiz voran. Mollie ist seit 2019 am deutschen Markt vertreten. Annett ist maßgeblich für die strategische Ausrichtung und Vision in der DACH-Region verantwortlich.

 
Die in enem Webshop angebotenen Produkte lassen sich im Prinzip in die ganze Welt verkaufen. Doch dabei sollten die länderspezifischen Besonderheiten berücksichigt werden.
Elektronik, Kleidung und Sportgeräte werden in Deutschland eher online als in einem Offline-Geschäft gekauft. In Österreich und Belgien liegen Klamotten sogar vor der Elektronik.
Elektronik, Kleidung und Sportgeräte werden in Deutschland eher online als in einem Offline-Geschäft gekauft. In Österreich und Belgien liegen Klamotten sogar vor der Elektronik.
Foto: Mollie

Deutschland gilt als erfolgreiche Exportnation. 2021 betrug die Exportquote rund 47 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Allerdings: Bislang war das Exportgeschäft die Paradedisziplin des produzierenden Gewerbes und der Industrie, etwa der Automobilbranche, der Chemieindustrie oder Maschinenproduzenten. Der klassische Onlinehandel hingegen fokussiert sich größtenteils auf das Inlandsgeschäft. So ergab eine Studie der Netzwerk- und Wissensplattform Cross Border Commerce Europe, dass der deutsche Onlinehandel 2021 lediglich 26 Prozent seiner Umsätze im Ausland erwirtschaftet hat.

Während 76 Prozent der Deutschen aufgrund der aktuellen Rezession beim Onlinehandel eher sparen wollen, so die Ergebnisse unseres Europäischen E-Commerce-Reports, stimmt das allgemeine Narrativ dennoch positiv: Ein Drittel der befragten europäischen Konsumenten kauft aktuell mehr über Onlineshops als noch vor der Pandemie.

Doch lohnt es sich für Onlinehändler, den Blick über die deutschen Landesgrenzen hinauszuwerfen? Die Digital Market 2022 Studie von Statista prophezeit dem europäischen E-Commerce jedenfalls ein starkes Wachstum: Bis 2025 sollen die Gesamt-Umsätze in Höhe von 520 Milliarden Euro aus dem Jahr 2020 auf 1,16 Billionen Euro verdoppelt werden.

Das Potenzial für Umsatzsteigerungen abseits des Inlandsgeschäfts ist also vorhanden, Marktanteile müssen gerade während der Rezession verteidigt und ausgebaut werden. Welche länderspezifischen Eigenheiten gilt es bei der E-Commerce-Expansion zu beachten? Eine Reise durch unsere Nachbarländer.

Niederlande

Die Niederlande machen ernst im E-Commerce, nirgendwo sonst in Europa gibt es derart viele Online-Shops pro Einwohner. Ein zweischneidiges Schwert: Einerseits bedeutet dies eine hohe Konkurrenz für deutsche Händler, andererseits ist die Akzeptanz für den Online-Handel entsprechend groß. Knapp ein Drittel der Niederländer kauft online mehr ein als vor der Pandemie. Besonders Elektronik, Kleidung und - wie soll es bei unseren sportlich aktiven Nachbarn anders sein - Sportgeräte stehen auf den Einkaufslisten.

Die angebotenen Zahlungsmethoden spielen dabei im Online-Shopping-Erlebnis eine wichtige Rolle: 91 Prozent der von uns befragten Konsumenten sehen das Angebot der gewünschten Bezahlmethode als Grundvoraussetzung, um erneut einen bestimmten Händler aufsuchen. Auf den ersten drei Plätzen stehen die Zahlungsmöglichkeiten iDEAL (68 Prozent), PayPal (63 Prozent) und Kreditkarte (40 Prozent). Zudem wünschen sich knapp Drei Viertel ein gutes Serviceangebot; die Implementierung eines Chatbots sowie der kostengünstige Versand sollten also angeboten werden.

Das Vereinigte Königreich (VK)

Eins vorneweg: Das Vereinigte Königreich ist einer der fortschrittlichsten europäischen E-Commerce Märkte, im Jahr 2020 entfielen 21 Prozent der europäischen E-Commerce-Umsätze auf Großbritannien. Da sich In-App-Käufe und das Shopping direkt über Social-Media-Kanäle immer größerer Beliebtheit erfreuen, ist eine "Mobile First"-Strategie beim Markteintritt von Beginn an ratsam. Denn so steigen die Chancen, das Interesse der britischen Verbraucher zu wecken und langfristig Vertrauen aufzubauen. Vier von fünf (81 Prozent) geben an, dieses Vertrauen aus getätigten Online-Käufen und guten Bewertungen führe dazu, einen Online-Shop (wieder) aufzusuchen. Ähnlich wichtig ist das Angebot eines englischsprachigen Online-Shops und Kaufprozesses. 79 Prozent beziehen dies in ihre Kaufentscheidung ein. Die beliebtesten Bezahlarten in Großbritannien sind die Kreditkarte, PayPal und Apple Pay.

Österreich

Eines der kleineren Länder Europas, dafür aber mit viel Potenzial, ist Österreich - gerade für deutsche Onlinehändler. Denn: Die Österreicher gelten als digital-affin, zudem gibt es keine Sprachbarriere. Nichtsdestotrotz unterscheidet sich das dortige Konsumentenverhalten von dem der Deutschen. Aber der Reihe nach: Die Zahl der Onlineshops hat in Österreich in den vergangenen Jahren stark zugenommen, knapp ein Drittel der Bevölkerung plant, in den kommenden zwölf Monaten mehr online zu kaufen als aktuell. Doch immer noch machen viele Anbieter den gleichen Fehler: Sie vernachlässigen die gewünschten Zahlungsmethoden, bei denen PayPal, die Kreditkarte und der SEPA-Transfer die Top drei in Österreich anführen.

Dabei sind diese für die Konsumenten von entscheidender Bedeutung: 55 Prozent würden den Kauf abbrechen, sollte die gewünschte Zahlungsmethode nicht verfügbar sein. Damit liegt das Land über dem europäischen Schnitt von 47 Prozent. Außerdem gewichtet kein anderes Land die Bedeutung von kostenlosen Retouren so hoch wie die Österreicher: Für 80 Prozent stellt das Angebot einen treibenden Faktor beim Online-Kauf dar. Wie in den meisten anderen Ländern sind Kleidung und Elektronik echte Klassiker beim Online-Shopping, aber auch Kosmetika schaffen es beim digitalen Shopping häufig in den Warenkorb der Österreicher.

Frankreich

Ein einwohnerreiches Land und gleichzeitig einer der führenden E-Commerce-Märkte in Europa ist Frankreich. Ein Gros der Einzelhändler ist bereits online aktiv und das Land verfügt über ein ausgedehntes Netz an Click-and-Collect Shops. Diese Infrastruktur können und sollten sich auch deutsche Online-Händler in Frankreich zunutze machen. Denn: 29 Prozent der Franzosen kaufen heute mehr online als noch vor der Pandemie. Dabei legen sie einen hohen Stellenwert auf Sicherheit.

Kann ein Online-Shop dieses Sicherheitsgefühl nicht vermitteln, beispielsweise, weil entsprechende positive Rezensionen fehlen oder bevorzugte Bezahlmethoden nicht angeboten werden, kann das schwerwiegende Folgen haben. 60 Prozent würden dann nämlich von einem Kauf absehen. Darüber hinaus spielt die Bequemlichkeit eine übergeordnete Rolle. Wurde ein Online-Shop als vertrauenswürdig eingestuft, wünschen sich fast zwei Drittel die Speicherung ihrer Daten, um einen Folgeeinkauf effizienter abzuschließen. Im europäischen Durchschnitt ist das nur bei 48 Prozent ein wichtiges Kriterium.

Auch wenn Rezession und Inflation derzeit unsere Leben bestimmen: Europaweit sind die Verbraucherinnen und Verbraucher offen für das Online-Shopping, ein dauerhafter Einbruch ist nicht zu erwarten. Ganz im Gegenteil: Der E-Commerce kann beruhigt in die Zukunft schauen, deutsche Online-Händler sollten die Gunst der Stunde für die Ausarbeitung und Umsetzung von Expansionsplänen nutzen.

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