EuGH stärkt Verbraucherrechte

Ware kaputt – Anspruch auf Gewährleistung



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Zweites Verfahren: mangelhafte Spülmaschine

Das zweite Verfahren, welches der EuGH mit seinem Urteil zu entscheiden hatte, betraf eine über das Internet gekaufte Spülmaschine zum Preis von 367 Euro zzgl. 9,52 Euro Nachnahmegebühren.

Nach Einbau der Spülmaschine stellte sich heraus, dass diese einen nicht behebbaren Mangel hatte, der nicht durch die Montage entstanden war. Die Parteien einigten sich daher auf einen Austausch der Maschine. Die Käuferin verlangte aber nicht nur den Austausch der Maschine, sondern auch den Ausbau der alten und den Wiedereinbau der neuen Maschine, ohne dass sie hierfür Kosten tragen müsse.

Das Amtsgericht Schorndorf stellte hierzu fest, dass der Verkäufer nach deutschem Recht auch dann nicht den Ausbau der mangelhaften Maschine oder den Einbau der neuen schulde, wenn der Verbraucher die mangelhafte Sache vor dem Auftreten des Mangels bereits ihrer Bestimmung gemäß eingebaut hat. Eine solche Pflicht könne sich aber aus der Richtlinie ergeben (siehe oben).

"Würden dem Käufer die Kosten des Einbaus der Ersatzsache nicht ersetzt, müsse er sie zweimal tragen, nämlich einmal für den Einbau der mangelhaften Sache und ein zweites Mal für den Einbau der Ersatzsache.

Bei vertragsgemäßer Lieferung hätte er sie aber nur einmal aufbringen müssen. Es sei zwar denkbar, dass der Verkäufer nur im Fall des Verschuldens verpflichtet sei, die Kosten des Einbaus der Ersatzsache zu tragen.

Wenn der Verbraucher eine Sache verbaut hat, die sich später als mangelhaft herausstellt, muss der Unternehmer die Kosten für den Aus- und Wiedereinbau tragen.
Wenn der Verbraucher eine Sache verbaut hat, die sich später als mangelhaft herausstellt, muss der Unternehmer die Kosten für den Aus- und Wiedereinbau tragen.

Der Umstand, dass dem Verbraucher kein Verschulden vorgeworfen werden könne und der Mangel eher dem Verkäufer zuzurechnen sei als dem Verbraucher, rechtfertige es jedoch, diesem einen Anspruch unabhängig von einem Verschulden des Verkäufers zu gewähren, für den es darüber hinaus leichter sei, den Hersteller in Regress zu nehmen.

Zum Ausbau der mangelhaften Sache stellt das vorlegende Gericht fest, dass der vertragsgemäße Zustand nicht nur umfasse, dass ein mangelfreies Vertragsgut geliefert werde, sondern ebenso, dass kein mangelhaftes Vertragsgut in der Wohnung des Käufers verbleibe, was für eine Auslegung spreche, wonach der Verkäufer zum Ausbau einer solchen Sache verpflichtet sei.

Zudem könnte darin, dass eine mangelhafte Sache in der Wohnung des Verbrauchers verbleibe, eine erhebliche Unannehmlichkeit für diesen liegen. Schließlich scheine der in Art. 3 der Richtlinie verwendete Begriff "Ersatzlieferung" darauf hinzuweisen, dass sich die Verpflichtung des Verkäufers nicht auf die bloße Lieferung einer mangelfreien Ersatzsache beschränke, sondern auch auf den Austausch der mangelhaften durch die mangelfreie Sache erstrecke.”

Vorabentscheidung

Das AG Schondorf legte daher die folgenden Fragen dem EuGH zur Vorabentscheidung vor:

"1. Sind die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 Unterabs. 3 der Richtlinie dahin auszulegen, dass sie einer nationalen gesetzlichen Regelung entgegenstehen, die besagt, dass der Verkäufer im Fall der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts durch Ersatzlieferung die Kosten des Einbaus des nachgelieferten Verbrauchsguts in eine Sache, in die der Verbraucher das vertragswidrige Verbrauchsgut gemäß dessen Art und Verwendungszweck eingebaut hat, nicht tragen muss, wenn der Einbau ursprünglich nicht vertraglich geschuldet wurde?

2. Sind die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 Unterabs. 3 der Richtlinie dahin auszulegen, dass der Verkäufer im Fall der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts durch Ersatzlieferung die Kosten des Ausbaus des vertragswidrigen Verbrauchsguts aus einer Sache, in die der Verbraucher das Verbrauchsgut gemäß dessen Art und Verwendungszweck eingebaut hat, tragen muss?”

Da beide Gerichte letztlich über die gleiche Problematik zu entscheiden haben, hat der EuGH die Verfahren miteinander verbunden und in einem Urteil geantwortet.

Meinung der deutschen Regierung

Die deutsche, die belgische sowie die österreichische Regierung vertraten vor dem Gerichtshof die Auffassung, dass sich aus dem Wort "Ersatzlieferung” nicht ergebe, dass die zunächst gelieferte mangelhafte Sache wieder ausgebaut werden müsse. Vielmehr bezeichne dieser Begriff ausschließlich die Lieferung eines dem Kaufvertrag gemäßen Verbrauchsgutes. Auch aus dem Begriff der "Unentgeltlichkeit” ergäbe sich nicht, dass der Unternehmer Aus- und Wiedereinbau übernehmen müsse.

"Diese Bedingungen bezögen sich nämlich allein auf die Ersatzlieferung und sollten weder dem Verkäufer über den Vertrag hinausgehende Verpflichtungen auferlegen noch den Verbraucher vor den Kosten und den Unannehmlichkeiten schützen, die sich daraus ergäben, dass er das vertragswidrige Verbrauchsgut eigenverantwortlich verwendet habe.”

Gegenposition der EU-Kommission

Die Kommission, die spanische und die polnische Regierung vertraten die Gegenauffassung. "Nach Ansicht der Kommission lässt der durch Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie eingeführte Parallelismus zwischen den beiden Arten der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des mangelhaften Verbrauchsguts den Schluss zu, dass die Ersatzlieferung genauso wie die Nachbesserung das Verbrauchsgut in der Situation zum Gegenstand habe, in der es sich zum Zeitpunkt des Auftretens der Vertragswidrigkeit befinde.

Sei das vertragswidrige Verbrauchsgut bereits gemäß seiner Art und seinem Verwendungszweck eingebaut worden, bilde es in dieser Situation den Gegenstand der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands. Die Ersatzlieferung müsse folglich so vorgenommen werden, dass sich das neue Verbrauchsgut in der gleichen Situation befinde, in der sich das mangelhafte Verbrauchsgut befunden habe.”

Entscheidung des EuGH

Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass dem Wortlaut der Richtlinie und auch den einschlägigen Vorarbeiten zur Richtlinie zu entnehmen ist, dass der Gesetzgeber die Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands der Sache durch den Verkäufer zu einem wesentlichen Bestandteil des durch diese Richtlinie gewährleisteten Verbraucherschutzes machen wollte.

"Diese dem Verkäufer auferlegte Verpflichtung, die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts unentgeltlich zu bewirken, sei es durch Nachbesserung, sei es durch Austausch des vertragswidrigen Verbrauchsguts, soll den Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen schützen, die ihn in Ermangelung eines solchen Schutzes davon abhalten könnten, seine Ansprüche geltend zu machen.”

Kostenabwälzung auf den Verbraucher?

Anschließend entscheidet der EuGH, dass es für den Verbraucher zu finanziellen Lasten führen würde, wenn er vom Unternehmer nicht den Ausbau der mangelhaften Sache und den Einbau der neuen Sache verlangen könne, die er nicht zu tragen hätte, wenn der Unternehmer gleich eine mangelfreie Sache geliefert hätte. "Wenn dieser nämlich von vornherein ein vertragsgemäßes Verbrauchsgut geliefert hätte, hätte der Verbraucher die Einbaukosten nur einmal getragen und hätte keine Kosten für den Ausbau des mangelhaften Verbrauchsguts tragen müssen.”

Würde man also diese Kosten dem Verbraucher auferlegen, hätte dies zur Folge, so der EuGH, dass der Verbraucher, um die ihm durch die Richtlinie verliehenen Rechte ausüben zu können, diese zusätzlichen Kosten tragen müsste, die sich aus der Lieferung eines vertragswidrigen Verbrauchsgutes durch den Verkäufer ergeben. "In diesem Fall würde die Ersatzlieferung für das Verbrauchsgut entgegen Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie nicht unentgeltlich für den Verbraucher vorgenommen.”

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