Analyse

Warum Videokonferenzsysteme sich jetzt gut verkaufen lassen

30.05.2012
Trotz zweistelliger Wachstumsraten herrscht im Videokonferenzmarkt nicht nur eitel Sonnenschein. Cloud-Services und der wachsende IT-Einfluss drohen vielen Fachhändlern, die die Zeichen der Zeit nicht richtig deuten, das Geschäft zu verhageln. Der qualifizierte IT- und TK-Fachhandel braucht jetzt die richtige Strategie, um am boomenden Videokonferenzgeschäft zu partizipieren.

Trotz zweistelliger Wachstumsraten herrscht im Videokonferenzmarkt nicht nur eitel Sonnenschein. Cloud-Services und der wachsende IT-Einfluss drohen vielen Fachhändlern, die die Zeichen der Zeit nicht richtig deuten, das Geschäft zu verhageln. Der qualifizierte IT- und TK-Fachhandel braucht jetzt die richtige Strategie, um am boomenden Videokonferenzgeschäft zu partizipieren.

von Manfred Schumacher, freier Journalist aus Mommenheim

Seit 2011 scheint der Videokonferenzmarkt endlich dort angekommen zu sein, wo ihn Branchenkenner und Marktforscher seit mehr als 15 Jahren schon immer mal sahen: in einer Boom-Phase, die sich nicht sofort wieder verflüchtigt. Diesmal deuten gleich mehrere Fakten darauf hin, dass die Videokonferenz auf dem dauerhaften Weg zum Commodity-Produkt der Geschäftswelt ist. Laut den Marktforschern von IDC belief sich der weltweite Umsatz mit geschäftlich genutzten Videokonferenzsystemen in 2011 auf 2,7 Milliarden US-Dollar - ein Wachstum von 20,5 Prozent gegenüber 2010 und, was noch stärker ins Gewicht fällt, dieses Wachstum von 2012 bis 2016 anhalten.

Hinzu kommen verschiedene Markt- und Technikkonstellationen, die Nachfrage fördernd wirken. Zu nennen hier neben dem Erfolg von Skype und Co., die auch den Geschäftsnutzer auf den Geschmack gebracht haben, und neben immer mehr breitbandigen Anbindungen in Unternehmen die Videowelle, die den Zugang zum Unified Communications-Markt (UC) erleichtert und die das Geschäft mit Videokommunikation ankurbelt. Auf die Wichtigkeit der Videokomponente in den künftig dominanten UC-Lösungen verweisen nicht zuletzt Fusionen á la Cisco/Tandberg und Logitech/LifeSize, Kooperationen wie die zwischen Microsoft und Polycom oder die angekündigte Übernahme von Radvision durch Avaya.

Mit dem Aufkommen der HD-Videokonferenz wurde zudem der jahrelange Preisverfall der Anlagen zumindest in den Jahren, seit denen es sie gibt, deutlich verlangsamt, wenn nicht gar aufgehalten. Für Jörg Weisflog, Vorstand des Hamburger Systemhauses Dekom AG, hat die HD-Videokonferenz den teuren und bislang eher spärlich genutzten Telepresence-Lösungen gar den Rang abgelaufen - als neue, richtig gemachte Telepresence, nämlich mit optimierter Positionierung, Beleuchtung und Akustik im Raum sowie ausreichender Bandbreite.

Als weiterer Markttreiber für die Videokonferenz gilt der Ausbau des neuen Mobilfunkstandards LTE, der die große Schar der mobilen Geschäftsnutzer in Videokommunikationsprozesse der Unternehmen hereinholen und ihnen die zur Festnetzanbindung unterschiedslose Bandbreite für Bild- und Tonübertragung garantieren soll. Für Günther Hust, Niederlassungsleiter München des Systemhauses Vidco Media Systems, Dreieich, ist dies einer der größten Wachstumshebel der Videokonferenz überhaupt.

Allerdings sieht Hurst auch die Gefahr, dass die Entwicklung der Videokonferenz raus aus dem Nischen- und rein in den Massenmarkt mit einer zunehmenden Nachfrage nach billigeren Systemen einhergeht - was, nach dem Glücksfall HD als bislang wirksamem Margenschutz, weder Herstellern noch Händlern schmecken dürfte. Wachstum sei eben nicht alles, argumentiert so auch der Mainzer AV-Spezialdistributor Vitec: "Der Fachhandel profitiert vom wachsenden Videokonferenzmarkt nur mit der richtigen Strategie", meint dessen Geschäftsführer Dr. Wilhelm Mettner, worunter er zwei verschiedene Handlungsweisen versteht. Händler sollten sich vertrieblich nach oben, in die Chefetagen, orientieren und sich zudem rasch in Richtung IT bewegen.

Die Chefetage sei deshalb die Erfolg versprechende Vertriebsrichtung, eeil die Abteilungsebene als Absatzplattform für Videokonferenzen künftig womöglich durch Cloud-Angebote kannibalisiert werde und wegfalle. "Die Chefs wollen auch dann weiter ihre Live-Meetings haben und nicht vor einem PC sitzen, wenn alle anderen im Unternehmen sich bereits per Cloud-Service virtuell in die Augen schauen", so Mettner.

IT-Wissen aufbauen, um künftig zu bestehen, müssen die Fachhändler laut Vitec zweitens deshalb, weil mit der Konvergenz von TK und IT eine künftige Dominanz der IT-Firmen im AV-Markt vorhersehbar ist. "Die AV-Händler, die heute weder IT-Kompetenz noch Partner dafür haben und nichts daran ändern, sind in drei Jahren geschäftlich tot", prognostiziert Mettner. Damit steht er nicht allein. Auch Christian Heiden, Vertrieb Medientechnik bei Fleischhauer TV Communications, Hannover, ist sich sicher, dass der klassische Endpunktverkäufer und Medientechniker aus genau diesen Gründen künftig immer mehr Probleme bekommt.

Während Mettner das Geschäftsmodell seiner Spezialdistribution, das die gesamte Wertschöpfungskette abdecke und dem Fachhandel unterschiedliches Know-how aus Bereichen wie AV, IT, TK, Security und Consulting anbiete, durch diese Entwicklung gestärkt sieht, setzt Weisflog mit seinem AV-Systemhaus in einem künftig noch wettbewerbsintensiveren Markt auf Differenzierung durch Skills wie AV-Integrations-Know-how, Managed Service-Kompetenz und Deployment-Kampagnen. (rw)

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