Arbeitsrecht international

Wenn der Arbeitgeber kündigt



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Wo die Hürden lauern und weitere Beispiele aus anderen Ländern

In Serbien kann der Arbeitgeber zwar das Arbeitsverhältnis praktisch sofort beenden, weil die generelle Kündigungsfrist mit fünf Arbeitstagen extrem kurz ist. "In diesem Fall schreibt das Gesetz jedoch eine Abfindung vor, die bis zu 36 Monatsgehältern betragen kann und vom Gericht festgelegt wird", sagt Alexander Samonig, Ecovis-Partner in Belgrad. Unter bestimmten Umständen kann die Kündigungsfrist abhängig vom Kündigungsgrund auch mehrere Monate betragen.

Britische Arbeitgeber können Mitarbeitern jederzeit aus jedem Grund kündigen. Dabei müssen sie aber - außer bei grobem Fehlverhalten oder Vertragsbruch seitens des Arbeitnehmers - die gesetzliche Kündigungsfrist wahren, die von einer Woche im ersten Beschäftigungsjahr bis zu maximal zwölf Wochen nach 12 oder mehr Jahren reicht. Oder sie müssen einen entsprechenden Lohn- oder Gehaltsausgleich leisten. "Eine zusätzliche Kompensationszahlung kann fällig werden, wenn die Entlassung als unfair anzusehen ist, weil kein zulässiger Grund vorliegt oder die Regeln eines fairen Procederes missachtet wurden", erklärt Darryl Evans, Arbeitsrechtsexperte bei der Londoner Ecovis-Partnerkanzlei Boodle Hatfield LLP.

Ähnlich wie in Großbritannien haben japanische Arbeitgeber die Wahl, entweder die gesetzliche Kündigungsfrist (einheitlich 30 Tage) einzuhalten oder ihn noch so lange zu bezahlen, wenn sie ihn sofort entlassen. Die rechtlichen Hürden sind jedoch erheblich höher: "Nach dem japanischen Arbeitsvertragsgesetz sind Kündigungen rechtsmissbräuchlich und damit nichtig, wenn keine vernünftigen Gründe dafür vorliegen und sie aus gesamtgesellschaftlicher Sicht unangemessen sind. Für die Arbeitgeber ist es ausgesprochen schwierig, den Behörden Gründe darzulegen, die deren Ansprüchen genügen", konstatiert Kazuhiko Chiba, Partner der Ecovis-Kanzlei in Tokio. "Daher empfiehlt es sich, als Präventivmaßnahme detaillierte disziplinarische Regeln in die betriebliche Arbeitsordnung aufzunehmen."

Marcus Bodem, Rechtsanwalt und Ecovis-Partner in Berlin, merkt dazu an: "In Deutschland und anderen europäischen Ländern ist die Rechtslage mit Japan vergleichbar, was die Rechtmäßigkeit von Kündigungen durch den Arbeitgeber angeht. Deshalb ist es auch hier ratsam, dass die Unternehmen als vorbeugende Maßnahme eine verpflichtende Disziplinarordnung aufstellen.

Deutschland hat übrigens unter den untersuchten Ländern die längsten gesetzlichen Fristen für ordentliche Kündigungen von Arbeitnehmern durch den Arbeitgeber: von vier Wochen zum Monatsende in den ersten beiden Beschäftigungsjahren bis zu sieben Monaten nach 20 Jahren im Betrieb.

Entlassungen in kritischen Situationen

Massenentlassungen sind in den meisten Staaten nur eingeschränkt möglich – also nur, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind und bestimmte Verfahrensregeln eingehalten werden. Zulässig sind Massenentlassungen vor allem, wenn ein Unternehmen oder Betrieb in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt oder zu geraten droht. In allen untersuchten Ländern außer Griechenland sind dabei Mitwirkungsrechte der Gewerkschaften oder betrieblichen Arbeitnehmervertretungen zu beachten. "In Uruguay besteht zwar keine gesetzliche Verpflichtung, vor Entlassungen die Gewerkschaften zu konsultieren oder mit ihnen Vereinbarungen zu treffen.

Doch faktisch haben die Gewerkschaften in bestimmten Fällen eine starke Position und die Unternehmen müssen sich mit ihnen einigen", erklärt Marcelo Caiafa, Ecovis-Partner in der Hauptstadt Montevideo. In 15 Ländern – darunter auch Großbritannien – muss der Arbeitgeber einen Sozialplan vorschlagen bzw. mit dem Betriebsrat oder den Gewerkschaften aushandeln, der die Auswahl der zu entlassenden Mitarbeiter und die Bemessungskriterien für deren Abfindungen regelt.

Dagegen können Unternehmen, die finanziell so angeschlagen sind, dass sie Insolvenz beantragt haben, in fast allen Staaten (82 Prozent) Mitarbeiter leichter als im Normalfall kündigen.

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