Das Problem der freiwilligen Sonderzahlungen

"Bisher gab's immer Geld, warum jetzt nicht mehr?"

16.05.2012

Konkludentes Verhalten

Von solchen Klauseln muss man sich nach der neuesten Rechtsprechung des BAG ebenfalls verabschieden. In seiner Entscheidung vom 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - hat nämlich das BAG eine ähnliche Klausel für unwirksam erachtet. Der diesbezügliche Orientierungssatz des Entscheidung lautet, dass ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt, der alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfasst, den Arbeitnehmer regelmäßig unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB benachteiligt und deshalb unwirksam ist.

In der vorzitierten Entscheidung äußert das BAG bereits Bedenken, ob ein solcher vertraglicher Vorbehalt dauerhaft den Erklärungswert einer ohne jeden Vorbehalt und ohne den Hinweis auf die vertragliche Regelung erfolgten Zahlung so erschüttern kann, dass der Arbeitnehmer das spätere konkludente Verhalten des Arbeitgebers (betriebliche Übung, Anmerkung des Autors) entgegen seinem gewöhnlichen Erklärungswert nicht als Angebot zur dauerhaften Leistungserbringung verstehen kann.

Entscheidend ist jedoch, dass das Bundesarbeitsgericht weiter ausführt, dass unabhängig davon seine bisherige Rechtsprechung in den Fällen eingeschränkt werden muss, in denen ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfassen soll. Ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt bezieht unzulässigerweise nach Ansicht des BAG laufende Leistungen ein und verstößt sowohl gegen den in § 305 b BGB bestimmten Vorrang der Individualabrede als auch gegen den Allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass vertragliche Regelungen einzuhalten sind.

Ferner sind nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist danach unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartner durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

Das BAG kritisiert bei dem vorzitierten Freiwilligkeitsvorbehalt, dass nicht unterschieden werde, ob es sich um laufende Leistungen oder einmalige Sonderzahlungen handeln soll; eine Konkretisierung auf bestimmte Leistungen oder zumindest auf eine bestimmte Art von Leistungen sei in diesem Vorbehalt nicht enthalten. Ebenso wenig werde auf den Entstehungsgrund der Leistungen abgestellt. Der Wort-laut erfasse sowohl Fälle der betrieblichen Übung als auch konkludente, z. B. auf einer Gesamtzusage beruhende Vereinbarungen und sogar ausdrückliche vertragliche Einzelabreden. Da deshalb nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel bliebe, ginge dies gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders, also zu Lasten des Arbeitgebers. Der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber müsse bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen. Mit anderen Worten: die Klausel ist unwirksam. Eine solche Klausel verhindert deshalb gerade keinen Anspruch des Arbeitnehmers beispielsweise auf Sonderzahlungen, Gratifikationen, Prämien etc.

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