Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs

Der Informatik-Ingenieur als Freiberufler

26.10.2010

Umsetzung in der Praxis - Finanzämter

Finanzämter die mit Verfahren dieser Art und damit auch mit diesen Urteilen zu tun haben, setzen diese aus meiner bisherigen Erfahrung sehr unterschiedlich um. Manche Finanzämter lassen sich durchaus von den oben genannten Urteilen beeindrucken. Sofern die Tätigkeit des Selbständigen detailliert und plausibel dargelegt und gegebenenfalls mit entsprechenden Dokumenten belegt ist, steigen sie nicht mehr sehr intensiv in die Prüfung des vergleichbaren Wissens ein, vorausgesetzt, auch hierzu wurde vom Selbstständigen oder seinem Rechtsbeistand entsprechend ausführlich und nachvollziehbar vorgetragen.

Andere Finanzämter hingegen prüfen die Tätigkeit nur noch sehr oberflächlich, konzentrieren sich aber umso mehr auf den Aspekt der Kenntnisse des Selbständigen. Da hier - wie oben bereits dargelegt - die neuen Urteile keine Änderung mit sich bringen, gilt die bisherige Rechtsprechung, nach der der Selbstständige das einem Diplom-Ingenieur bzw. Diplom-Informatiker (FH) vergleichbare Wissen nachweisen muss. Hier kommt es durch die neuen Urteile sogar insofern zu einer Verschlechterung der Situation, da das Finanzamt den Wissensnachweis intensiver als bislang prüft.

Einige Finanzämter versuchen sich zudem in einer ausgesprochen individuellen Interpretation der Urteile, um diese auf den Einzelfall nicht anwenden zu müssen. So versuchte beispielsweise ein Finanzamt aus den Urteilen einzelne Aspekte der Tätigkeit für entscheidungserheblich zu definieren. Es machte die Freiberuflichkeit u.a. davon abhängig, dass selbstentwickelte Hilfs- und Dienstprogramme eingesetzt werden und dass der Selbstständige die der Softwareanpassung auf Eigenentwicklungen zurückgreifen muss. Hier handelt es ich eindeutig um absolute Überinterpretationen der Urteile des BFH, die am eigentlichen Gehalt der Entscheidungen vorbeigehen.

Umsetzung in der Praxis - Finanzgerichte

Ähnlich gestaltet sich die Situation bei den Finanzgerichten. Auch hier gibt es unterschiedliche Handhabungen. Allerdings erlebe ich häufiger, dass die Richter versuchen, die Verfahren mittels der neuen BFH-Urteile schneller "vom Tisch zu bekommen", indem sie gegenüber dem Finanzamt auf die nunmehr eindeutig besseren Chancen der klagenden Selbstständigen hinweisen und so das Finanzamt zum Nach- bzw. Aufgeben verleiten möchten - sofern die Klage ansonsten entsprechend substantiiert begründet ist.

Allerdings haben die Finanzgerichte - gegenüber den ordentlichen Gerichten wie Amts- oder Landgericht - (auch) einen Aufklärungsauftrag. Dies bedeutet, dass die Finanzgerichte entscheidungserhebliche Tatsachen teilweise selbst aufklären müssen. Und da die Tätigkeiten hierfür keinen großen Spielraum mehr bieten, kommt es manchmal zu einer für den Selbstständigen ungünstigen Situation, in der das Finanzgericht der Vergleichbarkeit des Wissens intensiver nachforscht als sonst.

Die ist aber nach meiner Erfahrung bislang eher die Ausnahme.

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