Lenovo Neptune für ThinkSystem SD650

Direkte Wasserkühlung bei Servern wird serienreif

Peter Marwan lotet kontinuierlich aus, welche Chancen neue Technologien in den Bereichen IT-Security, Cloud, Netzwerk und Rechenzentren dem ITK-Channel bieten. Themen rund um Einhaltung von Richtlinien und Gesetzen bei der Nutzung der neuen Angebote durch Reseller oder Kunden greift er ebenfalls gerne auf. Da durch die Entwicklung der vergangenen Jahre lukrative Nischen für europäische Anbieter entstanden sind, die im IT-Channel noch wenig bekannt sind, gilt ihnen ein besonderes Augenmerk.
Mit Lenovo Neptune hat der Hersteller seinen Ansatz für eine umfassende Flüssigkühlung von Rechenzentren in ein vermarktungsfähiges Format gebracht. Was zusammen mit der Elite im Supercomputing entwickelt wurde, kann so in der Breite ankommen. Wesentlich ist dabei die bald mögliche Hybridkühlung.

Lenovo hat im Vorfeld der International Supercomputing Conference (ISC) von 24. bis 28. Juni in Frankfurt Lenovo Neptune vorgestellt. Mit dem Konzept beschreibt der Hersteller seinen Ansatz für die Flüssigkeitskühlung von Rechenzentren. Besonderheit ist dabei vor allem die direkte Warmwasserkühlung der Server. Deren Anfänge wurden einst von IBM zusammen mit dem Leibniz-Rechenzentrum der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (LRZ) in Garching bei München entwickelt und kamen erstmals im "SuperMUC" zum Einsatz. Bei der Inbetriebnahme 2012 war das Europas leistungsfähigster Supercomputer.

Während die Kühlung ganzer Racks mit Flüssigkeit zuvor schon versucht worden war und angeboten wurde, ging IBM damals einen Schritt weiter und brachte die flüssigkeitsbasierende Wärmeableitung an Prozessoren und Hauptspeicher, also dahin, wo die Wärme entsteht. Auch die Kühlung mit Wasser mit Temperaturen bis zu 55 Grad Celsius brachte eine Verbesserung der Energieeffizienz gegenüber der bis dahin in Rechenzentren üblichen Temperaturen zwischen 18 und 21 Grad. Dadurch konnte häufiger auf die Kühlung mit Außenluft, die sogenannte "freie Kühlung", zurückgegriffen werden.

Durch die Kupferrohre wird in einem Lenovo ThinkSystem SD650 Server 50 Grad warmes Kühlwasser an CPUs, PCIe und Spannungsreglern vorbeigeleitet.
Durch die Kupferrohre wird in einem Lenovo ThinkSystem SD650 Server 50 Grad warmes Kühlwasser an CPUs, PCIe und Spannungsreglern vorbeigeleitet.
Foto: Lenovo

Lenovo hat diesen Ansatz seitdem weiterentwickelt und sich darum bemüht, ihn von der Prototypen-Phase, die er im Rechenzentrum in Garching noch hatte, in ein breiter vermarktbares und serienreifes Format zu bringen. Das liegt nun vor. Es umfasst die direkte Warmwasserkühlung, Wärmetauscher auf der Rückseite der Servern sowie Möglichkeiten, Luft- und Flüssigkeitskühlung zu kombinieren. In Anlehung an den römischen Meeresgott Neptun wird es Lenovo Neptune genannt.

Rechenzentren lassen sich damit laut Lenovo bis zu 50 Prozent effizienter betreiben, ohne Abstriche bei der Leistungsfähigkeit machen zu müssen. Dabei hilft eine die Energy Aware Runtime (EAR) genannte Software von Lenovo. Sie optimiert Systeme von der Komponentenebene bis zum Gehäuse auf Energieeffizienz und Leistung. Der erste Server, der Lenovo Neptune unterstützt, ist der ThinkSystem SD650. Er kommt auch im LRZ zum Einsatz.

Aufgrund der dort gesammelten Erfahrungen nutzt der ThinkSystem SD650 heute 50 Grad Celsius warmes Wasser zur Kühlung von CPUs, PCIe und Spannungsreglern. Der Server kommt dadurch ohne Lüfter oder sogenannte Chiller aus. Dennoch arbeitet er bei niedrigeren Temperaturen als luftgekühlte Systeme.

Laut Lenovo lassen sich Intel-Xeon-Scalable-Prozessoren daher mit bis zu 240 W betreiben. Herkömmliche luftgekühlte Systeme seien auf maximal 165 W begrenzt. Daher lasse sich bei höherer Leistung der Stromverbrauch im Rechenzentrum dennoch um 30 bis 40 Prozent reduzieren.

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Dazu trägt auch der als RDHX bezeichnete Wärmetauscher auf der Rückseite der Server bei. Der absorbiert die Wärme, die von luftgekühlten Systemen abgegeben wird und reduziert so die Menge der abgegebenen Warmluft. Die mit Lenovo Neptune angekündigte Hybridkühlung soll "in naher Zukunft" zudem die gleichzeitige Nutzung von Flüssigkeits- und Luftkühlung in einem System ermöglichen. Der PUE-Wert eines Rechenzentrums lasse sich so auf Werte von 1,2 bis 1,4 senken. Das ThinkSystem SD650 selbst glänzt mit einem PUE-Wert von weniger als 1,1. Bei einem Wert von 1,0 würde alle eingesetzte Energie der Rechenleistung zugute kommen.

Flüssigkühlung bei Fujitsu-Servern

Fujitsu hatte 2015 bereits Server mit Flüssigkühlung vorgestellt. Allerdings hatte die das Unternehmen nicht selbst entwickelt, sondern vom dänischen Unternehmen Asetek eingekauft. Auch das setzt darauf, die Wärme direkt an den Prozessoren abzuführen. Fujitsu nennt seinen Ansatz "Cool-Central Liquid Cooling". Er wird derzeit für die Modelle Primergy CX2550 M1 und Primergy CX2570 M1 LC angeboten.

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Einen anderen Ansatz verfolgen unter anderem Gigabyte, der Supercomputing-Spezialist Pezy und ZTE. Sie arbeiten daran, Rechner während des Betriebs zur Kühlung komplett in nichtleitende Flüssigkeiten einzutauchen. Gigabyte hat ein entsprechendes Konzept 2017 präsentiert. Es nutzte dazu eine von 3M entwickelte Flüssigkeit, die zum Beispiel auch in Brandlöschanlagen in Rechenzentren verwendete werden könnte.

Pezy Computing, ein im Bereich Supercomputing aktiver, japanischer Chip-Designer, setzte bei dem von ihm mitkonstruiertem Supercomputer Gyoukou, den eine japanische Forschungseinrichtung benutzt, auf "iquid immersion cooling", also das komplette Eintauchen der Rechnerknoten in Flüssigkeit zur Kühlung. Allerdings ist das Unternehmen wegen Korruptionsvorwürfen derzeit stark unter Druck.

ZTE zeigte sein Konzept für Flüssigkühlung auf dem Mobile World Congress 2018 in Barcelona. Die nächste Generation dieses Prototyps soll Berichten zufolge auch für Systeme mit Xeon-Scalable-Prozessoren geeignet sein. Probleme gebe es allerdings noch bei Fibre-Channel-Anbindungen und auch die Kosten für die verwendete Flüssigkeit sind noch recht hoch. ZTE arbeitet aber offenbar mit einer chinesischen Chemiefirma daran, günstigere Kühlflüssigkeiten mit identischen Eigenschaften zu entwickeln.

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