Elektronisches Archiv für technische Zeichnungen

11.05.2006
Eine Nische wie die CAD-Branche liefert auch heute noch genug Umsatzpotenzial für Dienstleister. Ein Projekt des Maxdata-Partners Hellmig EDV zeigt dies eindrucksvoll.

Von Dr. Ronald Wiltscheck

Technische Zeichnungen von Maschinen müssen oft abgerufen, abgelegt oder auf den neuesten Stand gebracht werden. Gängige CAD-Anwendungen bieten für diese Verwaltungsvorgänge nur rudimentäre Werkzeuge. Hier schlägt die Stunde von Spezialisten wie Gain: Der Softwarehersteller aus Bielefeld bietet derartige Produkt-Daten-Management (PDM)-Systeme bereits seit 22 Jahren an.

Seit 20 Jahren im CAD-Geschäft tätig

Fast genauso lang besteht auch die Vertriebs- und Entwicklungspartnerschaft mit der Hellmig EDV GmbH in Wiehl, gut 40 Kilometer östlich von Köln. Zwar wurde dieses Unternehmen erst 1993 gegründet, aber der Firmeninhaber Rolf Hellmig ist bereits seit 1986 im CAD-Geschäft tätig.

So verwundert es nicht, dass Gain die Anfrage seines Kunden Hegenscheidt-MFD an Hellmig weitergeleitet hatte. Der Werkzeugmaschinenbauer aus Erkelenz bei Mönchengladbach setzt bereits seit 15 Jahren ein System ein, das dem Unternehmen als "elektronischer Zeichnungsschrank" dient. Die Gain-Software gehörte damals zu den ersten Lösungen, die ein sicheres Ein- und Auschecken von Zeichnungen, zuverlässige Versionsverwaltung und die Integration von AutoCAD, des CAD-Programms von Autodesk, erlaubten.

Darüber hinaus war das System schon damals flexibel genug, dass Hegenscheidt es erweitern und an die eigenen Bedürfnisse anpassen konnte. Für diese Aufgabe wandte der Maschinenbauer lange Zeit viel Energie auf. Diese Arbeit hat sich aber gelohnt. Das Dokumentationssystem verfügt beispielsweise über die Funktion "ZV". Sie erlaubt nach Abschluss des Projekts, sämtliche Unterlagen automatisch an die Dokumentationsabteilung zu übermitteln - eine enorme Arbeitserleichterung, da Pläne, Zeichnungen und Stücklisten quasi auf Knopfdruck zusammengestellt werden können.

Da der Kunde also das PDM-System selbst fortlaufend anpasste, verzichtete er auf die regelmäßigen Updates der Basissoftware von Gain. Gleichzeitig stiegen jedoch die Ansprüche an das System. So wünschte sich etwa Konstruktionsleiter Frank Risters, dass die aus den technischen Zeichnung hervorgehenden Anforderung an Materialien unmittelbar an das hausinterne ERP-System Baan übermittelt werden sollten.

Ferner überlegte sich Risters, ob man die Arbeitsabläufe beim Aus- und Einchecken von technischen Zeichnungen im Archiv nicht vereinfachen könnte. Relativ bald war jedoch dem Konstruktionsleiter klar, dass es zu aufwändig wäre, die neuen Funktionen in die vorhandene, aber inzwischen eben veraltete Gain-Software einzubauen.

Eine Präsentation hat ausgereicht

"Wir haben die am Markt vorhandenen Systeme unter die Lupe genommen. Schließlich gab es Alternativen, die aktuelle Gain-Version war nur eine von vielen", erinnert sich Risters. Daraufhin beauftragte der Bielefelder Softwarehersteller seinen langjährigen Partner Hellmig EDV, die neue Version der eigenen Software, Gain EDM 7.5, dem Kunden vorzustellen.

"Wir mussten bei Hegenscheidt nur eine Präsentation halten, um die dort Verantwortlichen von unserer Lösung zu überzeugen", erzählt Rolf Hellmig. Die neue Gain-Version konnte prinzipiell alle Wünsche des Maschinenbauers erfüllen. So dauerten die anschließenden Verhandlungen über den Umfang des Projekts gerade mal drei Tage.

Am Anfang des Versions-Update stand natürlich die Übertragung der Daten aus dem alten System. "So etwas kann man theoretisch automatisch machen", erläutert Frank Risters von Hegenscheidt. "Allerdings haben wir diese Gelegenheit genutzt, um unsere Daten umfassend zu bereinigen."

Zu den bereinigten Daten gehören weit mehr als nur CAD-Pläne: Da gibt es digitale Fotos von Anlagen, Modellen oder Produkten des Kunden, die als Grundlagen für Konstruktionen verwendet werden. Ferner kommen eingescannte technische Zeichnungen dazu, weitergehende Beschreibungen der Anlagen, Kalkulationen oder CAD-Pläne aus anderen Systemen. Diese Daten lassen sich mit Gain in einen Projekt zusammenfassen.

Gain mit Autodesk verknüpfen

Einen Großteil des Projekts nahm anschließend die Integration der derzeit bei Hegenscheidt im Einsatz befindlichen Autodesk-Mechanical-2006-Software in das Gain-System in Anspruch. Hiermit waren zwei Mitarbeiter von Hellmig EDV etwa einen Monat lang beschäftigt.

Doch diese Arbeit hat sich gelohnt: Konstrukteure des Maschinenbauers merken es fast nicht, ob sie gerade Gain oder das CAD-System von Autodesk verwenden. Bestehende Zeichnungen lassen sich auf Knopfdruck zum Bearbeiten aus dem Archiv auschecken. Das System weiß, wer der Hegenscheidt-Mitarbeiter ist, der diese Zeichnung anfordert, und versorgt diese automatisch mit der zugehörigen Namenskennung. Alle anderen Berechtigten wissen nun, wer sich diese eine technische Zeichnung gerade ansieht oder sie bearbeitet. Diese CAD-Datei ist für alle anderen Benutzer gesperrt. Wenn der Konstrukteur die Zeichnung abspeichert, wird sie mit einer neuen Versionsnummer registriert und mit dem Datum der letzten Änderung oder Ansicht versehen.

Diese enge Verzahnung zwischen Gain und Autodesk Mechanical ist auch deswegen so umfangreich ausgefallen, weil die Spezialisten von Hellmig vieles an die Wünsche des Kunden anpassen mussten. So sollten etwa die Stücklisten und Zeichnungsköpfe in mehreren Sprachen verfügbar sein, damit auch die Hegenscheidt-Niederlassungen in den USA, Großbritannien, China, Mexiko, Südafrika, Russland und Australien die sich aus den technischen Zeichnungen ergebenden noch zu beschaffenden Ersatzteile bestellen konnten.

Auch Papierzeichnungen ins neue Archiv

Ferner forderte der Kunde von seinem Dienstleister, dass auch auf Papier vorhandene Zeichnungen, Skizzen und sonstige Dokumente eingescannt und als PDF- oder Tiff-Dateien abgespeichert werden sollten, um sie auch Lieferanten und Kunden zur Verfügung stellen zu können. Außerdem wollte Hegenscheidt, dass mit der neuen Gain-Software nicht nur die eigenen Konstrukteure arbeiten sollten, sondern auch externe Ingenieurbüros. Derartige Funktionen stellt Gain bereit: Über VNC (Virtual Network Computing) dürfen externe Entwickler auf das PDM-System zugreifen. Sie können Datensätze anlegen, sie kopieren und verändern.

Hierzu schickt Gain per E-Mail die Datensätze an die beteiligten externen Büros, wo die Zeichnungen angepasst und anschließend an Gain zurückgesendet werden. Der so genannte "Job Automation Server" pflegt sie ins PDM-System ein, sodass sie wieder allen Beteiligten zur Verfügung stehen. Dieses Teilprojekt ist bereits beendet worden und funktioniert zur Zufriedenheit der externen Teilnehmer. Auch der Freigabeprozess, also die maschinelle Vergabe von Kennungen, Datumsstempeln und Versionsnummern für die Datensätze samt digitaler Unterschrift des Konstrukteurs, der das Dokument bearbeitet, ist weitgehend automatisiert worden. Hierdurch spart sich der Kunde eigener Aussage zufolge vier Stunden Arbeitszeit pro Tag. In diese neuen Funktionen wurde der Systemadministrator bei Hegenscheidt zwei Tage lang durch Hellmig eingewiesen.

Integration ins ERP-System von Baan

Dennoch geht Hellmig EDV die Arbeit nicht aus. Für die nächsten Monate plant der Kunde gemeinsam mit seinem Dienstleister, sein System zu erweitern. Es geht um die Anbindung von Gain an die ERP-Software von Hegenscheidt. So kann der Kunde künftig die mit Hilfe des PDM-Systems erstellten Stücklisten in die Baan-Software direkt übertragen. Dort wird automatisch geprüft, ob die benötigten Ersatzteile und Materialien bereits im Lager vorrätig sind. Hierfür müssen die Fachleute von Hellmig nun die in Gain verankerten Workflow-Prozesse erweitern, bis sie mit den Betriebsabläufen bei Hegenscheidt übereinstimmen.

Dass so etwas nicht von heute auf morgen geht, ist Konstruktionsleiter Risters klar: "Da kommt zwar noch viel Arbeit auf uns zu, aber letztlich wird uns Gain helfen, den Kunden schnell die gewünschten Produkte liefern zu können." So ist der Kunde auch weiterhin bereit, in die Zusammenarbeit mit seinem Dienstleister zu investieren. Bis dato gab er für die mit dem Projekt zusammenhängenden Dienstleistungen und Softwarelizenzen rund 50.000 Euro aus. Bis zu fünf Mitarbeiter von Hellmig EDV waren an 40 Arbeitstagen vor Ort beim Kunden. Außer der Anbindung des PDM-Systems an die Baan-ERP-Software steht auch ein Update auf Gain 8.0 an. Diese Version ist seit Mitte April 2006 beim Hersteller erhältlich.

Mittelfristig wird sich Hegenscheidt ein 3D-CAD-Programm anschaffen. Erste Tests mit verschiedenen Applikationen laufen bereits beim Kunden. Noch ist aber nicht klar, ob man sich wie bei der 2D-CAD-Software erneut für ein Produkt aus dem Hause Autodesk entscheiden wird.

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