Schwarzer Tag für Internethandel

EuGH kippt Wertersatz im Falle des Widerrufes

18.09.2009

Das Urteil:

Am 03.09.2009 hat der europäische Gerichtshof sein Urteil verkündet. Im Tenor heißt es:

Die Bestimmungen des Artikel 6 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Richtlinie 97/7/EG des europäischen Parlamentes und des Rates vom 20.05.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der der Verkäufer vom Verbraucher für die Nutzung einer durch Vertragsschluss im Fernabsatz gekauften Ware in dem Fall, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht fristgerecht ausübt, generell Wertersatz für die Nutzung der Ware verlangen kann.

Diese Bestimmungen stehen jedoch nicht einer Verpflichtung des Verbrauchers entgegen, für die Benutzung der Ware Wertersatz zu leisten, wenn er diese auf einer mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts, wie denen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbarer Art und Weise benutzt hat, sofern die Zielsetzung dieser Richtlinie und insbesondere die Wirksamkeit und die Effektivität des Rechts auf Widerruf nicht beeinträchtigt werden; dies zu beurteilen ist Sache des nationalen Gerichtes.

In der Praxis kann man diesen Tenor wie folgt übersetzen:

Zukünftig kann im Falle eines wirksamen Widerrufes kein Wertersatz mehr geltend gemacht werden. Dies gilt sowohl für den - umstrittenen - Wertersatz für eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme, wie auch für den Wertersatz im Grundsätzlichen.

Der europäische Gerichtshof begründet diese Ansicht damit, dass entsprechend der Richtlinie die einzigen Kosten, die dem Verbraucher in Folge der Ausübung seines Widerrufsrechtes auferlegt werden können, die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren sind. Zudem soll das Widerrufsrecht den Nachteil ausgleichen, dass der Verbraucher bei einem Vertragsabschluss im Fernabsatz die Ware nicht sofort prüfen kann, indem ihm eine angemessene Bedenkzeit eingeräumt wird, in der er die Möglichkeit hat, die gekaufte Ware zu prüfen und auszuprobieren. Die Frage des Wertersatzes würde innerhalb der Widerrufsfrist auf den Verbraucher Druck ausüben und ihn in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen. "Außerdem würden die Wirksamkeit und die Effektivität des Rechtes auf Widerruf beeinträchtigt, wenn dem Verbraucher auferlegt würde, allein deshalb Wertersatz zu zahlen, weil er die durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekaufte Ware geprüft und ausprobiert hat. Da das Widerrufsrecht gerade zum Ziel hat, dem Verbraucher diese Möglichkeit einzuräumen, kann deren Wahrnehmung nicht zur Folge haben, dass er dieses Recht nur gegen Zahlung eines Wertersatzanspruches ausüben kann" so der EuGH.

Ein kleines Türchen hat der EuGH jedoch offen gelassen. Wertersatz ist dann zu zahlen, wenn der Verbraucher eine im Fernabsatz gekaufte Ware eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechtes, wie denen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbaren Art und Weise genutzt hat. Hierbei dürfte es sich um Sonderfälle handeln, bei denen wir schon jetzt auf die Einzelfallrechtsprechung, die zukünftig folgen wird, gespannt sind. Der Begriff von "Treu und Glauben" ist der absolute Notnagel des Bürgerlichen Gesetzbuches, wenn man mit den klaren gesetzlichen Regelungen nicht mehr weiterkommt. Denkbar sind hier mutwillige Beschädigungen der Ware oder eine Nutzung eines Produktes, für die das Produkt so absolut nicht gedacht war. Wir gehen davon aus, dass es dem Gesetzgeber kaum möglich sein wird, diese Fälle, in denen ein Wertersatz dennoch geltend gemacht werden kann, in Gesetzesform zu gießen. Zudem weist der europäische Gerichtshof in seinem Tenor ausdrücklich darauf hin, dass es Sache von nationalen Gerichten sei, diese Frage zu beurteilen.

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