IBM Q System One

IBM stellt kommerziell nutzbaren Quantencomputer vor

Peter Marwan lotet kontinuierlich aus, welche Chancen neue Technologien in den Bereichen IT-Security, Cloud, Netzwerk und Rechenzentren dem ITK-Channel bieten. Themen rund um Einhaltung von Richtlinien und Gesetzen bei der Nutzung der neuen Angebote durch Reseller oder Kunden greift er ebenfalls gerne auf. Da durch die Entwicklung der vergangenen Jahre lukrative Nischen für europäische Anbieter entstanden sind, die im IT-Channel noch wenig bekannt sind, gilt ihnen ein besonderes Augenmerk.
Über das Q Quantum Computation Center im US-Bundesstaat New York wird Quantencomputing kommerziell als Dienst angeboten. Die Einrichtung soll im Laufe des Jahres 2019 eröffnet werden.

IBM bietet nun das erste integrierte System für Quantencomputing an. Es richtet sich an Wissenschaftler und Firmen und wird als IBM Q System One vermarktet. Das System wird derzeit auf der CES in Las Vegas vorgestellt. Außerdem hat IBM angekündigt, über das Q Quantum Computation Center in Poughkeepsie im US-Bundesstaat New York Quantencomputing kommerziell als Dienst anzubieten. Die Einrichtung soll im Laufe dieses Jahres eröffnet werden.

Mit dem IBM Q System One macht Big Blue den Schritt vom experimentellen zum kommerziellen Quantencomputer.
Mit dem IBM Q System One macht Big Blue den Schritt vom experimentellen zum kommerziellen Quantencomputer.
Foto: IBM

IBM-CEO Ginni Rometty nutzte zudem während einer Keynote auf der CES die Gelegenheit, Fortschritte ihres Unternehmens im Bereich Quantencomputer vorzustellen und darzulegen, wie die neuen Technologien vermarktet werden. IBM ist seit Jahren einer der Vorreiter bei Quantencomputern und hat immer wieder wichtige Beiträge zur Entwicklung der Technologie gemacht. So konnten seit Mait 2016 Interessenten im Rahmen der IBM Quantum Experience über das Internet auf ein 5-Qubit-System von IBM Research zugreifen. Darauf ließen sich mittels Programmierschnittstelle und Benutzeroberfläche experimentelle Programme ausführen. Der Zugriff auf den Quantencomputer-as-a-Service war kostenlos. Davon haben über 100.000 Menschen Gebrauch gemacht.

In Europa bietet seit Sommer 2017 Atos mit seiner Atos Quantum Learning Machine Firmen die Möglichkeit, sich mit den Eigenheiten von Quantencomputern vertraut zu machen. Das Atos-Angebot kann bis zu 40 Quantenbits (Qubits) simulieren. Das System wird in fünf Konfigurationen zwischen 30 und 40 Qubits angeboten und durch einen kompakten Supercomputer unterstützt. Die Quantensimulationen sollen es Entwicklern erlauben, Anwendungen zu schreiben und zu testen. Sie verfügen damit bereits über erste Erfahrungen mit Quatencomputing, wenn die ersten Quantenrechner auf den Markt kommen.

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Diese Quantencomputer müssen nicht von IBM stammen. Auch Google arbeitet fieberhaft nicht nur an Algorithmen für Quantencomputing, sondern auch an einem eigenen Quantenprozessor. Das 2013 gegründete, kalifornische Start-up Rigetti Computing setzt dagegen auf einen hybriden Ansatz aus klassischen Rechnern und Quantencomputern. Es will Cloud-Infrastruktur mit seinem Quantencomputer verknüpfen. Der dient dann lediglich als eine Art Beschleuniger. Ein Einsatzbereich dafür sei etwa Maschinenlernen.

Microsoft machte im Dezember 2017 mit der Freigabe eines eng in Visual Studio integrierten Entwickler-Kits einen großen Schritt vorwärts bei Quantencomputing. Der Konzern aus Redmond beschäftigt sich ebenfalls schon länger mit dem Thema. Diese Bemühungen wurden aber erst 2016 stark intensiviert und öffentlich bekannt gemacht.

Die IBM-Experten Sarah Sheldon (links) und Pat Gumann bei der Arbeit an der Kühleinheit eines Vorgängers, des nun vorgestellten Quantencomputers. (Bild: IBM Research)
Die IBM-Experten Sarah Sheldon (links) und Pat Gumann bei der Arbeit an der Kühleinheit eines Vorgängers, des nun vorgestellten Quantencomputers. (Bild: IBM Research)
Foto: IBM

Grundlagenforschung im Bereich Quantencomputing und Untersuchungen zur Sicherheit von Quantencomputern betreiben seit 2017 Forschungseinrichtungen in Aachen, Jülich und Delft gemeinsam. Das QuTech-Institut in Delft und die Aachen Jülich Research Alliance (JARA), beschäftigen sich insbesondere mit Festkörper-Quantencomputing. Die EU fördert das Projekt mit insgesamt einer Milliarde Euro. Im Rahmen des Projekts "OpenSuperQ" soll bis 2021 ein funktionsfähiger Quantencomputer mit 100 Quantenbits gebaut werden. Er soll supraleitende Schaltkreise besitzen und eine Open-Source-Software verwenden.

Quantencomputing nicht vor 2023 in der Praxis relevant

Trotz der aktuellen Ankündigung von IBM steckt Quantencomputing immer noch in den Anfängen. Zum Beispiel stellt IBM auf der CES keinen echten Quantencomputer, sondern lediglich einen Nachbau aus. Der Betrieb und die Konstruktion der Rechner sind lange noch nicht in großem Maßstab und standardisiert möglich. Um den Rechnern die richtigen Fragen zu stellen und sie sinnvoll zu nutzen, ist eine Reihe hochqualifizierter Experten erforderlich. Außerdem ist der Bau eines Quantenrechners nach wie vor unglaublich teuer. Das macht den dauerhaften Einsatz selbst in großen Unternehmen unwirtschaftlich. Das wahrscheinlichste Nutzungsszenario ist deshalb in den nächsten Jahren als Service, wohl bevorzugt über die Cloud.

Nichtsdestotrotz hat das Analystenhaus Gartner Quantencomputing in seine Liste zehn disruptiver Technologietrends für 2019 aufgenommen. CIOs und IT-Entscheider sollten sich bereits jetzt mit Quantencomputern und den kommerziellen Einsatzmöglichkeiten beschäftigen, dürften allerdings nicht davon ausgehen, dass die Technik umgehend zu revolutionären Veränderungen führt. Die erste Lernphase dauere in den meisten Firmen voraussichtlich noch bis 2022. Mit Einsätzen in der Praxis rechnet Gartner frühestens 2023. Einsatzmöglichkeiten finden sich insbesondere in der Automobil- sowie der Finanz- und Versicherungsbranche. Großes wird auch in den Bereichen Forschung, Militär und Pharmazie gesehen.

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