Nach über 27 Jahren

ICQ wird eingestellt

Peter Marwan lotet kontinuierlich aus, welche Chancen neue Technologien in den Bereichen IT-Security, Cloud, Netzwerk und Rechenzentren dem ITK-Channel bieten. Themen rund um Einhaltung von Richtlinien und Gesetzen bei der Nutzung der neuen Angebote durch Reseller oder Kunden greift er ebenfalls gerne auf. Da durch die Entwicklung der vergangenen Jahre lukrative Nischen für europäische Anbieter entstanden sind, die im IT-Channel noch wenig bekannt sind, gilt ihnen ein besonderes Augenmerk.
Harter Schlag für Internet-Nostalgiker: Mit dem Messenger ICQ verschwindet ein weiteres Internet-Fossil endgültig. Nach über 27 Jahren wird am 26. Juni 2024 Schluss sein. Zeit für Erinnerungen.
ICQ stellt seinen Betrieb im Juni 2024 ein.
ICQ stellt seinen Betrieb im Juni 2024 ein.
Foto: Screenshot: Peter Marwan

Der Messenger ICQ wird am 26. Juni abgeschaltet. Das teilten die Betreiber auf der Website des Dienstes mit. Als Alternativen werden VK Messenger und VK WorkSpace empfohlen - Angebote von VKontakte, dem russischen Pendant zu LinkedIn und Xing. Damit deutet sich auch schon an, welches Problem zum Aus geführt hat.

ICQ wurde von der israelischen Firma Mirabilis entwickelt und stand ab 1996 zur verfügung. Es war damals der ersten kostenlose Instant-Messaging-Dienst. Die Software breitete sich rasant aus. Das weckte Begehrlichkeiten: Mitte 1998 kaufte AOL Mirabilis für mehr als 400 Millionen Dollar.

Als ICQ zu AOL gehörte

AOL nutzte ICQ dann als Waffe in seinem Kampf um die Dominanz im Markt für Instant Messaging. Während ICQ-Nutzer sich mit denen des Chat-Tools AOL Instant Messenger (AIM) unterhalten konnten, verwehrte es das den Nutzern der Konkurrenz-Tools zunächst. Im Jahr 2000 lenkte AOL dann jedoch ein - um ein Eingreifen der Kartellämter zu vermeiden.

Der ICQ-Messenger im Jahr 2010.
Der ICQ-Messenger im Jahr 2010.

Als Antwort auf die zunehmende Konkurrenz durch Microsoft Hotmail und Yahoo Mail, die bereits damals mit Videoconferencing experimentierten, suchte AOL 2001 mit "ICQ Lite" sein Glück im Mobilbereich. Es verzichtete dabei auf allerlei Zusatzfunktionen und konzentrierte sich unter dem Slogan „AOL Anywhere" darauf, die mobile Messenger-Nutzung zu ermöglichen.

Instant Messenger werden business-tauglich - und gefährlich

Bei einer ChannelPartner-Umfrage 2007 nutzte die Hälfte der Teilnehmer ein Instant-Messaging-Tool. In der Umfrage ging es damals um " Messenger wie ICQ, jenen von Microsoft oder einen beliebig anderen". Das zeigt die Bedeutung, die das Tool damals hatte. Einige Jahre später führte Distributor Wave auf seiner Webseite sogar eine Chat-Option für seine Kunden ein - bei der auch ICQ unterstützt wurde.

ICQ 7.4. Immer noch ein bisschen zu bunt - aber nicht mehr ganz so aufdringlich.
ICQ 7.4. Immer noch ein bisschen zu bunt - aber nicht mehr ganz so aufdringlich.
Foto: 2014

Die zunehmende Nutzung im beruflichen Umfeld ließ aber auch Sicherheitsbedenken aufkommen. Die später von Websense übernommene britische Firma SurfControl warnte 2005, dass Instant Messenger das "Scheunentor ins Internet" seien. Clearswift (heute Teil von Fortra) bot aus diesen Erwägungen heraus kurz darauf eine Scan-Möglichkeit für Instant Messenger an. Barracuda versuchte damals, das Problem mit einem besonders granularen Filterkonzept in den Griff zu bekommen.

Konkurrenz wurde immer stärker

Allerdings verlor ICQ gegenüber der zahlreicher werdenden Konkurrenz immer weiter an Boden. Insbesondere Microsoft mit dem "Windows Live Messenger" machte dem Pionier zu schaffen. Daher wechselte ICQ im April 2010 erneut den Besitzer: AOL verkaufte ihn für knapp 190 Millionen Dollar an die Mail.ru-Group aus Russlnd. Ein weiser Entschluss, kamen doch mit Facebook oder Whatsapp und zwischenzeitlich auch Google Hangouts oder Jabber weitere starke Wettbewerber hinzu.

Im April 2020 machte der Dienst mit einem Relaunch einen neuerlichen Anlauf. Dass er einem russischen Unternehmen gehört, dürfte ihm dabei seit dem Beginn des offenen Krieges gegen die Ukraine auf internationaler Bühne nicht geholfen haben. Das Aus war also absehbar - dürfte aber bei Nutzern der ersten Stunde dennoch für einige Nostalgie sorgen.

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