Gerichtsklage in NRW

Media Markt erzwingt Corona-Lockerung – für wenige Stunden



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".
Ein Düsseldorfer Media-Markt-Filialleiter sah sich durch die Corona-Regeln benachteiligt und erhielt vom OVG Münster Recht. Für wenige Stunden durfte der Handel in NRW daraufhin ohne Beschränkungen öffnen – bis die Landesregierung nachjustierte.
Der Erfolg von Media Markt gegen die Corona-Regeln des Landes NRW währte nur wenige Stunden
Der Erfolg von Media Markt gegen die Corona-Regeln des Landes NRW währte nur wenige Stunden
Foto: Media-Saturn

Ein Jahr nach Beginn der Corona-Krise werden die staatlichen Schutzmaßnahmen immer öfter hinterfragt. So auch vom Leiter einer Media-Markt-Filiale in Düsseldorf. Auf der Grundlage der aktuellen nordrhein-westfälischen Coronaschutzverordnung können seit dem 8. März 2021 wieder alle Einzelhändler öffnen. Für die schon bislang von einer Schließung ausgenommenen Geschäfte (etwa Lebensmittelhandel) blieb es bei der bisherigen Regelung, die eine Kundenbegrenzung auf eine Person pro 10 qm Verkaufsfläche beziehungsweise pro 20 qm für die 800 qm übersteigende Gesamtverkaufsfläche vorsieht.

Im übrigen Einzelhandel ist der Zutritt allerdings grundsätzlich nur für einen Kunden pro 40 qm Verkaufsfläche und auch nur nach vorheriger Terminvergabe zulässig. Ausgenommen sind hiervon jedoch wieder die zuvor ebenfalls geschlossenen Buchhandlungen und Schreibwarengeschäfte. Gleiches gilt für Blumengeschäfte und Gartenmärkte, die bislang nur verderbliche Schnitt- und Topfblumen sowie Gemüsepflanzen und Saatgut verkaufen durften. Für sie gelten ebenfalls die günstigeren Öffnungsmodalitäten.

Filialleiter von Media Markt klagte

Der Filialleiter von Media Markt klagte gegen diese Ungleichbehandlung - und erhielt dafür vor dem OVG Münster Recht. Das Gericht gab bekannt, dass die Vorschriften der Coronaschutzverordnung zur Beschränkung des Einzelhandels vorläufig außer Vollzug gesetzt seien, weil sie mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbar seien.

Zur Begründung führte das Gericht aus: Die Beschränkungen verstießen in ihrer derzeitigen Ausgestaltung gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Bei der Pandemiebekämpfung bestehe zwar ein Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers, der sich in einer komplexen Entscheidungssituation befinde und nur mit Prognosen zu den Auswirkungen von Beschränkungen und Lockerungen arbeiten könne. Es sei auch zulässig, schrittweise zu lockern, wobei es zwangsläufig zu Ungleichbehandlungen verschiedener Bereiche komme. Der Verordnungsgeber überschreite aber seinen Spielraum, wo ein einleuchtender Grund für eine weitere Differenzierung fehle.

Dies sei der Fall, soweit auch Buchhandlungen, Schreibwarenläden und Gartenmärkte mit ihrem gesamten Sortiment unter vereinfachten Bedingungen (größere Kundenzahl, ohne Terminbuchung) betrieben werden dürften. Es erschließe sich nicht und werde durch den Verordnungsgeber auch nicht begründet, warum dessen Annahme, diese Betriebe deckten ebenfalls eine Art Grundbedarf, für sich genommen andere Öffnungsmodalitäten rechtfertigen sollte, als beim übrigen Einzelhandel.

Landesregierung beschließt gleiche Regeln für alle

Als Konsequenz hat das OVG die Corona-Regeln für den Handel insgesamt vorläufig außer Vollzug gesetzt. Das bedeutete, dass im gesamten Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen keine Kundenbegrenzung pro Quadratmeter mehr galt und das Erfordernis der Terminbuchung entfiel. Doch die Freude beim Einzelhandel währte nur kurz: Das Land NRW reagierte innerhalb von wenigen Stunden auf die Entscheidung der Richter und schärfte seine Corona-Verordnung nach, womit nun wieder der Status quo vor dem Gerichtsentscheid galt - ohne Ausnahmen.

NRW-Gesundheitsminister Laumann betonte: "Die Landesregierung setzt die Maßgaben des Gerichts konsequent um. Damit werden aus Gleichheitsgründen auch für Schreibwarenläden, Buchhandlungen und Gartenmärkten Terminvereinbarungslösungen vorgesehen." Wichtig sei, dass das OVG grundsätzlich die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen der Landesregierung erneut bestätigt habe.

Der Handelsverband Ostwestfalen-Lippe (OWL) hatte mit der Reaktion der Landesregierung auf das Urteil bereits gerechnet: Es sei nicht auszuschließen, dass das Land zeitnah neue Regeln anordnen wird, hieß es nach dem Urteil beim Handelsverband OWL. Hauptgeschäftsführer Thomas Kunz riet Händlern, durch die Gerichtsentscheidung nun nicht sofort "alle bisherigen Maßnahmen abzubauen" - zumal ohnehin Verschärfungen durch die am Abend stattfindenden Bund-Länder-Gespräche zu erwarten waren. Die Corona-Krise ist weiter ungelöst und dürfte den Handel noch vor einige schwierige Situationen stellen.

Zur Startseite