Tech-Data-Chef Dressen zur Boni-Regelung

"Mutige Entscheidung von HP"

23.10.2012

CP: Es gibt auch Modelle, bei denen mit bestimmten Kunden kein Geld verdient wird, mit anderen Kunden aber schon, so dass sich das Ganze am Ende wieder ausgleicht …

Dressen: Diese Logik teile ich nicht. Für mich ist jeder Kunde wertvoll, unabhängig davon, ob er mit uns 50 Millionen oder 50.000 Euro umsetzt. Denn jeder Kunde hat den Anspruch auf einen entsprechenden Service, unabhängig vom Umsatz. Deshalb möchte ich mit beiden Kunden Geld verdienen. Da bin ich sehr digital, das heißt: Wenn ich mit dem Kunden, mit dem ich 50.000 Euro Umsatz mache, kein Geld verdiene, dann erhöhe ich die Preise, und das gilt auch für den Kunden, mit dem wir 50 Millionen Euro Umsatz machen.

CP: Dann kauft er möglicherweise nicht mehr bei Ihnen.

Dressen: Wenn mir das ein Kunde in einer solchen Diskussion sagt, dann antworte ich ganz klar: "Sie können mir keinen größeren Gefallen tun, denn wir verdienen mit Ihnen kein Geld." Meist erzielen diese Kunden hohe Renditen, weil sie für ihre Endkunden sehr gute Arbeit leisten. Davor habe ich großen Respekt. Aber ich betone nochmals: Es kann nicht sein, dass wir als wichtiger Teil der Supply Chain mit diesen Kunden kein Geld verdienen. Und bei einigen Herstellern führte ein struktureller Fehler im Boni-Modell zu dieser Situation.
Die HP Enterprise Group hat diesen Fehler korrigiert und damit der Distribution die Chance gegeben, diesen Fehler auch für sich selbst zu korrigieren. Ich würde mich natürlich freuen, wenn auch die Kollegen begreifen, dass dies eine Chance ist, die Margen zu erhöhen. Diese Chance haben wir, im Gegensatz zu unseren Mitbewerbern, genutzt und auf diese Weise die Margen stabilisiert. Bei unseren größten Mitbewerbern dagegen brach die Marge vom ersten auf das zweite Quartal deutlich ein.

CP: Durch die Umstellung des Boni-Modells wollte HP Enterprise vor allem SMB-Partnern, die bislang mit den Preisen der Specialized Partner systembedingt nicht mithalten konnten, wieder eine reelle Chance bei Projekten ermöglichen, und die Distribution bei der Entwicklung und Ausbildung dieser Partner stärker in die Pflicht nehmen. Inwiefern ist das gelungen bzw. nicht gelungen?

Dressen: Wir sind im Non-Specialized-Umfeld gut unterwegs und haben hier auch neues Geschäft entwickelt. Bei mittelständischen und kleineren Partnern muss aber auch erst einmal wieder Vertrauen geschaffen werden, das braucht Zeit. Denn diese Händler wurden schließlich jahrelang bei ihren Endkunden damit konfrontiert, dass ein anderer Partner alles günstiger bietet. Aber für Distributoren wie Hersteller gilt gleichermaßen: Wenn man am Ende 90 Prozent des Business nur noch mit 20 Partnern macht, dann bedeutet das eine große Abhängigkeit.
In der Regel will doch jeder eine gewisse Breite erreichen, um auch einmal entscheiden zu können, die Zusammenarbeit mit dem einen oder anderen Partner zu reduzieren. Denn auf Dauer lässt sich für keinen das Geschäft nur unter Grenzkosten und Grenznutzen betrachten, das müssen Ausnahmefälle bleiben, andernfalls landet man irgendwann im Minus. Und die Konsequenz daraus ist dann, dass man die Margen erhöhen muss. Und da die Aktionäre in solchen Situationen meistens erwarten, dass das schnell geschieht, wird dann in der Regel Personal abgebaut. Also Actebis hat in Deutschland seit 2010 über 300 Mitarbeiter abgebaut. Und das ist nicht nur für die direkt Betroffenen bedauerlich, sondern auch für die Kunden, weil der Service-Level nicht im bisherigen Maße aufrechtzuerhalten ist.

CP: Wie konsequent hat Ihrer Erfahrung nach die HP Enterprise Group die Umstellung der Bonifizierung durchgezogen?

Dressen: Sehr konsequent. Ich habe auch auf europäischer Ebene dazu mehrere Gespräche geführt und meines Erachtens hat HP wirklich erkannt, dass das der richtige Weg ist. Sicherlich erlebt HP momentan keine leichte Zeit - speziell im Server-Umfeld war der Markt in den vergangenen zwölf Monaten nicht einfach. HP hat eine mutige Entscheidung getroffen, und das finde ich sehr gut.

CP: Hat Tech Data im HP-Enterprise-Bereich angesichts dieser Maßnahmen und infolge der HP-internen Umbauten mehr Umsatz verloren als der Markt insgesamt?

Dressen: Im Bereich der HP Enterprise-Lösungen: Ja. Aber wir konnten das alles mehr als kompensieren über eine höhere Rendite. Insgesamt haben wir in zwei Bereichen Umsätze reduziert: Einmal bei den Specialized Dealern, bei denen wir unsere Preisvorstellungen nicht durchsetzen konnten, und auch im Retail sind wir deutlich auf die Bremse getreten.
Letzteres ist für mich ein Dejà vu, denn bei Also hatten wir das Geschäft im Retail ebenfalls stark zurückgefahren, weil hier kein Geld mehr zu verdienen war. Wir waren bei diesen Maßnahmen immer der Vorreiter, irgendwann zogen dann die anderen nach. Beide Maßnahmen haben dazu beigetragen, unsere Profitabilität insgesamt erheblich zu verbessern. Durch den Ausbau in anderen Feldern - beispielsweise im SMB-Umfeld, in dem wir in den vergangenen Jahren deutlich zugelegt haben - konnten wir obendrein unseren Umsatz sogar noch steigern.

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