Deutsches Recht unwirksam

Neuberechnung von Kündigungsfristen

04.06.2010
Nach einem Urteil des EuGH müssen Beschäftigungszeiten vor dem 25. Lebensjahr mitgezählt werden.

Der Europäische Gerichtshof hat am 19.01.2010 entschieden, dass die Regelung in § 622 Abs. 2 S. 2 BGB, wonach bei Berechnung der Kündigungsfristen die Zeiten vor dem 25. Lebensjahr des Arbeitnehmers nicht berücksichtigt werden, gemeinschaftsrechtswidrig ist (EuGH, C-555/07).

Nach dieser Entscheidung, so der Münchner Fachanwalt für Arbeitsrecht Christoph J. Hauptvogel aus der Kanzlei Graf von Westphalen, Vizepräsident des VdAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, liegt eine Ungleichbehandlung vor, die auf dem Kriterium des Alters beruht und deshalb unzulässig ist. Der EuGH hat weiter entschieden, dass die Vorschrift aus dem BGB in Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten - also Arbeitnehmern und Arbeitgebern - von den deutschen Gerichten nicht anzuwenden ist.

Problemstellung

Die vom Arbeitgeber zu beachtende Kündigungsfrist verlängert sich nach § 622 BGB mit der Beschäftigungsdauer des zu entlassenden Arbeitnehmers. Beschäftigungszeiten vor der Vollendung des 25. Lebensjahres sollen hierbei nach § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht berücksichtigt werden. Der EuGH hat dieses gesetzgeberische Konzept nun insoweit umgeworfen, als bei der Berechnung der Kündigungsfristen Zeiten vor dem 25. Lebensjahr mitgezählt werden müssen.

Der Ausgangsfall macht die Bedeutung dieser neuen Rechtsprechung deutlich:

Gekündigt wurde eine Arbeitnehmerin mit einer Betriebszugehörigkeit von 10 Jahren, die seit ihrem 18. Lebensjahr bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt war. Dieser Arbeitgeber hatte in Anwendung der deutschen Gesetzesbestimmung die Zeiten zwischen dem 18. und dem 25. Lebensjahr nicht berücksichtigt und auf diese Weise eine Kündigungsfrist von einem Monat ermittelt. Die gekündigte Arbeitnehmerin wollte die sieben Jahre vor ihrem 25. Lebensjahr berücksichtigt wissen und beanspruchte somit eine Kündigungsfrist von vier Monaten. Der EuGH hat ihr Recht gegeben und somit - entgegen dem deutschen Gesetzesrecht - die Kündigungsfrist im praktischen Fall glatt vervierfacht!

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