Gericht konkretisiert Anhörungspflicht

Neues zur Verdachtskündigung

21.07.2010

Verdacht auf Unterschlagung geäußert

Als sich für den Bezirksverkaufsleiter der Verdacht verstärkte, brach dieser das Gespräch jedoch unvermittelt ab und bestellte den Kläger für den 29.01.2009 zu einem neuen Gespräch in die Zentrale des Unternehmens ein. Erst in diesem Gespräch am 29.01.2009 teilte der Bezirksverkaufsleiter dem Filialleiter mit, dass gegen ihn der dringende Verdacht der Unterschlagung von Fundgeld bestehe. Der Filialleiter äußerte daraufhin seine Bereitschaft, sich zu den zur Sprache gebrachten Verdachtsmomenten über einen Anwalt zu äußern. Gleichwohl sah der Bezirksverkaufsleiter keinerlei Notwendigkeit, kurzfristig einen neuen Anhörungstermin anzusetzen, um dem Filialleiter die Gelegenheit einzuräumen, einen Rechtsanwalt hinzuziehen oder ihm eine Frist für die angebotene schriftliche Stellungnahme durch einen Rechtsanwalt zu setzen. Stattdessen wurde am 30.01.2009 der Betriebsrat zur außerordentlichen Kündigung angehört. Am 02.02.2009 wurde dem Filialleiter dann fristlos gekündigt.

Hiergegen erhob der Filialleiter eine Kündigungsschutzklage und bekam sowohl in erster als auch in zweiter Instanz vor dem LAG Berlin-Brandenburg recht. Die Richter befanden die fristlose Kündigung für unverhältnismäßig, weil der Filialleiter nach ihrer Ansicht nicht ausreichend angehört worden sei.

Denn die Aufklärungsversuche des Bezirksverkaufsleiters am 28.01.2009 könnten schon deswegen nicht als eine Anhörung des Filialleiters angesehen werden, weil der Bezirksverkaufsleiter das Gespräch abgebrochen hat und den Filialleiter am Folgetage in die Zentrale bat. Damit habe der Verkaufsleiter deutlich gemacht, dass das bisher mit dem Filialleiter geführte Gespräch noch keine Grundlage für eine abschließende Beurteilung der Vorgänge geliefert habe. Zudem genüge es für die Anhörung als Wirksamkeitsvoraussetzung einer Verdachtskündigung nicht, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu den ihm bekannt gewordenen Verdachtsmomenten überhaupt befragt. Vielmehr müsse im Rahmen der Anhörung deutlich gemacht werden, dass die Anhörung dem Ziel dient, einen konkreten Verdacht aufzuklären und dass der Arbeitgeber generell beabsichtigt, eine Kündigung hierauf zu stützen. Nur so könne der Arbeitnehmer erkennen, welche Bedeutung die von ihm erwartete Stellungnahme habe.

Eine solche Anhörung sei im vorliegenden Fall aber erst am Folgetag, d. h. am 29.01.2009 erfolgt. Aber auch diese Anhörung entsprach wiederum nicht den Anforderungen für eine ordnungsgemäße Anhörung, weil der Arbeitgeber versäumt habe, kurzfristig einen neuen Anhörungstermin anzusetzen, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, einen Rechtsanwalt hinzuziehen oder ihm ein Frist für die angebotene Stellungnahme durch einen Rechtsanwalt zu setzen. Stattdessen habe der Arbeitgeber bereits am nächsten Tag den Betriebsrat zu der beabsichtigten Kündigung angehört und bereits vier Tage später (in die noch ein Wochenende fiel) die fristlose Kündigung ausgesprochen. Zumindest wenn ein Arbeitnehmer dies ausdrücklich wünsche, müsse ihm Gelegenheit gegeben werden, sich vor seiner Einlassung anwaltlich unterstützen zu lassen. In diesem Zusammenhang stellten die Richter des LAG auch klar, dass dabei zugleich der Lauf der zweiwöchigen Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB gehemmt ist, solange ein Arbeitgeber vor Aussprache einer Verdachtskündigung das notwendige Anhörungsverfahren vorantreibt (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.11.2009, Az.: 6 Sa 1121/09).

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