Es gibt für Systemhäuser noch viel zu tun

SDN - der neue Trend im Data Center

Beate Wöhe leitete als Director Experts Network das IDG Experten-Netzwerk für alle Online-Portale der IDG Tech Media GmbH. Sie hatte diese Position nach über zehnjähriger Tätigkeit als Redakteurin und leitende Redakteurin des IDG-Titels ChannelPartner im Juli 2014 übernommen. 

So gesprächsbereit sind bisher die Kunden

Die Vorteile für den Einsatz sind also vielfältig und flexibel einsetzbar. Doch bisher werden sich wohl nur vereinzelt Kunde finden lassen, die sich bereits mit dem Thema beschäftigen - geschweige denn einen Einsatz von SDN aktiv in Erwägung ziehen. Der Markt ist noch jung, die Informationen fließen noch spärlich, und auch die Kompatibilität der einzelnen Komponenten ist noch fraglich.

Entsprechend unterschiedlich fallen nach Aussagen der Systemhäuser auch die Kundenmeinungen aus: "Es besteht bereits großes Interesse. Gleichzeitig gibt es noch sehr viele unterschiedliche Meinungen über Nutzen und Einsatzmöglichkeiten von SDN. Wir sehen unsere Aufgabe daher auch darin, unsere Kunden über SDN und die damit verbundenen Möglichkeiten zu informieren und zu beraten. Aktuell werden vor allem SDN-Controller nachgefragt, um bestehende Infrastrukturen zu optimieren. Noch gibt es nur wenige komfortable Applikationen, die für spezifische Szenarien und Umgebungen das Potenzial von SDN voll ausschöpfen. Wir sind aber überzeugt, dass die Zahl bald steigen wird", meint man bei Bechtle.

Auch die Großkunden und öffentlichen Auftraggeber, die Computacenter betreut, sind vorerst noch zurückhaltend. Zu wenig definiert scheinen mögliche Anwendungsszenarien oder eine klare, auf den Kunden zugeschnittene Installation zu sein. Dieser Situation tritt Computacenter entgegen und plant bereits, mögliche Anwendungen für seine Kunden (be)greifbar zu machen. "Wir sprechen aktuell mit unseren Kunden aus den Segmenten Large Enterprise und Öffentliche Auftraggeber sowie mit Service-Providern über SDN", erklärt der Computacenter-Netzwerkspezialist Witte.

Inhaltlich liege das Interesse meist darin, sich zunächst einen Überblick über das Thema zu verschaffen und gemeinsam mit Computacenter die Einsatzmöglichkeiten und den Nutzen im speziellen Kundenumfeld zu erarbeiten. "Unsere Kunden erhoffen sich überwiegend Kosteneinsparungen bei Investitionen und eine Ressourcenoptimierung im Betrieb. Großes Potenzial stehen wir in der Effizienzsteigerung zum Beispiel durch die verstärkte Automation von Betriebsabläufen und einer durchgängigen Provisionierung von IT-Services im Rechenzentrum. Computacenter hat zu SDN ein herstellerübergreifendes Beratungsangebot im Portfolio. Zudem planen wir in unserem Solutioncenter die Bereitstellung einer Testumgebung für unsere Kunden, um verschiedene Lösungen "Proof of Concept" durchführen zu können", so Witte weiter.

"Hürden ergeben sich möglicherweise im Bereich der Implementierung in bestehende Infrastrukturen und bei den damit verbundenen Kosten." Sven Kreussel, System Engineer bei der Netzlink Informationstechnik GmbH
"Hürden ergeben sich möglicherweise im Bereich der Implementierung in bestehende Infrastrukturen und bei den damit verbundenen Kosten." Sven Kreussel, System Engineer bei der Netzlink Informationstechnik GmbH
Foto: Netzlink

Bei Netzlink Informationssysteme gibt es derzeit noch keine Kunden mit tieferem Interesse. Die Vorteile der Nutzung dieser neuen Technologie müssten erst in den Köpfen der Entscheidungsträger ankommen. "Aller Voraussicht nach bieten sich Lösungen im Bereich von SaaS, Data Center sowie Forschung und Entwicklung an. Hürden ergeben sich möglicherweise im Bereich der Implementierung in bestehende Infrastrukturen und bei den damit verbundenen Kosten. Insbesondere die Art der Implementierung als Switch-, Oberlay- oder Hybridansatz entscheidet über die Folgekosten", so Kreussel zu den Chancen.

Flickenteppich statt durchgängige Struktur

International beschäftigen sich derzeit rund ein Dutzend Hersteller mit der Bereitstellung von SDN-fähigen Produkten. Einige stehen mit ihrer Strategie noch am Anfang, während manche großen Hersteller bereits einzelne Produkte anbieten (siehe Seite 20). Aus dem bestehenden Angebot die richtigen Komponenten für einen Kunden zu finden scheint für die Systemhäuser derzeit noch keine einfache Sache zu sein.

Das bestätigt auch der Computacenter-Manager: "Unsere Analysen zeigen, dass zwischen den Marketingaussagen sowie den damit verbundenen Erwartungen einerseits und der Realität andererseits noch eine große Lücke besteht. Einige Lösungen liefern bereits ganz brauchbare Ansätze, um die gewünschten Kundenanforderungen zu bedienen. Die große Hürde ist jedoch die Integration in die bestehende IT-Infrastruktur und Organisationsstruktur." Wie jedes Hype-Thema werde sich auch SDN in der Praxis gewähren müssen, meint Witte, und weiter: "SDN ist derzeit ein heiß diskutiertes Thema. Alle marktrelevanten Hersteller haben es auf ihrer Roadmap und einige davon stellen auch bereits Produkte zur Verfügung. Der Markt ist jedoch noch sehr jung und daher versuchen sich die Hersteller entsprechend zu positionieren."

Für Systemhäuser heißt es daher, diesen Markt so gut wie möglich zu verfolgen und die Entwicklungen nicht aus den Augen zu verlieren. Derzeit sind durch den Austausch ursprünglicher Netzwerkkomponenten durch SDN-fähige Hardware zwar bereits partitielle Verbesserungen zu erreichen - es fehlt aber das große Ganze. Bechtle-Managerin Schüle sieht dem positiv entgegen: "Hier wird sich noch viel tun. Es sind umfassende Lösungen gefragt, die eine einheitliche Architektur aus Hardware und Software darstellen. Wichtig ist vor allem, dass schnell SDN-fähige Nodes verfügbar sind. Vor allem die Verbesserung und Standardisierung von vorhandenen proprietären Lösungen kommt dem SDN-Trend zugute."

Ob es die alteingesessenen Netzwerkhersteller sein werden, die sich bei SDN hervortun werden und damit einen Teil ihres eigenen bisherigen Angebotes kannibalisieren oder ob neue Anbieter mit innovativen Lösungen das Rennen machen werden, steht aktuell noch in den Sternen. Einen Austausch unter den Herstellern hält Bechtle-Managerin Schüle daher für sehr wichtig: "Bedeutend ist das Open-Daylight-Konsortium, in dem alle wichtigen Hersteller vertreten sind. Ihr erklärtes Ziel ist, die Anwendungen und Innovationen von SDN voranzubringen. Dazu gehört die Etablierung eines gemeinsamen herstellerübergreifenden Frameworks für SDN. Standardisierung wird ebenfalls ein wichtiger Faktor sein. Unter den Hardwareherstellern ist bei HP, Juniper und Alcatel ein starker Fokus auf SDN erkennbar. Auch Cisco unterstützt in den aktuellen Produkten Open Flow."

Das von Schüle angesprochene Open-Daylight-Konsortium ist in der IT- und in der Netzwerkbranche allerdings umstritten (siehe dazu Seite 16 dieser Ausgabe). Zumindest kann man aber davon ausgehen, dass sich die an diesem Konsortium beteiligten Unternehmen auf einheitliche Standards einigen können, was es sowohl den Kunden als auch den Systemhäusern einfacher machen wird, bestehende Strukturen zu ergänzen oder zu modifizieren.

"Man muss über den Tellerrand der klassischen Architektur der Infrastrukturen schauen. Hersteller wie Cisco, IBM, Juniper oder Brocade werden in diesem Segment eine große Rolle spielen. Wichtig sind dann vor allem standardisierte Schnittstellen und deren Definition", wünscht sich Netzlink-Manager Kreussel.

Computacemter-Mann Witte nennt zwar keine Herstellernamen, allerdings hat sein Unternehmen bei der bisherigen Analyse der Entwicklung zwei Richtungen erkannt, aus denen die Impulse kommen: "Wir beobachten den Markt aus unserem Ende-zu-Ende-Portfolioansatz heraus. Dabei lassen sich zwei Strömungen erkennen: Auf der einen Seite stehen die Netzwerkinfrastrukturhersteller, die SDN durch die Implementierung von Openflow beziehungsweise eines herstellerspezifischen Ansatzes realisieren."

Auf der anderen Seite, so Witte weiter, treiben die Software- und Datacenter-Hersteller den Ansatz des Software Defined Datacenters voran, um die nächste Stufe der IT-Industrialisierung für eine rechenzentrumsübergreifende Automation von IT-Services voranzubringen. "Wir sehen, dass die marktführenden Netzwerkhersteller durch innovative, auf SDN fokussierte Konkurrenten stark unter Druck gesetzt werden. Das erhöht den Druck, Neuerungen einzuführen. Die Produkt-Roadmaps und Neuankündigungen der Hersteller fokussieren auf den hybriden Ansatz, die klassischen Netzwerkprotokolle mit SDN-Funktionalitäten zu ergänzen. Somit hat der Kunde die Wahl, seine heutigen Infrastrukturen um SDN-fähige Komponenten zu ergänzen oder die neue Technologie nur für Teilbereiche einzuführen - und damit Investitionssicherheit."

Stolpersteine

Software Defined Networking ist eine Technologie, die nicht nur den Systemhäusern einiges an Know-how abverlangt. Auch auf Herstellerseite muss noch viel getan werden, um für die Kunden umfassend zufriedenstellende Lösungen generieren zu können. "Sowohl das Produktportfolio als auch allgemeine Informationen sind bei den Kunden noch nicht weit durchgedrungen. Hier wären insbesondere Schulungen und Informationsveranstaltungen seitens der Hersteller wünschenswert, um dem Thema mehr Auftrieb zu verleihen", wünscht sich Netzlink-Manager Kreussel.

Auch Witte setzt auf Kontakt untereinander: "Die größten Herausforderungen für alle Marktteilnehmer sind aus unserer Sicht zum einen die Unsicherheit, wie schnell sich dieser Hype in der Realität gewinnbringend für Kunden umsetzen lässt. Zum anderen stellt SDN neue Forderungen an die Kenntnisse von Netzwerk- und Data-Center-Personal. Hier wird es notwendig sein, näher zusammenzurücken und den Transfer von Software- beziehungsweise Programmier- und Produktkenntnissen in der IT-Organisation zu forcieren." (bw)

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