Mitarbeiterführung allein reicht nicht aus

Warum die Führung der eigenen Person wichtig ist



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Führungskräfte sollen ihren Mitarbeitern Orientierung und Halt geben. Außerdem sollen sie Vorbilder für sie sein. Um diese Aufgaben erfüllen zu können, müssen sie selbst reife Persönlichkeiten sein, sagt Ralph Guttenberger.
Ein guter Vorgesetzter muss sich in jeder Führungssituation in der Gewalt haben und Selbstdisziplin zeigen.
Ein guter Vorgesetzter muss sich in jeder Führungssituation in der Gewalt haben und Selbstdisziplin zeigen.
Foto: ArtFamily - Fotolia.com

Welche Eigenschaften zeichnen eine gute Führungskraft aus? Hierüber wurden schon zahlreiche Bücher und Artikel geschrieben, auch auf Kongressen wird hierüber immer wieder diskutiert. Zu Recht! Denn es macht einen Unterschied, ob eine Führungskraft angelernte Hilfskräfte oder hoch qualifizierte Fachkräfte führt. Ebenso macht es einen Unterschied, ob sie ihre Mannschaft in Boom- oder Krisenzeiten führt.

Ungeachtet solcher speziellen Rahmenbedingungen gibt es jedoch bestimmte Eigenschaften, über die eine Führungskraft verfügen muss, wenn sie ihren Job auf Dauer gut machen möchte. Sie muss zum Beispiel außer anderen Menschen auch sich selbst führen können. Denn nur dann kann sie für ihre Mitarbeiter ein Vorbild sein. Folgende Eigenschaften zeichnen eine Führungskraft unter anderem aus, die eine starke Persönlichkeit ist und eine hohe Wirkung erzielt.

Merkmal 1: Eine Führungspersönlichkeit hat ein klares Wertesystem.

Nichts verunsichert Mitarbeiter so sehr, wie wenn sie nicht wissen, von welchen Werten sich ihr Vorgesetzter leiten lässt - also was ihm wichtig ist. Denn dann ist er für sie unberechenbar. Mal kritisiert er sie scharf für den kleinsten Fehler, mal schaut er großzügig über echte Fauxpas hinweg. Mal verkündet er "Nur der Umsatz am Monatsende zählt", mal "Wir müssen unser Geschäft von morgen im Blick haben."

In einem solchen Umfeld kann kein Mitarbeiter auf Dauer gute Leistungen bringen. Denn ständig plagt ihn die Angst: Hoffentlich mache ich nichts falsch, denn dann staucht mich mein Chef zusammen. Die Folge: Die Mitarbeiter arbeiten mit angezogener Handbremse. Und niemand traut sich, Risiken einzugehen - aus Angst vor den Reaktionen des Chefs.

Deshalb müssen Führungskräfte sich ihrer Werte bewusst sein. Doch nicht nur dies! Die Mitarbeiter sollten die Werte, an denen ihr Vorgesetzter sein Handeln orientiert, auch spüren. Denn sonst wird er für sie schnell unglaubwürdig. Und die Mitarbeiter können sich nur schwer mit ihrem Chef und somit dem Unternehmen identifizieren. Also sind sie auch nicht bereit, sich für diese zu engagieren.

Merkmal 2: Eine Führungspersönlichkeit hat klare Ziele.

Oft klagen Mitarbeiter über ihre Vorgesetzten: "Der Müller weiß nicht, was er will. Mal heißt es hü, mal heißt es hott." Das heißt, die Mitarbeiter sind verunsichert - entweder weil ihr Chef ihnen für ihre Arbeit keine klaren Vorgaben macht. Oder weil er mal verkündet "Hauptsache, ihr holt viele Aufträge rein" und mal: "Hauptsache, die Kunden sind mit unserer Leistung zufrieden. Denn dann bleiben sie uns treu." Also wissen sie nicht, welche Ziele sie bei ihrer Arbeit verfolgen sollen. Die Folge hiervon ist eine Verschwendung von Zeit und Ressourcen. Und eine geringe Effizienz - was auch zu Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern führt.

Führungspersönlichkeiten wissen, was sie wollen. Deshalb können sie ihren Mitarbeitern klar mitteilen, was sie von ihnen erwarten. Und wenn sie aufgrund geänderter Rahmenbedingungen mal die Vorgaben ändern? Dann legen sie dies ihren Mitarbeitern dar und begründen dies. Deshalb beginnen diese nicht an ihrem Chef zu zweifeln.

Merkmal 3: Eine Führungspersönlichkeit weiß, was sie kann und was andere besser können.

Manch Führungskraft ist der irrigen Auffassung "Ich kann alles besser als meine Mitarbeiter." Oder: "Ich muss alles besser als meine Mitarbeiter können." Die Folge: Die Führungskraft kann keine Aufgaben loslassen und delegieren - weshalb sie auch unter einer permanenten Überlastung leidet. Und außerdem fällt es ihr extrem schwer, Mitarbeiter mal zu loben. Stattdessen krittelt sie stets an allem herum.

Das demotiviert die Mitarbeiter, und mit der Zeit wird die Einschätzung der Führungskraft "Ich kann alles besser und muss alles selbst machen" zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Denn weil ihnen ihr Chef nichts zutraut, trauen sich auch die Mitarbeiter immer weniger zu. Und weil sie zunehmend verunsichert sind, begehen sie mehr Fehler, was wiederum ihren Chef in der Auffassung bestärkt: Letztlich muss ich alles selbst machen.

Anders agiert eine Führungspersönlichkeit. Sie weiß genau, was sie gut kann und was andere besser können. Und sie freut sich, wenn ein Mitarbeiter gewisse Aufgaben besser als sie selbst erledigt. Denn dann kann sie die Aufgabe an ihn delegieren. Deshalb versucht sie ihre Mitarbeiter nicht klein zu halten, sondern diese in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken. Denn sie weiß: Hiervon profitieren ich und das Unternehmen.

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